Normalerweise führt der Swiss Flug 161 nach Tokyo südlich an Finnland vorbei und dann mehrheitlich über russisches Territorium. Seit dem 28. Februar wurde der Flug wegen dem Ukraine Kriegsausbruch und der damit verbundenen Sperrung des russischen Luftraums südlich über die Türkei, den Iran, Afghanistan und China geführt. Dieser Umweg verlängert die Flugzeit nach Tokyo um durchschnittlich zwei Stunden und auf dem Rückflug wegen dem westlichen Gegenwind sogar bis zu drei Stunden. Es werden bis zu zwanzig Tonnen zusätzliches Kerosin verbrannt. Dauert dieser Zustand an, hätte das einen jährlichen Mehrverbrauch von 7300 Tonnen zur Folge und es würden zusätzlich 23000 Tonnen CO2 ausgestossen.
Neben dem enormen Kerosin Mehrverbrauch hat es weitere Konsequenzen. Das Flugzeug steht wegen der kumulierten Verspätung nicht mehr planmässig zur Verfügung, die Passagier Anschlussflüge fallen weg, wegen der höheren Zuladung von Kerosin müssen Fracht oder sogar Passagiere ausgeladen werden und wegen der langen Flugzeit braucht es einen zusätzlichen vierten Piloten. Es wurde deshalb alles daran gesetzt die Route anders zu legen. Dabei ist man auf die Lösung vor über dreissig Jahren zurückgekommen. Seit zehn Tagen fliegt der Tokyo Flug neu über den Nordpol und dann weiter über die Bering Meeresstrasse. Die Route geht also quasi hinten herum. Das bringt eine Flugzeitersparnis gegenüber der Südroute von eineinhalb Stunden und spart rund fünfzehn Tonnen Kerosin pro Flug. Der neuen Flugroutenführung gingen intensive Vorbereitungen voraus. Es mussten Überflugbewilligungen eingeholt werden und Ausweichflugplätze evaluiert werden. Die Piloten mussten sich vorgängig das notwendige Wissen über die sogenannte Grid Navigation aneignen, denn in Polnähe funktioniert die herkömmliche Navigation mit magnetisch Nord nicht mehr.
Für uns damals Mount McKinley, für die Kollegen heute Denali
In den achtziger Jahren wurde Zürich-Tokyo noch nicht über russisches Gebiet geflogen sondern über den Nordpol. Ein Nonstop Flug war nicht möglich, da die verwendete DC-10 nicht über die nötige Reichweite verfügte. Es wurde deshalb eine Zwischenlandung in Anchorage, Alaska, eingebaut zur Betankung. Am 29. Dezember 1990 flogen wir über Norwegen um Grönland herum genau über den Nordpol. Die Gegend des ewigen Eis war faszinierend und die Spannung hoch als wir uns dem magischen Punkt näherten und die Magnetnadel zu drehen begann. Fesselnd waren auch die bunten Polarlichter die wie Vorhänge am Horizont hingen. In Anchorage blieben Passagiere und Kabinen Besatzung an Bord während wir Piloten für eine Nacht im Hotel blieben. Unsere DC-10 wurde von drei SAS Kollegen weiter nach Tokyo geflogen. In klirrender Kälte suchten wir auf knirschendem Schnee das von den Kollegen empfohlene Restaurant auf. Wir schauten uns ständig vorsichtig um wegen der Warnung vor Eisbären. Am andern Morgen stiegen wir wieder in unsere DC-10 mit einer anderen Kabinen Crew von Tokyo kommend. Nach dem Start stand vor uns der Mount McKinley majestätisch am Horizont. Die Beleuchtung im kurzen Polartag war mit den scharfen Schatten einzigartig. Da der 6190 Meter hohe Berg genau auf unserem Kurs lag, reduzierten wir unsere Steigrate um möglichst nahe an ihm vorbei zu fliegen. Für uns im