Früher wurde am heiligen Abend nicht geflogen. Kurzstreckenleute feierten zu Hause Langstrecken Besatzungen, meist solche die es ausdrücklich wollten, hatten verbrachten ihren Fünfundzwanzigsten irgendwo auf der Welt. Das hat komplett geändert, es wird immer geflogen, auch an Weihnachten.
Die Wahlmöglichkeiten wo die fliegenden Mitarbeiter die Feiertage verbringen wollen sind, im Sinne der betrieblichen Chancengleichheit und Optimierung, beschränkt und stossen nicht immer auf eitel Freude. Was hingegen phantastisch und eine echte Bereicherung ist, sind die Flugeinsätze in der Vorweihnachtszeit. Es sind bleibende Bilder wie an den verschiedenen Destinationen die Adventszeit dargestellt wird. Jedes Land hat seine eigene Kultur mit dem gewöhnungsbedürftigen aber verständlichen Phänomen, dass Weihnachten auf der südlichen Halbkugel in Shorts, bauchfrei und in Badehosen verbracht werden. „Oh du fröhliche“ tönt überall gleich aber je nach Temperament der jeweiligen einheimischen Bevölkerung und deren Musikmacher doch wieder total verschieden. Brasilianer(innen) können auch dazu Samba tanzen, eine US Country Band hat es wieder anders drauf und in den Einkaufsschluchten im Fernen Osten wird man sowieso pausenlos berieselt damit. Im Wettlauf um Spektakel und Auffälligkeit liefern sich amerikanische Städte und fernöstliche Metropolen ein Kopf an Kopf Rennen. Angetrieben natürlich durch die Turbine Kauflust Steigerung. Aber Manhattan muss man einfach irgendwann im Leben zur Weihnachtszeit sehen. Das legendäre Rockefeller Center mit seinem riesigen Christbaum und den eislaufenden New Yorkern, das Macy, die Weihnachtshows am Broadway oder der pulsierende Times Square. Der „Naked Cowboy“ hat für einmal Stetson mit Chlausmütze getauscht. Mein Lieblings Weihnachtsbaum steht allerdings im Crew Hotel in Sao Paulo. Über drei Stockwerke leuchtet in sattem grün und rot der aus hunderten von Weihnachtssternen, lateinisch Euphorbia Pulcherrimag oder „die Schönste“, gebaute Baum. Bei der Heimkehr und ein paar Caipirinhas intus leuchten die roten Blüten wie bengalische Kerzen. Auch Behörden und Polizei gehen unterschiedlich um mit der Vorweihnachtszeit. Meist lassen sich moderne Beamte von der fröhlichen Stimmung anstecken. Die Polizei muss aber natürlich dabei unbestechlich bleiben. Bei uns äussern sich die Glückwünsche dann etwa, ihren Auftrag erfüllend „wir sind für das Wohl der Staatskasse da“, in Warnungen vor vermehrten Dämmerungseinbrüchen. Als sehr beliebtes Weihnachtsgeschenk an die Regierung intensiviert sie dann ihre weihnächtlichen Verkehrskontrollen. Im Stundentakt den Standort wechselnd, werden dem weihnächtlich gestressten Autofahrer die Fallen gestellt und auch der weihnächtliche Kistenpass muss als stimmige Kulisse herhalten und wird mangels Schnee mit ein paar Lichtblitzen verschönert. Zu später Stunde kann dann sicher auch noch der eine oder andere Heimkehrer gerettet werden nachdem ihm nach üppigem Weihnachtsessen die Luft im Röhrchen stecken geblieben ist. In Yaounde, Kamerun, geht das anders. Auf der Fahrt vom Flugplatz habe ich in jeder Kurve Polizisten auf den Leitplanken sitzen gesehen. Auf die heimatlich gefärbte Frage, ob diese Leute den Verkehr kontrollieren würden, hat mich der Fahrer entgeistert angeschaut. Nein, sie würden die Leitplanken bewachen, da diese sonst abmontiert und das wertvolle Metall für willkommenes Weihnachtsgeld verkauft würde. Und er schob gleich noch den guten Rat nach, bei Polizeisperren müssten wir Ausländer dann etwas tiefer in die Tasche greifen und das Weihnachtsgeld der einheimischen Beamtenschaft solidarisch mittragen. Solche privaten Initiativen trifft man nicht nur in Afrika an. Ich staunte nicht schlecht, als ich in Montreals grösster Einkaufsstrasse ein halbes Dutzend Feuerwehrmänner in voller Montur aber mit einer Weihnachtsmütze auf dem Kopf beim Geld sammeln entdeckte. Plötzlich Mütze weg, Helm auf. Sie stürmten los, sprangen in ihren Chromstahl glänzenden super modernen Löschtruck und brausten mit Blaulicht davon. Zwei Stunden später wieder an derselben Stelle. Helm ab, Weihnachtsmütze auf. Bereitwillig erklärten sie mir, sie würden für notleidende Kollegen oder Feuerwehr Witwen und Waisen etwas Weihnachtsgeld sammeln, denn die staatliche Hilfe würde nicht für mehr als knappes Überleben reichen. Neben schönen Bildern werden in der Weihnachtszeit die Gegensätze noch besser sichtbar. In Nairobi kann man all den Glamour im Shoppingcenter bewundern und kaufen, Kunden fahren mit Luxuskarossen direkt in die Tiefgarage. Draussen sieht es anders aus. Kinder sind glücklich über einen Swiss Kugelschreiber oder ein Minishampoo und überglücklich über eine Schokolade. Viele Fliegende reagieren auf diese prägenden Bilder mit direkter Hilfe, nehmen Kleider und Spielsachen mit und einige unbürokratische Hilfswerke, Waisenhäuser, Schul- und Spitalprojekte wurden von ihnen initiiert und unterhalten.