Fehlplanungen und Fehlentscheide sind menschlich, können aber in der Fliegerei dramatische und tragische Auswirkungen haben. Deshalb ist es wichtig, dass auch zukünftig zwei gut ausgebildete, gegenseitig kritische und charakterlich feste Piloten im Cockpit zugegen sind, um Fehlentscheide möglichst zu vermeiden. Neben der technologischen Entwicklung wurde viel unternommen, um die Fehlerkultur von Piloten und allen Beteiligten am sicheren Flugbetrieb zu verbessern. Die Hierarchie im Cockpit wurde flacher, ausser in Situationen, wo allein der Kapitän in Sekundenbruchteilen entscheiden muss.
In der permanenten Ausbildung ist Crew Ressource Management (CRM) zentral geworden. Es geht um die Verbesserung der Teamleistung und den kritischen Umgang mit menschlichen Fehlern und Risiken. Mittlerweile hat dieses Schulungskonzept Eingang gefunden in modernen Spitälern, wo Fehler ebenso fatal sein können wie im Cockpit.
Kein Strom und eine verhängnisvolle Prophylaxe
Fliegt man mit offenen Augen durch die Welt, werden viele Fehlentscheide sichtbar. Balair hatte keine eigenen Piloten und die beliebten Ferienflüge wurden von uns Swissair-Piloten geflogen. In den Achtzigern flogen wir Lomé im westafrikanischen Togo an, mit einem einwöchigen Aufenthalt, bis das Flugzeug wieder kam. Das Hotel war völlig «im Schilf», hatte aber eine gute Infrastruktur mit Swimmingpool, Disco, Restaurants, Casino und gutem Ausgangspunkt für Ausflüge. Die Lage am Strand war allerdings – wegen der extrem starken Strömung – wenig attraktiv. Tafeln wiesen auf die Gefahr hin, mittels des an in den Boden gerammten Pfählen befestigten Seils konnte man sich von der gefährlichen Strömung überzeugen, die einen hilflos ins offene Meer gezogen hätte.
Das isolierte Touristenhotel war eigentlich eine Fehlplanung. Auf dem Weg vom Flugplatz zum Hotel fuhren wir an einer im Bau befindlichen Überbauung vorbei, ebenfalls völlig «im Schilf». Die für Beamte und Geschäftsleute geplanten komfortablen Bauten mit Geschirrspüler und Waschmaschinen seien noch nicht ganz fertig, erklärte der Fahrer. Aber, so der Fahrer verschmitzt lachend, der Bau stocke, da man bemerkt habe, dass keine Zuleitung von elektrischem Strom vorhanden und ein möglicher Anschluss weit weg sei. Eine teure unbewohnbare Fehlplanung.
Wir genossen die langen Aufenthalte trotzdem im luxuriösen Hotel mit eigener Stromversorgung mit Dieselgeneratoren. Ein Ausflug führte uns zum Voodoo-Markt. So weit das Auge reichte, warteten Schlangen, Hundeköpfe, Frösche oder Teile von Krokodilen bei brütender Hitze und entsprechenden Gerüchen auf die Verarbeitung zu Amuletten. Wir Weisse wurden umworben und an den Händen zu den Ständen gezogen. Von einem Voodoo-Doktor liess ich mir einen persönlichen Fetisch – einen Kraftgegenstand – anfertigen, der mich auf den Flügen vor Unheil bewahren sollte. Ich bin nicht abergläubisch, aber diese Investition war sicher keine Fehlentscheidung, denn es passierte mir in den vielen Flugjahren nichts und ich blieb vor folgenschweren Fehlentscheiden verschont. Ich hatte die kleine Figur nämlich auf allen Flügen im Pilotenkoffer, und mit den Jahren hat sie den penetranten Geruch der Kadaver-Mixtur verloren.
Ein Fehlentscheid war hingegen, dass ich auf dem ersten Afrikaflug der Empfehlung «Malaria-Prophylaxe» eines unerfahrenen, nach Lehrbuch beratenden Fliegerarztes folgte. Auf dem Rückflug juckte es fürchterlich und die Hände schwollen an. Es wurde eine Allergie gegen einen Bestandteil im Malaria-Medikament festgestellt. Die erfahrenen Fliegerärzte rieten den Flight Crews sowieso von der Prophylaxe mit Schlucken starker Malaria-Mittel während Jahrzehnten ab. Im Falle eines Ausbruchs der Tropenkrankheit, der lange Zeit nach dem verhängnisvollen Mückenstich irgendwo stattfinden kann, stehen gute Medikamente zur Verfügung, die wir als Notmedikament ständig dabei hatten. Starker Insektenspray wird den Besatzungen zudem auf Flügen nach Afrika und Südamerika zur Verfügung gestellt.
