Gute Vorbereitung ist wichtig, hat aber Grenzen

Geschrieben von Markus Müller

Vorbereitung und Training sind generell wichtig und hilfreich. Grosse Bedeutung hat es in der Fliegerei, bis hin zum unzählige Male geübten Drill, wo oft wenig Zeit bleibt für Entscheidungen. Bei einem unerwarteten Druckabfall auf grosser Höhe muss sofort und reflexartig der Notsinkflug eingeleitet werden. Stimmt etwas im Anflug nicht, muss unverzüglich ein Durchstartmanöver eingeleitet werden, diskutiert wird später auf sicherer Höhe. Dasselbe gilt bei unerwarteter Annäherung ans Gelände oder an ein anderes Flugobjekt.

Der Pilot welcher die Gefahr erkennt leitet sofort Massnahmen ein, der andere muss sich ohne zu zögern in den vielfach geübten Ablauf einbringen. Als Team wird das rettende Manöver durchgeführt. Für den Umgang mit überraschenden Situationen ist der Flight Simulator eine wertvolle vorbereitende Hilfe. Die heutige Simulatortechnik lässt es zu, fast alle Manöver und Situationen realistisch zu üben bis hin zum Lizenz erhaltenden Landetraining. In New York waren wir froh darüber. Wir sahen bei Dunkelheit und Regen zwar knapp die Piste von JFK aber da der Wind ausserhalb der Limiten war mussten wir durchstarten. Der Lotse bot uns unmittelbar aus der Kurve und aus lediglich 650 Meter Höhe den sogenannten Canarsie Anflug an. Kurz die Passagiere beruhigen, die Anflugkarten wechseln und den gekrümmten Anflug um Brooklyn herum, den weder meine Copilotin noch ich ebenso wie die wenigsten Piloten je geflogen hatten, besprechen. Tief über mehrstöckige Autobahnkreisel, Shopping Center in die letzte Kurve die nach Sicht geflogen werden muss. Dazu hektische Funkanweisungen im US Slang an dutzende anfliegende und startende Flugzeuge. Die Landepiste 13 links wird erst nach Umfliegen des riesigen American Hangar sichtbar. Es blieb wenig Zeit den schweren Airbus auszurichten und hart aufzusetzen, denn die Piste war kurz und nass. Nur die Übung dieses Anflugs im Simulator verhinderte einen nochmaligen Durchstart und ausweichen nach Boston. Neben dem fliegerischen Training werden im Simulator alle denkbaren technische Ausfälle und Sytemverhalten geübt und geprüft. Dass im Simulator übungsbedingt alles gelöst werden kann und am Ende immer eine Landepiste vor der Nase ist, kann auch in falscher Sicherheit wiegen. Jeder von uns hat im Simulator unzählige Brände von Triebwerken, elektrischen Geräten, Frachtraum und Bordküche erfolgreich gelöscht. Halifax war die schreckliche Ernüchterung. Jahrelang verdrängte man, dass ein unkontrollierbarer Brand ein Flugzeug statistisch nach etwas über einer Viertelstunde manövrierunfähig machen und eine sofortige Landung oder Wasserung die einzige Option sein kann. Ob eine Landung mit Übergewicht oder sogar eine Wasserung aktuell gerechtfertigt war, zeigt sich erst im Nachhinein. Man kann Parallelen zur Corona Situation sehen. Eine so rasch voranschreitende Pandemie kann nur bedingt vorhergesehen und geübt werden. Auch bei diesem bildlich unkontrollierbaren Vollbrand heisst es sofort Landen. Ob die Massnahmen richtig waren wird später diskutiert. Checklistenfehler sind in der Fliegerei unentschuldbar, sich darüber hinwegsetzen braucht gute Gründe. Fehlendes Schutzmaterial, Desinfektionsmittel und Medikamente sind Checklistenfehler oder Missachtung von Weisungen. Dass als Frachter eingesetzte Passagiermaschinen das fehlende Material nun einfliegen und zu spät gewarnte Touristen, auch ein Checklisten Fehler, aus der ganzen Welt zurück geflogen werden mag das zweite bittere Grounding in keiner Weise zu verhindern. Ein Grounding das diesmal die globale Fliegerei nachhaltig beeinflussen wird. Zum zweiten Mal nach 9-11 wird New York, die Traumdestination vieler Piloten und Flightattendants, stark heimgesucht. Der Naked Cowboy, der in perfekt organisierter Ablösung seit Jahrzehnten bei jedem Wetter zum Time Square gehört muss in der zur Geisterstadt gewordenen Metropole pausieren.

 

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