«Sterne sind meine Freunde»

Geschrieben von Markus Müller
Nordatlantik-Karte

Dieser Ausdruck stammt vom letzten Swissair Navigator. Vor drei Wochen verstarb Harry Hofmann kurz vor dem 100. Geburtstag. Er erlebte eine unwahrscheinliche berufliche Karriere. Während dem zweiten Weltkrieg als Bordfunker auf der neuen Schweizer Handelsflotte im Einsatz, liess er sich nach einem kurzen Gastspiel als Fluglotse im neuen Zürcher Flughafen Tower zum Navigator ausbilden und war bereit für die ersten Swissair Langstreckenflüge.

Auf DC-4, DC-6 und schliesslich DC-8 wies er unzählige Male den Piloten den Weg über den Nord- und Südatlantik. Mit dem Sextant stellte er im Halbstundentakt aus der Glaskuppel mit Hilfe von Sternen, Mond und Sonne die aktuelle Position fest, verglich sie mit der Karte und gab den Piloten die nötigen Kursänderungen durch. Die Kursabweichung konnte beim Erreichen der Küste und dem Empfang von Boden Navigationstationen, je nach Wind Verhältnissen, beträchtlich sein. 1978 war Schluss. Boeing 747 und DC-10, welche neu auf der Atlantik Route eingesetzt wurden, machten mit ihrer Trägheitsnavigation den Navigator überflüssig. Nicht Harry Hofmann. Er bildete weit über das Pensionsalter hinaus Piloten in Langstrecken-  und Astronavigation aus. Obwohl sachlich unnötig, genossen Generationen von Piloten weiterhin seine packende Instruktion. „Die Sterne sind meine Freunde“, brachten seine mit leuchtenden Augen erzählten Erlebnisse die Augen von uns jungen Pilotenanwärter ebenfalls zum Leuchten. In den trigonometrischen Berechnungen mit Daten aus dem Almanach war er streng, tolerierte aber schmunzelnd wenn wir ETH Absolventen unsere beiden Ärzten und die weniger mathematisch bewanderten Kollegen in der Pilotenklasse kräftig unterstützten.  

Leuchtende Augen

Die gelernte Astronavigation motivierte in den langen Langstrecken Nächten zum beobachten des Sternenhimmels. Eintönig wurde es nur über dem Nordatlantik beim Flug in den Morgen hinein. Immer den gleichen hellen Stern vor Augen muss man dann noch todmüde stundenlang in die Sonne blicken. Mit dem damaligen Chef Pilotenschule und Chefpiloten als Kapitän, der an dieser „nice to have“ Navigationsausbildung festhielt, bestimmten wir wohl alle sichtbaren Sternenbilder auf dem Nachtflug nach Nairobi mit Almanach und Sternenatlas. In Nairobi waren wir, deshalb der Chef persönlich auf dem Flug, zur Jubiläumsfeier der Hotelfachschule im Utalii Crew Hotel eingeladen. Das Hotel hatte Kultcharakter für uns. Die Auszubildenden am Kenya Utalii College aus ganz Afrika gaben sich enorm Mühe und hatten öfters auch welche. Man verzieh es ihnen wenn das Menü kalt war weil sie mit strahlenden Augen alle zusammen bedienen wollten. Das Internationale Projekt wurde unter anderen von der Eidgenossenschaft und der Swissair unterstützt. Staatsoberhäupter in Landestracht hielten blumige Ansprachen, Schüler zeigten farbenfrohe Folklore. Die Absolventen nahmen mit leuchtenden Augen ihr Diplom in Empfang. Am anderen Tag fuhren wir mit dem Nachtzug nach Mombasa um die Balair DC-10 zu übernehmen. In den langen Stopps in der Wildnis ordneten wir die diversen Geräusche leuchtenden Augen zu und sahen im Halbschlaf Löwen und Hyänen auf uns warten. Bei der Ankunft strahlten uns unzählige Augenpaare an in Erwartung von Trinkgeld für das Tragen des Koffers zu viert. Als wir am Abend, auf Grund der guten Idee des Chefpiloten, zu acht im Taxi aus dem Ausgang heimkehrten, blitzten uns bei der Strassensperre leuchtende Polizisten und andere Augen aus dem Dunkeln an und staunten ob den quer auf unseren Knien liegenden Flight Attendants. Es kostete den Chef eine ziemlich grosse Spende. Jahre später, in einem neuen Crew Hotel in Nairobi, wurden wir vom Servicepersonal kichernd und tuschelnd bedient. Sie würden uns kennen aus ihrer Ausbildungszeit im Utalii, teilten sie uns stolz mit leuchtenden Augen mit.    

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