Als staatliche Fehlplanung verlangen gewisse afrikanische Staaten, dass vom Flugplatzpersonal ins Flugzeug gebrachte Insektensprays versprüht werden und sich der giftige Nebel via Klimaanlage verteilt. Die Beamten kontrollieren, ob die Spraydosen tatsächlich leer zurückkommen. Den Flight Attendants erteilten wir Cockpit-Verbot mit den Spraydosen. Da das Cockpit nicht via Kabine mit Frischluft versorgt wird, blieben wir vor dem ungesunden Nebel verschont. Wir bringen ja wohl auch keine Mücken aus der Schweiz mit.
Der Hangar des Bundesratsjets ist zu klein
Eine Fehlplanung der Superlative ist der um 158 Meter höhere Nachbau des Petersdoms und der Gärten von Versailles in der Elfenbeinküste. Bei den Aufenthalten in Abidjan war der dreijährige Denkmalbau für den damaligen Präsidenten ständig propagandistisch präsent. Was immer noch fehlt, bei einer Kapazität für über 10’000 Personen, sind Kirchgänger und Besucher. Eine weitere feudale Fehlplanung war die Kunsteisbahn im Intercontinental Hotel, wo wir logierten. Bei vierzig Grad kamen die reichen Funktionärskinder mit Schlittschuhen, während draussen die nicht-privilegierten Kids bettelten.
Nicht zu gross, sondern zu klein ist hingegen der Hangar für das neue Bundesratsflugzeug. Nicht Fehl-, sondern überhaupt keine Planung, könnte man meinen. Die ganze überteuerte Beschaffung des Bundesratsjets mit einem zu kleinen Hangar und einer Piste, die zu kurz ist, um mit Volllast starten zu können, ist unsorgfältig und wenig sensibel. Auch die Grösse und extrem grosse Reichweite des Jets sowie das Abwehrsystem, wo kaum jemand den Schweizer Bundesrat abschiessen will, wo er sich bei uns glücklicherweise frei bewegen kann, zu Fuss, mit dem Velo oder im ÖV, scheinen fraglich. Vielleicht hätte der Aussenminister und seine Frau am letzten Wochenende für seine Südamerika-Reise anstelle des Bundesratsjets auch etablierte Airlines benutzen können, musste er doch in Bolivien umsteigen, da das 103-Millionen-Flugzeug den hoch gelegenen Flugplatz nicht anfliegen konnte.
Manager entschieden fehl über Flugzeugkauf
Der für Swissair tödliche Fehlentscheid war der Aufkauf maroder Airlines in Belgien, Deutschland und Frankreich. Techniker und Piloten hatten aus der Zusammenarbeit lange Erfahrung mit der fehlenden Verlässlichkeit und der Streikbereitschaft dieser Firmen; sie warnten leider ungehört. Auch Flugzeugkäufe sind nicht vor teuren Fehlentscheiden gefeit. Die Fokker 100 passte als völliger Exot nicht in die damalige Flotte und kostete mit kleinem Personalkörper, nicht in die Wartung passend und schwieriger Ersatzteilbewirtschaftung viel Geld.
Auch Entscheide von Flugzeugherstellern sind aus Pilotensicht oft nicht nachvollziehbar. Techniker hätten es gerne anders, aber auch ein Airbus kann und wird immer noch von Hand geflogen. Wenn der links sitzende Pilot das Flugzeug mit dem Sidestick manuell steuert, bewegt sich allerdings der Steuerknüppel des rechts sitzenden Piloten nicht und umgekehrt. Damit fehlt den Piloten im Zweimann-Cockpit eine essenzielle Grundinformation und man kommt mit einem notwendigen Eingreifen zu spät. In der Schulung junger Piloten ist es unzweckmässig, da der erfahrene Pilot oder Fluglehrer entweder zu spät kommt, mit einer Korrektur oder ohne Lerneffekt zu früh eingreift, weil er nicht mitbekommt, was der andere nicht oder zu spät macht. Das wurde einem Cheffluglehrer mit einem Millionenschaden zum Verhängnis, weil er nicht realisierte, dass der Jungpilot bei der Landung zu spät am Steuer zog.
Amerikanische Flugzeuge werden von Airbus-Verkäufern gerne als rückständig bezeichnet, weil die Piloten das Flugzeug immer noch mit zwei miteinander verbundenen Steuerhörnern anstelle individueller Joysticks steuern und sich die Gashebel auch im automatischen Modus entsprechend der gesetzten Leistung bewegen. Das entspricht dem Urinstinkt der Piloten, die mitbekommen, was der andere oder der Autopilot gerade macht, ständig im Loop sind und wenn nötig sofort eingreifen können.