China als Olympia Gastland ist anders als gewohnt. China ist anders, interessant in seiner Veränderung aber wird immer anders sein. Der erste Flug nach dem Finalcheck als DC-10 Copilot war ein zweiwöchiger Fernost Flug. Erwartungsvoll aber mit viel Respekt bereitete ich mich auf den Flug vor und erkundigte mich nach Besonderheiten. „Das Fliegerische zeigen wir dir während den vier Flügen Zürich –Karachi – Peking aber wichtig ist, dass du Trinkbares einpackst“, klärten mich der Kapitän und der Flight Engineer auf.
Etwa ab Teheran merkte ich, dass die Herausforderung vor allem im Sprechfunk lag. Während man in Europa mit im Ultrakurzwellen Bereich liegenden Bodenstationen in ständigem Kontakt ist wird in Gegenden wo die Stationen sehr weit weg sind, wie Ozeane oder eben Fernost, der Kontakt über Kurzwelle abgewickelt. Wegen dem enormen Rauchlärmpegel hält man nicht ständige Hörbereitschaft sondern betätigt den Sender nur wenn man eine Meldung absetzen muss. Das funktionierte mit den Stationen Isfahan, Zahedan und Karachi noch recht gut.
Die Tüte
Nach der Landung in Karachi wurde die Cockpit Crew mit der Limousine am Flugzeug abgeholt. Am Zoll wurde mir die Bedeutung der kollegialen Instruktion klar. Der Kapitän überreichte dem Zollbeamten eine prall gefüllte Tüte worauf uns dieser gut gelaunt durchwinkte. Die Tüte enthalte Bier und Wein welche ihm der Kabinen Chef zusammengestellt habe, wurde meine fragender Blick beantwortet. Durch diese freundliche Geste, überkorrekte Zeitgenossen mögen es als Bestechung bezeichnen, werde vermieden, dass unsere Koffer mit Bier und Wein für den zweiwöchigen Crew Apero inspiziert würden. Nach drei Tagen übernahmen wir das Flugzeug für den Flug nach Peking. Das Cockpit wurde wieder exklusiv mit der Limousine zum Flugzeug gebracht. Nach dem Einlaufen am Funk auf dem ersten Flugabschnitt kam nun die Kür. Scheinheilig meinte der Kapitän er würde fliegen da ich das erste Mal im Fernen Osten sei und ich könne funken. Bereits über Indien schrie ich mich fast heiser mit der Positionsmeldung an Ahmedabad und Nagpur. Mit Dhaka (Bangladesch) und Yangon (Burma) verzweifelte ich fast. Die Kollegen lachten nur: „Die wissen ja dass wir kommen vom eingereichten Flugplan, wichtig ist die Chinesen zu erreichen, sonst wird es ungemütlich an der Luftraum Grenze“. Zum Glück kam Kunming deutlich herein. Weil ein Übersetzer die Nachricht entgegen nahm und der Flugzeugbesatzung die Anweisung des wohl militärischen Fluglotsen übermittelte, war die Kommunikation extrem langwierig. Es konnte vorkommen, dass man eine Warteschlaufe fliegen musste bis der Kontroller alles in den Griff bekam wenn sich mehrere Flugzeuge zur selben Zeit meldeten. Der Ausdruck „Entwicklungsland“ war in den achtziger Jahren noch gerechtfertigt. Es war wenig Verkehr auf dem Pekinger Flughafen. Pferdefuhrwerke standen am Pistenrand mit Baumaterial und Fussgänger überquerten die Landebahn. Wenige vorsintflutliche Lastwagen stiessen schwarzen Rauch aus. Die Pässe, mit teurem Visum versehen, wurden noch auf dem Flugzeug zur Kontrolle eingezogen und erst im Hotel wieder ausgehändigt. Auf den breiten Strassen hatte es Heerscharen von Velo Fahrern und nur wenige Autos auf den schmalen Autofahrstreifen. Unsere erste Handlung war denn auch Velos mieten. Als Flugbesatzungen konnten wir uns frei bewegen. Auf dem roten Platz herum kurven, die Seidenstrasse besuchen, im Friendship Store für Ausländer einkaufen und den Vorrat an Tranksame für Karachi auffüllen. Unsere Velogruppe sorgte für viel Aufmerksamkeit. Die blonden bunt gekleideten Flight Attendants verursachten Staus oder sogar Massenstürze der uniform wie dazumal Mao gekleideten Chinesen. Auch die chinesischen Funktionäre die sich in unserem Hotel mit westlichen Diplomaten und Geschäftsleuten trafen trugen ausschliesslich diese Überkleidähnliche Einheitskleidung. Für Ausflüge - wie an die chinesische Mauer oder in den Staatszirkus - wurde uns jeweils ein Übersetzer mitgegeben. Englisch konnte damals tatsächlich kaum jemand. Versuchte es jemand, schritt unser „Aufpasser“ sofort ein. Bereits das Flicken eines platten Velopneus unterwegs wurde so zum Erlebnis.
