Eigentlich sollte ich letzten Mittwoch nach Los Angeles fliegen. Am Vorabend wurde die Tagung abgesagt. Ich wollte dabei den Mojave Airport, wo Flugzeuge temporär oder endgültig parkiert sind, besuchen. Den Flugplatz flogen wir jeweils auf Abnahmeflügen mit neuen McDonnell Douglas Flugzeugen an um Systeme und Seitenwind Landungen zu testen. Imposant war die riesige Ansammlung von Flugzeugwracks, nicht mehr benötigten Verkehrsflugzeugen und abgestellten modernen Kampfjets. Auch Swissair machte mehrmals vom konservierenden Wüstenklima Gebrauch, letztmals im Grounding.
Der geplatzte Nostalgiebesuch um gestrandete Schweizer Flugzeuge zu entdecken, weckt düstere Vorahnungen. Mojave oder Tucson in Arizona werden sich einmal mehr füllen mit nicht mehr benötigten Flugzeugen. Flugzeuge sind zwar zu einem äusserst sicheren Transportmittel geworden. Das hat zu tun mit Technologie, Fehlerkultur, rascher Behebung erkannter Schwachstellen und offener Information innerhalb der Luftfahrtindustrie. In einigen Punkten ist die Fliegerei aber verwundbar. Letztendlich steht, unter vielen Beteiligten an erster Stelle Mechaniker und Piloten, immer ein Mensch in der Verantwortung. Entscheidend sind sorgfältige Auswahl und ständige Überwachung von Wissen, Können, Verhalten und Persönlichkeit. Der Germanwings Absturz ist ein Beispiel wo das System versagt hat, Swissair Flug 330 vor fünfzig Jahren steht für die Unberechenbarkeit von Terror. Und eben führt uns neu eine Pandemie vor Augen wie der Flugverkehr als Ganzes existentiell verwundbar ist. Die Gefahr für den Flugpassagier ist nicht grösser als in anderen Transportmitteln. Die globale Verbreitung wirkt sich aber für Luftfahrtunternehmen dramatisch aus und erinnert ans Swissair Grounding. Nur diesmal global. Lokal gab es immer Seuchen Hotspots wie Ebola, Malaria oder Dengue-Fieber. Malaria ist eine ständige Bedrohung für Flugzeug Besatzungen in tropischen Ländern. Es gibt aber gute Therapien. In Togo mussten wir drei Flight Attendants einfliegen lassen um überhaupt zurück fliegen zu können da fast die ganze Kabinen Crew wegen Malaria flugunfähig war. Gelbfieber ist in Afrika präsent. Die Polizei in Kamerun verlangt bei Strassenkontrollen nicht etwa den Reisepass, sondern einen gültigen Gelbfieber Impfnachweis. Allerdings nur ernsthaft bis man sich über die Höhe des Schmiergelds einig ist. Als unsere Pilotenklasse vor vierzig Jahren für vier Monate nach Florida ins Flugtraining geschickt wurde, warnte uns der Training Captain, ein gestandener DC-10 Kapitän, in der Einführung eindringlich vor der neuartigen Herpes Seuche. Er legte uns Jungpiloten ans Herz, zu grosse Nähe zum anderen Geschlecht zu meiden. Der Virus HSV-1 werde vorwiegend im Mundbereich, HSV-2 weiter unten übertragen. Der Hinweis wie auch Tipps zu Ernährung oder Arbeitstempo im heissen und feuchten Klima sowie generelle Ratschläge zum Aufenthalt und Freizeitverhalten im tropischen Florida halfen zusammen mit eigenen Auslanderfahrungen den Aufenthalt neben dem im Mittelpunkt stehenden Flugtraining geniessen zu können. Bereits damals wäre allerdings der HI-Virus weit gefährlicher gewesen aber AIDS war noch kein Thema. COVID-19 ist eine neue Dimension und wird zur existentiellen Bedrohung für alle Fluggesellschaften. Unser bewährter Leitsatz im Cockpit, „expect the unexpected - erwarte das unerwartete“, wird bisher unvorstellbar übertroffen. Betriebsbereite Flugzeuge werden bald zahlreich in Mojave oder Tucson landen und neben ausrangierte Maschinen und nicht mehr gebrauchte Militärjets gestellt. In einem aus aktueller Sicht eher bedrückenden US Flugzeugfriedhof haben wir vor Jahren die Vampire J-1152 der Schweizer Luftwaffe entdeckt. Mein Kollege, ehemaliger Militär Pilot, geriet richtig aus dem Häuschen: „Da ist das Originalfunkgerät noch drin mit geheimen Frequenzen“.