Am 1. April 2002 startete ich auf der Piste 16 in Zürich-Kloten als Flug LX16 nach New York JFK. Es war für mich ein unvergesslicher Tag und ein historischer Flug. Einen Tag zuvor, am 31. März 2002, nahm nämlich Swiss International Airline die Geschäftstätigkeit auf. Bis dahin flogen wir seit dem Grounding, von der Eidgenossenschaft finanziell getragen, als Swissair weiter, um die für die Schweiz wichtige Anbindung an die Welt aufrechtzuerhalten. Der Weg vom Grounding bis zum Abheben der neuen nationalen Airline war steinig und ungewiss. Besonders für das Personal war es eine harte Zeit. Niemand wusste, wie es weitergehen würde, ob er weiterhin dabei sein würde – und trotzdem musste die Sicherheit im Flugbetrieb gewährleistet sein und die Passagiere zufriedengestellt werden. In Rekordzeit musste eine neue Luftfahrtgesellschaft aufgebaut werden mit einer soliden Finanzierung, der Umschreibung der Flugzeuge, den Bewilligungen, der Bestimmung künftiger Destinationen und den entsprechenden Überflug-und Landerechten. Erschwerend dazu kam, dass das ganze Know-how für den Betrieb von Grossraumflugzeugen in einer Langstrecken-Operation bei den Swissair Leuten war, aber vordergründig die Crossair verantwortlich war für den zwischenzeitlichen Flugbetrieb. Dass sich die beiden Personalkörper im Flugbetrieb nicht hold waren, machte es nicht einfacher.
Ich erinnere mich, wie mich – ich war gerade in Afrika – der damalige Schaffhauser Ständerat Rico E. Wenger anrief. Er sei gerade in einer Finanzkommissionssitzung. Wie ich die Chance einschätzen würde, dass die zu gründende Nachfolgegesellschaft erfolgreich sein werde und der Bund sich engagieren solle. Er hat der Bundesbeteiligung zugestimmt und auch den Kanton Schaffhausen aufgefordert einen Solidaritätsbeitrag zu leisten. Es hat allerdings beim Schaffhauser Stimmvolk nichts genützt. Es lehnte eine Beteiligung des Kantons von 1,42 Millionen Franken am Aktienkapital ab, obwohl Regierungs- und Kantonsrat dem Kredit deutlich zugestimmt hatten. Alle Parteien signalisierten zwar, solidarisch zu den anderen Kantonen, insbesondere Zürich, dem Bund und der Privatwirtschaft zu sein, und anerkannten, dass ein internationaler Flughafen mit einer starken Fluggesellschaft vor der Haustüre eine Stärkung der Schaffhauser Wirtschaft ist. Es funktionierte aber auch ohne Schaffhausen, obwohl es sich finanziell sogar gelohnt hätte.
Symbol für die weite Welt
Mit dem definitiven Übergang von Swissair zu Swiss änderte auch die Flugnummer Zürich – New York von SR100 zu LX16. Für mich war dieser Start vor 20 Jahren ein historischer Augenblick, denn SR100 war für mich der Inbegriff der Langstreckenfliegerei schlechthin während eines halben Fliegerlebens.
Ich beschrieb das in einer meiner ersten Kolumnen vor elf Jahren mit «New York – der erfüllte Bubentraum». An diesem zweiten Swiss-Tag den symbolträchtigen Flug nach New York durchführen zu dürfen, erfüllte die ganze Besatzung mit Freude und Stolz. Nach einer Zeit, in der wir um unseren Job fürchten mussten und Cockpit-Kollegen ab 52 Jahren frühzwangspensioniert wurden, waren wir einfach glücklich, wieder abheben zu können für eine Firma, an die wir glaubten.
