Anstatt den warmen Frühlingsabend zu geniessen, hoben wir ab für einen dieser langen Nachtflüge Richtung Südafrika. Innerhalb einer Viertelstunde hatten wir die ganze kleine Schweiz gesehen. Abflug nach Norden, eine weite Linkskurve um Höhe für das Überfliegen der Alpen zu gewinnen und dann nach zehn Minuten bereits das Lichtermeer von Mailand in Sicht. Unter uns nahm die Weltgeschichte weiter ihren Lauf, Flüchtlingsdrama auf Lampedusa, Krisenherd Lybien dem wir wie einem grossen Unwetter in respektvollem Abstand und mit Umweg auswichen.
Weiter über die bengalischen Feuer der algerischen Wüste mit den unzähligen Abfackelungen der Ölfeder und dann lange nur noch Mondschein. Irgendwo unter uns im Dunkel des Kongos die Schule meiner ehemaligen Drittklass Lehrerin Heidi Kabangu-Stahel aus Hallau, später am entfernten Horizont Spital und Waisenhaus der Beringer Christian und Annemarie Seelhofer. Alles Träger des Entwicklungspreis des Kantons Schaffhausen. Kleine Bausteine aus der Schweiz und Schaffhausens mit grosser Wirkung. Beim warten im Coiffeursalon stach mir ein weiteres, diesmal getarntes Stück Schweiz in die Augen mit dem Inserat, „The master of make-believe & illusion return ! MUMMENSCHANZ Joburg Theatre“. Referenz die New York Post keinerlei Hinweis auf den Schweizer Ursprung der Erfolgsgruppe. Der Coiffeur hinderte mich, als ich an der Reihe war, mit seiner unablässigen Fragerei über die Schweiz an der Verarbeitung der Freinacht. Er lobte unser Land, obwohl er nur einmal dort war, in den Himmel und legte mir ernsthaft und eindringlich nahe, dass sich das Alpenland aus der EU heraus halte, man bekomme ja selbst in Südafrika mit, dass es nicht funktioniere. Zum Glück brachte er die Fussball WM nicht in Zusammenhang mit der Schweiz, denn diese gilt als wenig nachhaltig. Es zeigte, wie die grosse Schweiz auf der ganzen Welt hoch angesehen ist und bewundert wird, die Schweizer selber sich dem aber oft mit Selbstkritik, Zweifel und Understatement widersetzen. Dabei sind wir und unsere Produkte überall und erfolgreich präsent. In jeder Grossstadt dominieren die Leuchtreklamen der Schweizer Banken und Versicherungsgesellschaften und keiner redet sie in die Krise. Grosse Hotels werden von Schweizern geführt, Chefkoch und Chefkonditor aus der Schweiz gehören zum guten Ton. Die Schweizer Schulen sind beliebt und Swiss ist immer noch Swissair, das Grounding wurde im Ausland kaum wahrgenommen. Im afrikanischen Busch trifft man auf Bernina Nähmaschinen, im Tretbetrieb. Für Schweizer Brot fahren in den USA nicht nur Auslandschweizer meilenweit. Es sind aber oft auch kleine Dinge aus der Schweiz die zu interessanten Kontakten und Gesprächen führen. So kürzlich in San Franzisko eine Rebschere. In den Farmermarkthallen am Pazifik Pier fand eine Weinprobe statt, ähnlich der Schaffhauser Wiiprob. Auf einem der Tische lag eine rote Felco Rebschere. Ich konnte es nicht verkneifen sie in die Hand zu nehmen und Augen zwinkernd zu bemerken, der kalifornische Wein sei sehr gut aber auch Amerika müsse dazu auf Schweizer Technik setzen. Die kleine Rote verschaffte mir nicht nur Zugang zur riesigen Weinauswahl sondern ermöglichte eine Vorstellung wie im Nappa Valley produziert und vermarktet wird. Die in heimatlichem Stolz angebrachte Bemerkung, ich sei Rebbauer im berühmten Klettgau Valley brachte mich arg in Bedrängnis durch die Frage, wie viele hundert Acres ich denn habe. Der Blamage meiner 0,18 Acre (7,3 Aren) konnte ich mich nur mit Themenwechsel entziehen. In den vielen Shopping Centers waren die Pyramiden mit den goldenen Lindt Osterhäschen allgegenwärtig. Auf dem Rückflug tappte ich unbelehrbar wieder in die Flächenfalle. Ich konnte mich der peinlichen Antwort im ansonsten angeregten Gespräch mit Grossweinbauer Dieter (Yello) Meier nur entziehen mit der Begründung Arbeit warte im Cockpit. Oder kürzlich in Shanghai. Eine Stadt die dermassen wächst und in den Himmel schiesst, dass man nur lächeln kann über die Hauptsorge Schaffhausens, auf Teufel komm raus um ein paar tausend Einwohner wachsen zu müssen. Wobei es mir, wenn ich in diesen Städte Molochen hinter die Fassaden schaue, eigentlich sehr wohl ist in einem qualitativ attraktiven Wohnkanton mit stagnierender Einwohnerzahl. Aber das ist ein anderes Thema, angelangt bin ich eigentlich beim IWC Laden an der Nanjing Road. Ich konnte dem einladenden Schaffhauser Schriftzug nicht widerstehen. Keine Fälschung vom Strassenhändler gegenüber, hielt ich den fragenden Blicken auf mein Handgelenk entgegen. Mein fünfundzwanzigjähriges Modell erntete ungläubiges Staunen und die Uhr ging von Hand zu Hand des mittlerweile vollständig versammelten Verkaufspersonals. Erst der herbeigeeilte Filialleiter konnte Entwarnung geben und seine Crew überzeugen, meine Ocean sei tatsächlich echt, wenn auch schon lange nicht mehr produziert. Der VIP Behandlung mit Sonderrabat entzog ich mich dann.