Hongkong das pure Gegenteil
Beliebter waren die Hongkong Flüge. Sie waren zum Teil schwierig da die Flugdistanz der Direktflüge am Limit war - und zusammen mit Gewittern und Taifunen die Landung in Frage stellten. Ausweichen auf chinesische Plätze war ein kompliziertes Unterfangen sodass man - wenn es knapp wurde - lieber in Bangkok zwischenlandete um Treibstoff aufzunehmen. Die Landung auf dem alten Flughafen Kai Tak war der Traum jedes Piloten. Die Stadt selber war bereits damals ein moderner pulsierender Städtemoloch, der 24 Stunden lebt, und ein internationaler Schmelztiegel. In dem sich Geschäftsleute aus der ganzen Welt aufhalten. Seit dem Rückfall an China hat sich die Stadt weiter ins Hinterland ausgedehnt, aber sonst kaum verändert.
Peking hingegen hat sich enorm gewandelt. Die Velowege sind schmal geworden, dagegen die Autostrassen breit. Sie verdrängten die grossen Berge von Kohl, die im Winter als Grundnahrungsmittel zwischen den Velo Strassen lagerten und auf Abnehmer warteten. Die Luft ist enorm Schadstoff belastet. Vom blauen Himmel kommend hat man oft das Gefühl, im Nebel zu landen. Der Smog ist so dicht, dass man nach der Landung teilweise einen „Follow-me-Wagen“ verlangen muss, um das Gate zu finden. Der Flugplatz ist mittlerweile riesig und top modern. Oft wurden uns Schutzmasken mitgegeben und das vor Corona. Hochhäuser prägen mittlerweile das Stadtbild. Die ersten westlichen Zeichen waren wie überall McDonald Restaurants. Die Mao Anzüge sind verschwunden wie auch die früher sichtbare Armut. Die Leute sind bunt gekleidet, viele sprechen Ausländer aktiv englisch an. Während wir in Peking den Wandel und die Entwicklung vom Entwicklungsland zur High-Tech-Nation erlebten, lernten wir Shanghai erst nach der Öffnung als dritte chinesische Destination kennen. Traditionelle chinesische Quartiere wechseln sich ab mit den Rekord jagenden Hochbauten am Yangtze- Fluss. Wir staunten nicht schlecht, als uns im Anflug die Schnellbahn überholte. Aber sogar in China muss sie aus Lärmgründen auf Stadtgebiet die Geschwindigkeit reduzieren. Die Flugroute führt mittlerweile nördlich über Sibirien und die Mongolei. Eine interessante Strecke mit Überraschungen. In der Nähe von Novosibirsk wurden wir von einem hellen Blitz vor uns aufgeschreckt. Während wir uns noch fragten, was das war, explodierte ein zweiter Feuerball am Horizont. Natürlich bekamen wir keine Antwort, was es war.