Sichtflug sahen wir kein Problem aber für den Fluglotsen mit seinen Blindflugvorschriften war es eines. Er forderte uns auf rasch zu steigen, ansonsten würde er uns einen Ausweichkurs befehlen. Wir stiegen auf 33000 Fuss und auf dieser Flughöhe überflogen wir an Silvester 1990, gemäss meinem Flug Logbuch um genau 0009 Greenwich Time, den Nordpol. Die Kollegen werden auf ihrer neuen Polarroute nach Tokyo nicht den Mount McKinley sehen sondern den Denali. Nach fast einhundert Jahren wurde nämlich der Name des Bergs mit dem höchsten Relief der Erde auf den ursprünglichen indianischen Namen „Denali – der Hohe“ zurück geändert. Als die MD-11 die DC-10 ablöste und der russische Luftraum für Tokyo Flüge freigegeben wurde, konnte der Flug nonstop durchgeführt werden ausser der Rückflug im Winter bei starken Westwinden. Um dafür gewappnet zu sein wurden jeweils zwei Piloten vorsorglich am Vorabend nach Moskau positioniert um das Flugzeug nach einer Zwischenlandung zwecks Betankung nach Zürich zu fliegen. Die Airbus A340 und Boeing 777 habe eine noch grössere Reichweite, sodass Direktflüge ohne Zwischenlandung ausnahmslos möglich sind auch auf der Polarroute.
Japan liebt man oder eben nicht
Japan wurde mir nie so richtig vertraut. Wenn man nicht gerade durch ein Erdbeben aus dem Schlaf gerissen wurde sorgte die grosse Zeit Verschiebung für schlaflose Nächte oder wegen der Ankunftzeit Tage. In viele Restaurants wurden wir früher nicht hinein gelassen und es hiess gestikulierend, „only Japonese - nur Japaner“. Die übrigen Restaurants waren extrem teuer. Wir suchten deshalb oft Airline Lounges auf wo die internationalen Flugzeug oder Schiff Besatzungen unter sich sind. Eine davon ist der Jet Lag Club. Der Gründer und Betreiber ist ein Swissair Grounding Opfer. Als Sabena Flight Attendant erhielt er beim Grounding die Kündigung und gründete darauf mit seiner japanischen Freundin den Club. Beim ersten Besuch empfahl er mir die Club Mitgliedschaft um vom Bier Discount zu profitieren. „Entweder mailst du mir ein Foto oder sonst kommt mein Hund auf dein Ausweis“. Das Risiko wollte ich nicht eingehen und sandte ihm ein Foto. Tatsächlich kam der Ausweis per Post und ich bin stolzes Mitglied des Jet Lag Clubs Narita mit persönlichem Foto. Sein Hund liegt oder sitzt übrigens meistens auf der langen Bar. Aber auch Japan hat sich geändert. Das Land ist eigentlich schön, speziell zur Kirchblütenzeit, die Leute sprechen mittlerweile englisch mit einem und man ist in den Restaurants willkommen. Geblieben sind die enorme Zeitverschiebung und der Jet Lag und da hilft auch der Jet Lag Club nicht. Auf einem Tokyo Flug erlebte ich übrigens einen meiner grössten Schreckmomente. In der Gegend von Surgut, weit weg von einer Landemöglichkeit in Novosibirsk, stieg plötzlich links von mir im Cockpit Rauch auf. Der erste Gedanke war Swissair 111. Ursache war zum Glück ein mobiler Firmenlaptop für Flugunterlagen. Wir konnten den rauchenden Computer abkühlen und machten ihn unbrauchbar um einen weiteren Zwischenfall zu verhindern. Der leise Vorwurf aus Zürich, ob das nötig gewesen sei man hätte ihn ja nochmals in Betrieb nehmen können, liess uns nur den Kopf schütteln über Bürolisten die keine Ahnung haben was Rauch im Cockpit auslöst.