Evakuierungsflüge sind leider sehr aktuell. Bei solchen Flügen wird alles unternommen um das Risiko für die Flugzeug Besatzung und die Maschine so klein als möglich zu halten. Die zu fliegende Route und der anzufliegende Flugplatz müssen geschützt sein so gut es eben möglich ist. Der humanitären Tradition der Schweiz und dem roten Kreuz verpflichtet, war die nationale Airline oft beteiligt an Evakuierungsflügen oder an Flügen mit Hilfsgütern und Helfern in Krisengebiete.
Insbesondere die ehemalige Balair operierte oft in Krisen- und Kriegsgebieten. Aber auch Swissair und Swiss führten und führen humanitäre Flüge durch. Sei es um gestrandete Landsleute oder Flüchtlinge auszufliegen oder Angehörige des Schweizerischen Katastrophenhilfekorps, ab 2001 Schweizerisches Korps für humanitäre Hilfe, in eine Krisenregion zu bringen. Die Frachträume der Grossraumflugzeuge werden jeweils mit Hilfsmaterial wie Medikamente, Zelte, Decken und vielem mehr beladen. Für den Einsatz in Erdbebengebiete sind zusätzlich Hundeführer mit ihren Suchhunden an Bord. Swissair flog Destinationen in Krisenregionen oft noch an als andere Airlines den Betrieb dorthin schon längst eingestellt hatten. Etwa während dem Iran Irak Krieg in den achtziger Jahren wurde Teheran fast als einzige Airline regelmässig angeflogen und als das nicht mehr möglich war, der im Süden gelegene Flughafen von Bandar Abbas mit extra festgelegten Procedere über den Persischen Golf. Fast unwirklich sind Flüge über Kriegsgebiet. Im damaligen Irak Krieg oder über Afghanistan sahen wir unter uns das Blitzen des Artilleriefeuers während wir in grosser und sicherer Höhe mit allen eingeschalteten Scheinwerfern und Radargeräten flogen um von amerikanischen Jagdflugzeugen erkannt zu werden. Die Zuverlässigkeit und neutrale Haltung der Schweiz zahlten sich aus und wir waren oft die ersten die nach Kriegen und Bürgerkriegen wieder fliegen durften. Es gab dabei auch spektakuläre Aktionen wie etwa das mit dem CIA koordinierte Ausfliegen von amerikanischen Geiseln aus Teheran das später sogar verfilmt wurde. Das möglichst lange Operieren in Krisengebiete ist aber nicht nur uneigennützig, denn diese Gebiete sind oft geschäftlich interessant mit gut zahlenden Passagieren und Fracht. Das war für Besatzungen nicht immer ungefährlich. So erlebte die Crew im Bürgerkrieg im Kongo dramatische Tage. Ihr Hotel wurde belagert und nur durch Hinlegen auf den Zimmerboden konnten schwere Verletzungen durch Gewehrfeuer der ins Hotel eingedrungenen wild um sich schiessenden Rebellen mit viel Glück verhindert werden.
Bange Momente in Abidjan
Eigentlich freute ich mich im Juli 2000 auf den drei Tage Aufenthalt in der Elfenbeinküste. Im Briefing wurde die Freude allerdings getrübt als uns empfohlen wurde im Hotel zu bleiben wegen Unruhen im Land. Es war eine Unterschätzung der Situation, denn bereits am ersten Aufenthaltstag war ständiges Gewehrfeuer zu vernehmen aus der Stadt und immer näher am Hotel. Der Zwist zwischen der Militärjunta und Rebellen eskalierte. Geschäfte wurden geplündert und eine Ausgangssperre verhängt. Die Meuterer versuchten alle verfügbaren Fahrzeuge zu beschlagnahmen und der Schweizer Botschafter konnte mit seinem Fahrer nur knapp entrinnen auf der Fahrt zu uns ins Hotel. In den Schaffhauser Nachrichten war zu lesen: „Die Ausländer versuchen das Land zu verlassen. Eine Ausreise ist auf dem Luftweg nicht möglich. Der Flughafen von Abidjan ist geschlossen und die Swissair Flüge gestrichen“. Letzteres bestimmte unseren auf eine Woche angewachsenen Aufenthalt und machte die Hoffnung zunichte von Kollegen abgeholt zu werden. Das Hotel füllte sich jeden Tag mehr mit Ausländern aber auch wohlhabenden Einheimischen. Wi-Fi hatte es vor zwanzig Jahren keines und Anrufe in die Schweiz waren sehr teuer. Ich bewilligte jedem Crew Mitglied zwei Anrufe nach Hause auf Firmenrechnung. Ich selber war stundenlang am Telefon mit unserer Planungstellen und der Sicherheitsabteilung in Kloten und betrieb Nachrichtenbeschaffung. Wir evaluierten drei Evakuierungs Möglichkeiten. Auf dem Landweg nach Ghana, auf dem Seeweg über die das Hotel halb umschliessende Lagune auf den Atlantik hinaus oder die von uns favorisierten Möglichkeit mit einem Flugzeug das Land zu verlassen. Die Wartezeit war völlig surreal. Wir lagen am Pool oder an der Lagune und hörten pausenlose Schiessereien. Zweimal täglich trafen wir uns zum Briefing und um für mich wichtig das Stimmungsbild meiner achtzehn Crew Mitglieder zu fühlen und zu unterstützen bei kleinen bis riesengrossen persönlichen Problemen in der ausserordentlichen Stresssituation. Nach Zusage des Militärs den Flugplatz für unseren Start zu öffnen, begann die Planung. Das Flugzeug einer Minen Gesellschaft wurde gechartert. Durch Vermittlung der lokalen Swissair und Sabena Vertretung wurde uns die Begleitung durch Fremdenlegionäre und Militär zugesichert. In Uniform warteten wir in der vollen Hotel Lobby auf unsere Eskorte. Ich wurde belagert mit der Bitte mitkommen zu dürfen. Hätten wir unsere A330 dabei gehabt wäre es etwas anderes gewesen aber so war die Platzzahl auf uns beschränkt. Nicht einmal einen Mechaniker von uns der privat in der Elfenbeinküste weilte konnten wir mitnehmen. Unser Copilot, er verdiente sich sein Studium als Bar Pianist, bearbeitete in der ewig langen Wartezeit mit unbewegter Miene den in der Lobby stehenden Flügel. So muss es auf der sinkenden Titanic gewesen sein, ging es mir damals in Erinnerung an den Film durch den Kopf. Besonders für unsere weiblichen Crewmitglieder waren die von Waffen strotzenden Kämpfer zwar ein Schock aber eine grosse Beruhigung. Auf der halbstündigen rasanten Fahrt zum Flugplatz kurvten unsere Fahrer um umgestürzte ausgebrannte Fahrzeuge. Keine Menschenseele war sichtbar unterwegs. Unmittelbar nach unserer Ankunft am ausgestorbenen Flugplatz wurden die Stacheldraht Walzen hinter uns wieder angebracht. Ein cleverer Wirt der Wind bekommen hatte und die nötigen Beziehungen hatte, öffnete sein Restaurant für uns. Nach drei weiteren Stunden, das Flugzeug startete erst in Accra als unser Eintreffen gemeldet wurde, hörten wir das für uns wie Musik klingende Motorengeräusch der zweimotorigen Propellermaschine.