Nun zuckt man wieder im Kinosessel zusammen wenn die Top Gun 2 Cracks in horrendem Tempo mit viel Lärm fast aus der Leinwand fliegen. Die Faszination Fliegen steht im Vordergrund trotz immer gleicher Handlung. Noch packender ist die Realität. Als ich kürzlich mit dem Camaro Cabrio, der Vermieter lachte mich aus als ich einen Kleinwagen verlangte, von Las Vegas nach L.A. fuhr wurde ich von diesen tollkühnen Piloten überrascht. Zwei Punkte am Horizont wurden rasch grösser. Im Tiefflug brausten zwei Jets über die Mojave Wüste, den felsigen Hügel und Schluchten ausweichend, genau über mich hinweg.
Das rief Erinnerungen wach. In dieser Gegend, allerdings viel höher, führten wir die Testflüge für die Abnahme neuer MD-11s oder für Modifikationen durch. Auf die Airforce Basen Mojave und Edwards machten wir Anflüge und Durchstartmanöver um das Blindlandesystem oder das Seitenwind Verhalten zu testen. Die Faszination von Top Gun führte vor zwölf Jahren zu einer unerwarteten andauernden Freundschaft. Als OK Chef der European Championship of American Quarter Horses durfte ich Peter J. Cofrancesco III, den damaligen Präsidenten des grössten Pferdezucht- und Sportverbandes mit über einer viertel Million Mitglieder, eine Woche lang betreuen. Wir unterhielten uns über alles und natürlich auch über meinen Beruf. Er stellte sich als begeisterter Top Gun Fan heraus und steigerte sich in eine Flugbegeisterung hinein. Seine Familie betreibt in Sparta New Jersey in dritter Generation eine grosse Entsorgungs-, Recycling- und Strassenbaufirma. Mit seiner Pferdezucht und der internationalen Verbandstätigkeit war er Vielflieger. Fortan stellte er mich als Maverick und sich als Goose, die zwei Hauptdarsteller in Top Gun, vor. Zu meiner Verblüffung eröffnete er allen und überall er werde mich auf einem nächsten Flug als Copilot begleiten. Ich holte ihn etwas auf den Boden zurück und bot ihm an, ihn wenigstens auf dem Beobachter-Sitz im Cockpit mitzunehmen. Fortan schrieb und sprach er mich immer als Maverick an und unterschrieb als Goose. Wenn ich in New York war und es sein Zeitplan erlaubte holte er mich - beziehungsweise sein Chauffeur - im Hotel zum Nachtessen ab. Sein Lieblingsrestaurant war das „Vincent`s“ in Little Italy in Lower Manhattan. Das 1904 eröffnete Restaurant an der Kreuzung Mott und Hester Street ist bekannt für seine Vincent`s Sauce die anscheinend nie jemand kopieren konnte. Stammgast Peter J. Cofrancesco III brauchte keine Speiskarte. Er bestellte für mich einen Querschnitt durch die hervorragende Küche. Obwohl eigentlich übersatt, schleppte er mich dann in seine italienische Lieblingsbäckerei wo er mir ebenfalls ungefragt den Teller mit Süssigkeiten füllen liess. Danach meinte er eine Massage wäre ein guter Abschluss und wir verschoben uns zu Fuss ins nahe gelegene Chinatown. Der Chauffeur folgte uns auf der Strasse. Wir legten uns kopfüber auf die Massageliege und liessen Nacken und Rücken massieren und vom kräftigen Chinesen mit den Handkanten bearbeiten. In New York und an diversen Sitzungen an denen wir uns trafen, planten wir seinen Flug als Co-Pilot Goose auf dem dritten Sitz und Skiferien in der Schweiz mit seiner Familie. Leider kam es nicht mehr dazu. Er verstarb leider viel zu früh. Eine traurige Parallele zu seinem Film Idol Goose.
Kein „Top Gun“ mit Passagieren
Gefühlt vergleichbar, um die Faszination der enormen Geschwindigkeit zu spüren, ist es, knapp über den Wolken zu fliegen. Man verzögert auch einmal das Eintauchen in die Wolkenschicht bewusst, touchiert ein paar Wolkenfetzen oder lässt einen Flügel in der Wolke verschwinden. Ausnahmen waren im Flugtraining auf abgelegenen Plätzen - etwa in Malta den Klippen entlang - möglich. Oder nach dem Start in Rio. Wir flogen jeweils tief der Copacabana entlang um kurz vor dem Corcovado (der Christusstatue) die DC-10 hochzuziehen. Als wir einmal bereits in der tiefliegenden Wolkenschicht flogen forderte mich der Kapitän auf nochmals abzusinken. Natürlich folgte ich der Aufforderung nicht was der Flight Engineer mit erleichtertem Ausatmen würdigte und Kapitän H.K. mit einer bissigen Bemerkung quittierte. Auf späteren Flugzeugtypen war auch das nicht mehr möglich, da alle Daten systematisch ausgewertet werden und es ein Eingreifen der Sicherheitsabteilung zur Folge hätte. Einen Tiefflug erlaubten wir uns jeweils wenn wir neue Flugzeuge in Long Beach holten. Als Abschied nach der langen Bauzeit und tagelangem Übernahme Procedere mit teilweise zehnstündigen Testflügen kehrten wir nach dem Start in die Schweiz jeweils nochmals um und überflogen die Piste (sehr) tief an den Spalier stehenden winkenden McDonnell Douglas Mitarbeitern vorbei. Einmal vergass mein Kollege das Aufzeichnungsystem auszuschalten was prompt eine Nachfrage zur Folge hatte zu Hause und viel Rechtfertigung brauchte um die „Büropiloten“ wieder zu beruhigen.
Personalmangel und Klischees
Im Moment macht den Airlines der Personal Mangel zu schaffen. Ohne Abbau hätten aber diverse Gesellschaften nicht überlebt und ohne Corona Impfung sind Langstreckenflüge schlicht nicht planbar. Es bringt aber willkommene Medien Storys, wie kürzlich als ein Co-Pilot völlig unspektakulär eigenhändig Gepäck eingeladen hat. Es gab wenige Jumbo Piloten, die mit weissen Handschuhen flogen aber sonst legen wir durchaus Hand an, wo es nötig ist und wir Zeit dazu haben. Auf der Kurzstrecke helfen die Piloten die Kabine aufzuräumen oder greifen zum Staubsauger in Afrika gehen sie dem Mechaniker zur Hand beim Radwechsel. In Marrakesch holte uns der mitfliegende Mechaniker aus dem Cockpit, wir müssten ihm helfen das Gepäck aus- und einzuladen es sei keine Lademannschaft da. Der sonst schon rote Kopf von „Aeschli“ wurde noch röter, er musste schliesslich noch tanken und das Flugzeug bereit stellen. Wir kehrten Schweiss gebadet ins Cockpit zurück bei über vierzig Grad. Nach einem langen Flugtag Genf – Barcelona – Genf - Oslo war die Kabinencrew im Bus wortkarg und niemand kam ins Feierabendbier. Der M/C klärte uns auf. Die Crew hätte erwartet, dass wir beim Aufräumen der Kabine helfen würden nach dem langen Arbeitstag. Wir schilderten ihnen den Anflug auf Oslo im Schneesturm mit einem Durchstart weil wir die Piste nicht sahen und uns bereits mit einer Ausweichlandung in Dänemark befassten und wir „nudelfertig“ einfach froh waren, heil auf den Boden gekommen zu sein und einen Moment Ruhe brauchten im Cockpit, um alles nochmals durchzugehen. Am nächsten Abend in Genf waren alle beim Apero dabei.