In der Berufsfliegerei ist es ein eiserner Grundsatz, sich so lange als möglich Alternativen offen zu halten. Das beginnt in der Konstruktion der Flugzeuge, wird in der Flugplanung konsequent angewendet und bleibt während dem Flug ständig im Fokus aller Entscheidungen.
Der aus dem lateinischen stammende Begriff bedeutet die Möglichkeit zur Entscheidung zwischen zwei sich ausschliessenden Handlungsmöglichkeiten oder Dingen, im Sinne einer Entweder-oder-Entscheidung. Jeder Linienflug wird mit einem Alternate, einem Ausweichflugplatz zur eigentlichen Destination, geplant. Beide Airports müssen diverse Bedingungen erfüllen betreffend Wetter, technischer Ausrüstung, Feuerlöschkapazität, Öffnungszeiten oder der Möglichkeit das Flugzeug aufzutanken. Ist eine Bedingung nicht erfüllt, darf mit dem Flugplatz nicht geplant werden. Auf längeren Flügen muss zusätzlich mit einem oder mehreren Intermediate Alternates geplant werden. Die technische Zertifikation und die Zulassung der Luftfahrtbehörden geben für jeden Flugzeugtyp und jede Airline vor, innerhalb welcher maximalen Distanz solche Ausweichflugplätze unterwegs liegen müssen. Es ist abhängig von der Anzahl Motoren und der über viele Flüge nachgewiesenen Zuverlässigkeit der Triebwerke und Systeme und ist entscheidend welche Routen geflogen werden können. Zum Beispiel Zürich Miami direkt mehrheitlich über Wasser oder nördlich über Island, Grönland und der Ostküste entlang. Die in die Planung einbezogenen Flugplätze unterliegen ebenfalls harten Bedingungen. Ist ein Kriterium nicht mehr erfüllt im Flug kann sogar eine Umkehr notwendig werden. Auf der Nordroute in die USA wird, wenn Sondrestrom auf Grönland wegen Schnee geschlossen ist, mit Keflavik (Iceland) und Churchill (Kanada) als Alternates geplant. Wenn zu Beginn des Nordatlantik Überflugs die Nachricht kommt, die Flugplatzfeuerwehr Keflavik sei zu einem Grossbrand in die Stadt ausgerückt und die Anzahl international vorgeschriebener Feuerwehrfahrzeuge damit unterschritten, muss der Flugplatz als geschlossen betrachtet werden. Da Churchill planungsmässig noch zu weit weg ist muss umgekehrt oder eine Landung in Shannon in Betracht gezogen werden.
Einfacher Ausfall immer abgedeckt
Immer eine Alternative zu haben gilt auch für technische Komponenten. Das heisst beim Ausfall eines Systems springt immer ein zweites ein. Wenn beim zweimotorigen Flugzeug ein Triebwerk ausfällt, muss unverzüglich der nächst gelegene Ausweichflugplatz angeflogen werden da man die Alternative zwei Triebwerke verloren hat. Die Zuverlässigkeit ist mittlerweile so gross, dass praktisch alle Airlines aus Kostengründen zweimotorig über den Atlantik fliegen. Ich bin weiterhin ein Fan von drei- und viermotorigen Jets. Es schont die Nerven und beim Ausfall eines Triebwerks heisst es erstmals Kaffee bestellen, die Checkliste abarbeiten und weiter fliegen während im Twin Engine doch etwas Hektik aufkommt. Da sich die Technik nicht immer an die Wahrscheinlichkeit hält sind gewisse vitale Systeme mehrfach abgesichert. In modernen Flugzeugen ohne mechanische Steuermöglichkeit sind Hydraulik und Elektrik bis sechs Fach vorhanden um sofort zu übernehmen oder zugeschaltet zu werden sollte eine hydraulisches oder elektrisches System ausfallen. In der Linienfliegerei sind übrigens auch zwei Piloten vorgeschrieben. Wichtig ist die persönliche Alternative zum Pilotenberuf. Es ist ein toller Beruf aber die Gefahr, dass die Ausübung abrupt beendet wird ist nicht unerheblich. Aus medizinischen oder qualifikatorischen Gründen, aus Krisen wie aktuell oder aus wirtschaftlichen Einbrüchen. Früher war eine höhere abgeschlossene Ausbildung Bedingung um in die Swissair Piloten Ausbildung aufgenommen zu werden. Das ist leider nicht mehr so und damit fehlt vielen Piloten eine berufliche Alternative wenn der Job gefährdet ist. Auch Airlines überlegen sich Alternativen um trotz Pandemie Geld zu verdienen. Beispielsweise verkaufen Grossverteiler neuerdings Spargeln aus Mexiko. Das wird Kolumne Kollegin Barbara Gehring nicht freuen aber es ist verständlich und sinnvoll. Mexiko ist offen, das Passagieraufkommen enorm gestiegen und anstatt den grossen Frachtraum nur teilweise mit Reisegepäck zu füllen werden zusätzlich zehn Tonnen Spargeln geladen. In Santo Domingo, Costa Rica oder Tanzania, ebenfalls weiterhin mögliche und beliebte Destinationen, werden es Tomaten und Früchte sein. Das sind ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternativen ist doch die grosse Masse Flugzeug eh in der Luft mit oder ohne Spargeln. Es wäre wünschenswert, hielten sich auch Politiker Alternativen offen wie Piloten. Das fehlt weitgehend. Beim Impfplan, beim Covid Test, bei Verboten und Einschränkungen, bei den Entschädigungen oder beim Rahmenabkommen. Piloten üben ihr ganzes Berufsleben lang Notfallszenarien die über Leben und Tod entscheiden können. Um im Stress mit klaren und systematischen Abläufen Ruhe in verworrene Situationen zu bringen, halten sie sich an das Notfallvorgehen SPORDEC. Situation Catch (Situation erfassen), Preliminary Actions (Sofortmassnahmen), Options (Möglichkeiten), Decision (Entscheidung), Execution (Ausführung), Controlling (Kontrolle). Politiker in der jetzigen ausserordentlichen Lage müssen ebenfalls plötzlich völlig unvorbereitet folgenschwer entscheiden. Da wäre die Anwendung eines klaren Rezeptes das sich über den Wolken bewährt hat eine gute Hilfe.