Die heutigen nonstop Flug Distanzen sind enorm. Zwischenlandungen sind verpönt und umsteigen will man schon gar nicht. Das gibt aber auch neue Probleme. Für uns ist es eine planerische Herausforderung wenn die Strecke am Limit der Flugzeug Reichweite ist. Durch die lange Zeitspanne zwischen Planung und Landung können sich die Verhältnisse komplett ändern was Wetter und Flugplatz Status angeht. Aber auch die Passagiere werden durch die langen Flugzeiten gefordert.
Oft wird reklamiert man habe zu wenig Platz. Diese Aussage stimmt so nicht und hat subjektiv mit der langen Flugzeit zu tun. Die neuen Grossraumflugzeuge lassen dem Passagier viel mehr Luft und Sitzfreiheit als etwa die enge Röhre der damaligen DC-8. Durch die grosse Anzahl Passagiere hat man aber das Gefühl es sei sehr eng und das äussert sich öfters in Aggressivität. Mein Wohlfühltipp von vielen Piloten erprobt: Jede Stunde laufen und, nicht sexy aber wirksam, Stützstrümpfe tragen. Kürzlich reiste ich in der Business Klasse. Diese ist unbestritten top, man kann völlig flach liegen. Trotzdem hat sich ein Passagier wahnsinnig aufgeregt. Sein und wirklich nur sein Sitz sei schmaler als alle anderen. Er hat die ganze Nacht richtig Terror gemacht. Mein Sitztauschangebot hat er ausgeschlagen, man habe ihn bewusst diskriminiert. Damit war klar was er eigentlich wollte: Einen Platz in der ersten Klasse oder eine Kompensation, was er auch unverfroren aber erfolglos einforderte. Ich bewundere unser Kabinenpersonal das in solchen Situationen Ruhe bewahrt und solche Kunden mit einem Lächeln eine Nacht lang erträgt. Ich aber freute mich einmal mehr über das Privileg, meinen Beruf im abgeschirmten Reich Cockpit ausführen zu dürfen.
Auch am Boden wird es an Destinationen wie Hongkong oder Singapur eng. Es wird in die Höhe ausgewichen und wenn man heute von Wolkenkratzern redet, dann schon lange nicht mehr von den USA sondern den fernöstlichen Metropolen. Strassen werden mehrstöckig in unerhörtem Tempo gebaut. Der Galgenbuck wäre wohl in einem halben Jahr erledigt und nicht erst gemütlich nach fast einem Jahrzehnt. Der öffentliche Verkehr reagiert auf den knappen Platz auf der Strasse und den explodierenden Andrang. In englischer Geduld reihten wir uns vor einer Woche in Hongkong in die Warteschlange ein. Die kurzen, flinken, zweistöckigen Tramwagen verkehren im Minuten Takt ohne Schaffner. Beim austeigen, gleich welche Distanz, kann man entweder mit der Octupus Karte zahlen oder die verlangten drei Hongkong Dollar (etwa dreissig Rappen) in das Holzkistchen legen. Wir gestandenen Hongkong Flieger besassen die Karte die für alle Transportmittel vom Schiff bis U-Bahn gilt und in jedem 7-Eleven Laden (entspricht einem Schweizer 24h Tankstellenshop ohne Benzin) aufgeladen werden kann, während die Neulinge in der Crew erfolglos nach Münz suchten da Wechselgeld nicht vorgesehen ist. Der Tramfahrer forderte sie freundlich auf ohne Bezahlung endlich auszusteigen denn der nachfolgende Triebwagen drängte schon. Sämtliche Busse sind ebenfalls zweistöckig und halten der Anzahl Autos fast die Waage. Neben den Taxis, alle mit Radarwarner und Kameras für allfällige Unfälle bestückt, sind es vor allem die Ferraris und Aston Martins die gezeigt werden wollen. Der mitten in der Stadt im Meer gebaute Flugplatz von Hongkong, der berüchtigte Kai Tek, ist mittlerweile geschlossen. Er war gleich beliebt wie herausfordernd für uns Piloten. Der elektronische Leitstrahl führte geradewegs auf einen Berg zu. Wenn man das visuelle Signal am Berg, das sogenannte Checkerboard, ausmachen konnte, musste man scharf nach rechts drehen, den Anflug zwischen Hochhäusern hindurch nach Sicht fortsetzen und auf der Flugzeugträger ähnlichen Piste landen. Vor der ersten scharfen Landung übten wir den Anflug im DC-10 Simulator in London. Der Anflug auf den neuen, mit zwei parallel Pisten grosszügigen Chek Lap Kok ist normal aber immer noch spektakulär wegen der sagenhaften Sicht über die Stadt. Der Start würde dann schwierig, wenn Triebwerk Probleme, etwa nach Vogelschlag, dazu zwingen würden, das Flugzeug mit der verbleibenden Leistung zwischen Brücken, Hochhäusern und Hügeln hindurch zu manövrieren in den meist schwierigen Windverhältnissen. Beim Rückflug waren wir nur gerade eine Tonne unter dem maximal erlaubten Abfluggewicht von 275 Tonnen. Mit 5493 nautischen Meilen (10173 km) ist es einer der längsten Flüge im Streckennetz. Geplant war eine Flugzeit von zwölfeinhalb Stunden. In der winterlichen Westwindlage kann die Flugzeit über eine Stunde länger sein. Dafür konnten wir den Flug mit minimaler Geschwindigkeit planen und so Kerosin sparen. Um nicht zu früh in Zürich anzukommen, die erste Landung ist erst nach sechs Uhr erlaubt, und dort Warteschlaufen fliegen zu müssen, warteten wir eine Viertelstunde am Gate. Dabei muss aber abgewogen werden wo die Fussangeln sein könnten. Wenn plötzlich ein paar Grossraumflugzeuge am Start stehen und dadurch wieder schneller geflogen werden muss wegen den Anschlusspassagieren oder ein Kollege die optimale Flughöhe nach Europa blockiert, nimmt der Triebstoffverbrauch rapid zu und die knappen Reserven werden angebraucht. Sollten sich die Wetterfrösche nur um zehn Knoten Wind vertan haben, wäre das ein Mehrverbrauch von 1,6 Tonnen. Alles ist gut gelaufen und wir waren wie geplant 88.8 Tonnen und ein paar Schweisstropfen leichter bei der Landung als Nummer eins in Kloten.