Das Ende einer Pilotenlaufbahn ist einschneidend. Es heisst Abschied nehmen vom Traumberuf, von Aufenthalten in der ganzen Welt und von einer phantastischen Sicht auf eine immer anders aussehende Erde. Andrerseits heisst es wieder einen strukturierten Alltag zu haben, in einen normalen Lebensrhythmus zu finden ohne dauernde Zeitverschiebungen und lange Nachtflüge, wieder mit Kollegen abmachen zu können oder sich regelmässig in Vereinen zu engagieren.
Auffallend sind die hohen Flugstundenzahlen. Lagen sie früher im tiefen fünfstelligen Bereich sind es heute durchwegs über 20000 Flugstunden. Ein Kollege schrieb im Abschied anstatt der üblichen Anzahl Flugstunden „a bunch of it“. Ein anderer „too much“. Das sind Indikatoren, dass der Beruf strenger geworden ist, damit mehr an der Gesundheit zehrt und die jeweilige Aufenthaltsdauer viel kürzer ist. Die Meisten hatten sich das persönliche Grounding anders und vor allem später vorgestellt. Bereits wurden 25 Piloten und eine Pilotin bei Swiss in diesem Jahr pensioniert. Ein Höhepunkt wäre der Letztflug. Man kann die Destination wünschen, die Crew selber zusammenstellen und Familienangehörige mitnehmen. Im Moment ist alles anders. Man muss wegen den Auswirkungen der Pandemie früher in Pension gehen als geplant. Die Auswahl an Langstrecken Destinationen ist beschränkt. Mitnehmen kann man niemand. Im fernen Osten darf man das Hotelzimmer während dem ganzen Aufenthalt nicht verlassen. In den USA kann man sich immerhin frei bewegen und mindestens die Crew zum Abschiedsessen treffen. Meist sind, wenn überhaupt, nur wenige Passagier an Bord und die Fracht, das Pandemie Geschäft schlechthin, klatscht nicht bei der letzten Landung in Zürich. Dort wird man allenfalls, auf Bestellung und mittlerweile gegen Bezahlung, von der Flughafenfeuerwehr empfangen und rollt das letzte Mal mit dem hundertsechzig Tonnen Gefährt unter dem majestätischen Tor, gebildet von zwei riesigen Wasserstrahlbögen, durch zum Standplatz. Am vorletzten Samstag war es für Gabrielle Ritter soweit und sie steuerte den Airbus A330 zum letzten Mal von Boston kommend durch das Wassertor (auf dem Bild). Die Flugkapitänin wohnt in Schaffhausen und war die erste Swissair Pilotin.
Pilotin ja – Linienpilotin lange nein
Pilotinnen gibt es seit Beginn der Fliegerei. Als erste Schweizerin erlangte Else Hagk den Pilotenschein. Frauen flogen Rekorde und sind vorzügliche Fluglehrerinnen. Aber der Weg ins Cockpit der Airlines blieb ihnen lange verwehrt. Fünfzig Jahre ist es her, seit die Frauen das Stimmrecht haben. Etwa gleichzeitig wurden in den USA die ersten Linienpilotinnen eingestellt. In Europa war man davon noch weit entfernt. Erst 1984 gab Swissair grünes Licht für die Anstellung von Frauen in den Cockpits ihrer Verkehrsflugzeuge. Lufthansa wartete weitere zwei Jahre mit dem Argument “Schwangerschaftsrisiko“. Es wurde als unwirtschaftlich erachtet bei den hohen Investitionskosten, wenn sich eine Frau nach der Geburt aus dem Pilotenberuf zurückziehen würde. 1985 wurde Gaby Ritter als erste Frau in die Schweizerische Luftverkehrsschule SLS aufgenommen und zwei Jahre später konnte sie als Copilotin auf dem rechten Sitz der Swissair MD-80 Platz nehmen. Nicht nur die Medien Aufmerksamkeit war gross, sondern auch innerhalb der Firma und im Piloten Korps gab es, im nachhingen betrachtet lustige Diskussionen. Die Fluglehrer und Instruktoren mussten sorgfältig ausgewählt werden da man ihr nicht jeden altgedienten militärischen Haudegen zumuten wollte. Ein Kapitän weigerte sich generell mit Copilotinnen zu fliegen und hinterlegte diese als nicht planbar mit ihm. Nicht dass er Frauen nicht mochte, ihnen misstraute oder ihre fliegerischen Fähigkeiten anzweifelte. Im Gegenteil. „Ich würde im Notfall eine Frau auf dem rechten Sitz als Erste hinaus schicken wenn es brennt“, war sein Argument. Tatsächlich besprechen die Piloten vor jedem Flug die Arbeitsteilung und die Aufgaben im Notfall. Dabei ist klar, dass die Piloten als letzte von Bord gehen und wenn möglich durchs Flugzeug gehen um sicherzustellen, dass sich kein Passagier oder Besatzungsmitglied mehr darin befindet. Es gibt zwar zwei Leinen über die man sich aus dem Cockpitfenster abseilen könnte. Auf der DC-9 haben wir das sogar noch geübt. Aber darüber spricht man nicht gerne.
Unbändiger Wunsch zu fliegen steht über Gender Diskussion
Allen ist der Wunsch zu fliegen gemeinsam, ob im Cockpit oder in der Kabine. In der Luft zählen Talent, Ausbildung, Können und Motivation unabhängig vom Geschlecht. Gleichbehandlung ist eine Selbstverständlichkeit. Als einzige Ausnahme wurden früher die Stewards gegenüber den Stewardessen diskriminiert und durften nur in der Küche aber nicht im Service arbeiten. Gerade aus Gleichbehandlungsgründen wurde die zweite Swissair Pilotin, ebenfalls eine Schaffhauserin, die ersten paar Jahre als Flight Engineer eingesetzt. Um für die letzten Jahre DC-10 und B-747 keine neuen Flight Engineers mehr ausbilden zu müssen, wurden ein paar Pilotenklassen vorübergehend auf dem dritten Sitz eingesetzt. Es wäre nicht gut angekommen und die Gewerkschaft schaute sehr gut hin, wenn für eine Frau eine Ausnahme gemacht worden wäre. Eine Frau fürs Technische war kein Problem im Cockpit selber. Das Kabinenpersonal war eher skeptisch ob sie auch mit dem Schraubenzieher umgehen könne. Einzig in der dreier Schlafkoje der DC-10 musste für eine Pritsche ein Vorhang eingebaut werden und man liess den Flightenginiösen den Vortritt beim Umziehen. Geschlechterfragen stellen sich generell kaum für Flugzeug Besatzungen. Sie sind traditionell sehr tolerant und offen und in vielem was heute heiss diskutiert wird der Zeit weit voraus. Es gab zu dieser Thematik viele lustige, teilweise skurrile Situationen im Flugzeug und an den Destinationen mit längerem Aufenthalt. So gehört es auch zur Aufgabe des Kapitäns bei Beziehungsproblemen schlichtend Einfluss zu nehmen. Aus Erfahrung auch in Gleichgeschlechtlichen.