Aufsässig weckte mich das Telefon. „Radio Top, wir hätten gerne eine Stellungnahme. Stimmt es, dass junge Piloten nicht mehr von Hand fliegen können?“ Aber hallo, um diese Zeit. Eine amerikanische Studie zeige, dass Piloten zu sehr vom Autopiloten abhängig, beim Ausstieg der Automatik überfordert und nicht mehr in der Lage seien das Flugzeug zu steuern, so die Begründung. „Völliger Quatsch“, meine spontane Antwort.
Mit zunehmendem Erwachen wurde das Gespräch differenzierter und ich konnte einige falsche Vorstellungen ausräumen. So ist es ein wesentlicher Unterschied ob Automatik oder Instrumente ausfallen. Fällt die Automatik aus übernehmen wir von Hand. Jeder Pilot lernt auch heute noch das fliegerische Handwerk von der Pike und muss es in jeder Lage beherrschen bevor er als Copilot mit einem erfahrenen Kapitän fliegen darf. In den handwerklich langweiligen Flugphasen überlassen wir dem Autopiloten das steuern des Flugzeuges gemäss unseren Befehlen. Den Start müssen wir von Hand fliegen. Das kann kein Autopilot. Die Landung machen wir, aus Trainingsgründen und aus Freude am Fliegen, von Hand ausser bei schlechter oder keiner Sicht. Bei schwierigen Bedingungen wie starker Wind, Sturm oder hohes Terrain müssen wir sie selber machen weil dem Autopilot schlicht und einfach drei menschliche Eigenschaften fehlen. Er kann nicht aus Erfahrung Reaktionen vorweg nehmen, er kann nicht vorausschauen und er ist nicht lernfähig. Dadurch ist er zu spät in seinen Reaktionen und der Flugzeug Hersteller lässt dies gar nicht zu. Um automatisch landen zu können muss der Flugplatz zudem mit einem aufwändigen Blindlandesystem ausgerüstet sein, was nur Nebelplätze anbieten. Anders beim Instrumenten Ausfall. Wenn alle Referenzen als natürlicher Horizont fehlen wegen Dunkelheit oder Wolken haben wir kein Sinnesorgan um uns im Raum zu orientieren. Wir brauchen den künstlichen Horizont, Höhen- und Geschwindigkeitsmesser dazu. In der kommerziellen Fliegerei gilt der Grundsatz, dass alle Systeme mindesten zweimal unabhängig abgesichert sind. Bei den vitalen Fluglage Instrumenten ist die Absicherung noch viel besser und es sind mir keine Fälle bekannt wo ein Flugzeug unfliegbar geworden ist. Vorausgesetzt der Pilot hat das nötige Wissen und Training. Ein Werbespruch sei erlaubt: Wir Swiss Piloten haben das Rüstzeug dazu. Bei der DC-9 war das Steuerhorn noch mit Kabelzügen über komplizierte Mechanismen mit den Steuerflächen verbunden. Das ist vorbei. Es braucht heute Strom und Hydraulik um grosse Flugzeuge zu steuern. Aber wieder mit grosser Redundanz. Jedes Triebwerk treibt einen Generator an, ein Hilfsgenerator kann gestartet, eine Windturbine ausgefahren werden und schlussendlich ermöglichen diverse Notbatterien eine minimal notwendige Steuerung. Der Reporterin, und hoffentlich ein paar Hörern, konnte ich die persönliche Angst nehmen, die Piloten wüssten nicht mehr weiter, würden sich an die US Studie halten und das Flugzeug würde abstürzen wenn der Autopilot nicht mehr funktioniert. Um die Automatik auszuschalten muss man den roten Knopf am Steuer drücken und fliegt wie in guten alten Zeiten von Hand. Von wegen jungen Piloten stelle ich fest, dass der Knopf rasch und gerne gedrückt wird, wo wir alten Hasen vielleicht etwas bequemer geworden sind.
Mit dem roten Knopf kann ich auch meinen Kollegen ausschalten sprich meinem Stick Priorität über seinen geben sollte er unpässlich werden, sich in eine schwierige Situation manövrieren oder eine Landung verbocken. Den Schülern der Tandemschule Hallau hat das Eindruck gemacht. Ich hatte das Vergnügen ihnen einen Einblick in die Fliegerei geben zu können. Ich erhielt von jedem eine tolle Zeichnung mit Text. Vielen Dank nach Hallau! Der rote Knopf wurde mehrmals erwähnt ebenfalls die Vorschrift, dass die Piloten nicht dasselbe essen dürfen.
Auf dem nächsten Flug nach Miami haben wir die Sorgen der Journalistin thematisiert, trainiert und den Autopiloten spät zugeschaltet und den roten Knopf bereits in sechstausend Metern gedrückt und den Flieger um die Gewitterwolken herum gelenkt. Wir konnten es noch und hatten Spass daran.
Das Ende des grauen Korbs
Zu Hause tobte gerade der Abstimmungskampf um die Vignette. Seit eh wird in den USA Strassen Gebühr erhoben. Jeder Tourist kennt die grauen Körbe wo man Münzen reinwerfen muss bis es klingelt und die Ampel grün wird. Seit einem Jahr sind diese Körbe verschwunden. Ohne abbremsen kann man die Zahlstellen passieren. Entweder wird ab elektronischer Vignette registriert oder mittels Nummernschild Foto-Identifikation abgerechnet. Der Betrag wird einfach der Kreditkarte belastet ohne die man sowieso kein Auto mieten kann. Die Rechnung kann ganz schön happig werden vor allem gegenüber der Tankstellen Belastung. Sage und schreibe sechsundsechzig Rappen pro Liter habe ich für die wenigen Liter bezahlt, denn das Mietauto war ein Hybrid. Allerdings brachte ich das Ding nicht zum Laufen. Da braucht es eben keinen roten Knopf mehr, so die mitleidige Instruktion auf meine verlegene Frage. Nur Automat auf D wie Drive stellen. Dafür wurde mir nach jedem Bremsmanöver eine Statistik präsentiert über Rückgewinnung von Bremsenergie und mein Anfahr- und Bremsverhalten qualifiziert. Nur fliegen ist einfacher.