Vor 35 Jahren wurden elf Piloten von Swissair übernommen und auf die DC-9 umgeschult. Voran gingen eineinhalb Jahre Luftverkehrsschule mit viel Theorie und für uns begeisterte Jungpiloten wichtiger viel Fliegen. Mit zunehmendem Training wurden wir auch etwas übermütig und hatten auch hie und da Glück, Fluglehrer eingeschlossen.
Ein älterer Instruktor und ehemaliger Militärpilot, der einem Nickerchen im Cockpit nach der Mittagspause im Tessin oder Wallis nicht abgeneigt war, machte gerne Abstecher an den Blausee im Kandertal. Seine Hände wurden unruhig, sein Blick unstetig und er übernahm das Steuer. Knüppel nach vorne, Nase hinunter und mit dem gut motorisierten Piaggio am Gartenrestaurant vorbei um dasselbe auf dem Rückflug, noch etwas tiefer und auf dem Rücken, auf Augenhöhe der Kaffee trinkenden Touristen zu wiederholen. Die Frage nach Soloflügen lautete oft, wie viele Loopings habt ihr gedreht und wie lange seid ihr in Rückenlage geflogen. Mit viel Glück landeten alle sechs Maschinen in Schneegestöber und eingebrochener Nacht auf und neben der Piste der Homebase Hausen am Albis. Wir waren nicht sicher, ob alle die Starkstromleitung überflogen. Eine Klasse später ging es nicht so glimpflich aus. Trotz dem ständigen Damoklesschwert der militärischen Selektion war es eine tolle Zeit mit unvergesslichen Erlebnissen.
Gruss aus dem Wasserbottich
Speziell Florida war geprägt von tropischem Klima, Sandstränden, südlicher Lebensweise, Unterhaltung und einer neuen fliegerischen Freiheit. Im Tiefflug über die Everglades, den Stränden entlang, nach Key West hinunter oder über das Kennedy Space Center hinweg. Neben der fliegerischen Ausbildung galt es Stunden zu fliegen für die Berufspilotenlizenz. Die lokalen Fluglehrer, ebenfalls mit dem Ziel Flugstunden für einen Job als Linienpilot zu sammeln, hatten ihre Eigenheiten. Einer wollte jeweils eine Zwischenlandung in Titusville. Auf einem kleinen Flugplatz kündigten wir unsere Landeabsicht blind an, da der Funk still blieb. Fröhlich winkte uns die Flugplatzchefin nach dem Ausrollen aus dem Whirlpool zu. Als wir nach erledigtem Papierkram starten wollten, winkte auch der Fluglehrer aus dem Wasserbottich. Nach genossener Freizeit mussten wir dem verantwortlichen Trainings Kapitän, ein sehr korrekter und exakter Swissair-Kapitän, öfters eine Notlüge konstruieren. Etwa als ein Kollege nach einem fröhlichen Weekend am Morgen überhaupt nicht fit war für den geplanten Checkflug. Er habe eine Lebensmittelvergiftung eingefangen im «Banana Boat», entschuldigten wir ihn. Es hätte aber auch woanders sein können, da es eher an der Menge und nicht an der (Bier-) Qualität lag. Ein andermal begründeten wir das Fehlen eines Kollegen mit stolpern auf die Tischkante. Tatsächlich holte er sich die tiefe blutende Wunde auf der Stirn wegen des Rückschlages eines Gewehres. Er hatte Schiessübungen mit einer gekauften Winchester gemacht. Sie wurde im Notfall genäht – übrigens erst, als wir eine Kreditkarte hinterlegten. Die Verwaltung wurde angewiesen die gefährliche Tischkante zu brechen. Wir bauten eine enorme fliegerische Erfahrung auf, stiessen dabei die Sporen ab und flogen in der Folge einige Jahrzehnte lang verantwortungsvoll Passagiere um den Globus.
Vor ein paar Wochen dann die Meldung über den tragischen Zusammenstoss einer Piper mit einem Helikopter. Es war ein Fliegerkamerad von uns. Er war damals der Vorsichtigste und hinterfragte alles zweimal. Er, der gewählte Klassenchef, verschwand am Abend meist als erster um sich in die Bücher zu vertiefen. Er prägte unsere lange gemeinsame Zeit und viele Begegnungen irgendwo auf der Welt mit seinem beissenden Humor und Sarkasmus. Mit mir, unter zwei Löhninger Bürgern in Klettgauer Dialekt, mit den andern in Basler-Dütsch. Es bleiben viele Erinnerungen und wie an der Abschiedsfeier im Hangar Schupfart erwähnt, werden wir unserem Fliegerkameraden weiter begegnen zwischen Himmel und Erde