Es war kein eigentlicher Wechsel, denn wir konnten auf bewährte Strukturen und Konzepte aus der langjährigen Swissair-Zeit aufbauen und flogen dieselben Flugzeuge. Ursprünglich war geplant, die Kaderpositionen und einen Teil der Pilotensitze mit Crossair-Leuten zu besetzen. Die Einsicht, auf die bisherigen erfahrenen Jet-Piloten nicht verzichten zu können, kam rasch. Ebenfalls wurde klar, dass Chefpiloten, Instruktoren, Flugsicherheit und Engineering zwingend durch bisherige Swissair-Stelleninhaber besetzt bleiben mussten, um nicht die Flugsicherheit zu riskieren.
Ich landete damals kurz nach 6 Uhr von Delhi kommend und wollte eigentlich, müde vom Nachtflug, der Einladung nach Basel zur Bekanntgabe der zukünftigen Führungspositionen gar nicht folgen. Kollegen überredeten mich dann, mit ihnen in den Bus zu steigen. Bei der Bekanntgabe der zukünftigen Chefs von Flugsicherheit und Engineering lachte ich laut und etwas unanständig heraus. Ich erntete missbilligende Blicke und der Kollege raunte mir zu: «Du hast soeben deine Zusatzfunktion als Engineering Chef verloren.» «Dann freue ich mich darauf, wieder 100 Prozent zu fliegen, aber du wirst sehen, die können das gar nicht», war meine etwas amüsierte Reaktion. Tatsächlich, bereits beim Apéro in eher eisiger Stimmung, kam mein designierter Nachfolger und meinte, er würde gerne weiterhin auf mich zählen, er kenne als Pilot einer Propellermaschine ja die Grossraumflugzeuge und deren Wartung gar nicht. Der Sicherheitschef blieb nachträglich ebenfalls auf seinem Posten, nachdem diverse Mängel aus den beiden Crossair-Unfällen zutage kamen. Das oberste Kader wurde leider belassen, was fast wieder zum neuerlichen Konkurs und später zum Verkauf der Swiss an Lufthansa führte.
Durcheinander mit Callsigns
Die Flugnummern (Callsign), welche als Rufadresse von Piloten im Kontakt mit den Bodenleitstellen verwendet werden, führten in der Übergangsphase öfters zu einem Durcheinander. Man unterscheidet in ICAO (International Civil Aviation Organization) mit dem Drei-Buchstaben- Code SWR für die damalige Swissair, CRX für Crossair und wiederum SWR für Swiss. Daneben gibt es die zweibuchstabigen kommerziellen IATA-(International Air Transport Association)-Codes, die für Passagier- und Ticketbelange verwendet werden. SR stand für Swissair und LX für Crossair. Da Swiss auf Crossair aufgebaut wurde, blieb LX für Swiss bis heute. In den Flugplänen, welche alle Flugleitstationen des jeweiligen Flugs erhalten, erscheint die Flugnummer wie damals LX16 zur Identifikation. Im Sprechfunk wird allerdings ausschliesslich der Airline-Name oder ein anerkannter Kurzname verwendet: In unserem Flug nach New York «Swiss16». In der Übergangszeit hörte man Swissair- und Crossair-Callsigns.
Ab dem 31. März 2002 war allein der Code LX gültig und am Funk wurde ausschliesslich von «Swiss» gesprochen was nicht allen Fluglotsen bekannt war. Auf einem Los-Angeles-Flug erkundigte sich denn auch ein Fluglotse von Kansas City, das nur sporadisch von einem Schweizer Linienflugzeug überflogen wurde, was wir nun eigentlich seien. Er habe schon Swissair, Crossair, Balair, Edelweiss gehört und nun plötzlich Swiss mit dem Crossair-Code LX. Wir schauten uns an im Cockpit, hielten die Daumen hoch und antworteten: «Just call us Swissair 40 – ruf uns einfach weiterhin Swissair 40.» Es hielt sich über Jahre, dass uns Fluglotsen sporadisch noch mit Swissair ansprachen. Passagiere, die nicht vom Grounding betroffen waren übrigens auch, was sicher auch zur ununterbrochenen Beliebtheit der Schweizer Airline beigetragen hat.