Willkommen, Senior Pilot (SP) Alain Berset

Geschrieben von Markus Müller

Welch ein Glücksfall für die Medien um das Sommerloch zu füllen mit Meldungen, Kommentaren und Zurechtweisungen an die Adresse von Bundesrat Alain Berset über sein vermeintliches Flugabenteuer. Ein Glücksfall, allerdings  von kurzer Dauer, für gewisse Politiker die reden bevor sie denken. Wie üblich wenn es um die Aviatik geht wurde in grosser Unwissenheit viel Unsinn geschrieben. So unbekannt dürfte ja kaum gewesen sein, dass Berset über einen Pilotenschein verfügt.

Wenn man in der Schweiz ein Flugzeug mietet, ab einem schweizerischen Flugplatz startet, alles vorschriftsgemäss in die amtlichen Start- und Landelisten eingetragen wird und man zudem prominent ist, dürfte es kaum möglich sein über Jahre unerkannt zu bleiben. Die Luftraumstruktur in Europa ist mittlerweile kompliziert und unübersichtlich und die Wahrscheinlichkeit besteht, dass man unbeabsichtigt in ein gesperrtes Gebiet einfliegt, es anschneidet oder sich ihm annähert. Wenn es ein militärisches Sperrgebiet oder eine militärische Flugplatzzone ist und zufällig ein Militärflugzeug in der Luft ist und ein eifriger Pilot eine Luftraumverletzung  vermutet, kann es sein, dass man abgefangen und begleitet wird. Wenn eine Militärjet extra aufsteigen müsste kommt er aber wohl zu spät. Die Umstände sind unklar aber es scheint tatsächlich so, dass sich Hobbypilot Berset gar nichts zuschulden kommen liess. Gut, dass die Journalisten und Politiker, die so rasch und unbedacht mit nicht belegten Urteilen zur Hand sind, kein Flugzeug steuern dürfen. Wenn wir Piloten ehrlich sind, ist den meisten schon ein Missgeschick mit dem Luftraum passiert das aber entweder unentdeckt oder unverfolgt blieb. Ein Kollege, als junger Segelflugpilot auf dem Schmerlat gestartet, sah plötzlich die Pisten von Kloten vor sich und Linienflugzeuge über sich. Er hat sich in der Navigation gründlich vertan. Schleunigst setzte er den Segler in ein Feld und wartete auf die Kollegen die ihn im Hänger holten. Als Flugschüler absolvierte ich nach Schulbuch, mit Karte, Winkelmesser und  Winddreieck Kursberechnung, GPS gab es damals noch nicht, den vorgeschriebenen Navigationsflug quer durch Florida. Plötzlich fand ich mich im Formationsflug mit einem  Jumbo der unheimlich gross aussah. Rasch den Transponder ausschalten der mit einem Code ein Signal  aussendet um das Flugzeug auf den Radarschirmen der Flugverkehrskontrolle zu sehen, sofort abdrehen und mit Vollgas weg. Ich war dem internationalen Flughafen Jacksonville zu nahe gekommen. Herzlich willkommen lieber Senior Pilot (SP) Alain Berset im Kreis der begeisterten ebenfalls unvollkommenen Piloten. Das macht sie erst recht sympathisch. Der Zusatz Senior ist übrigens bei Linienpiloten eine Beförderung im Rang nach einer bestimmten Anzahl Jahre die ich Alain Berset gerne zugestehe.
Kampfflugzeug im Cockpitfenster
Es gibt genau definierte Regeln wie ein Kampfflugzeug ein Zivilflugzeug abfängt und wie es ihm signalisiert ob es abdrehen, ihm folgen oder landen. Vorgängig versucht man sich natürlich über Funk zu verständigen. Alle kommerziellen Flugzeuge haben dazu auf einem Funkgerät die Notfallfrequenz 121.5 MHz eingestellt. Es bedingt aber dass alle englisch verstehen. Es macht Eindruck wenn dann eine oder mehrere Militärmaschinen plötzlich gross im Cockpitfenster auftauchen. Aber auch für die Militärpiloten ist es ungewohnt und eindrücklich sich einem grossen Flugzeug zu nähern. Im Rahmen von technischen Testflügen ohne Passagiere haben wir deshalb unseren Luftwaffen Kollegen Gelegenheit gegeben mit uns intercept Übungen zu machen (im Bild). Einer hat mir nach so einem Flug telefoniert, wir sollten bitte die Fotos die wir sicher geschossen hätten nicht veröffentlichen, er habe sich nämlich vor unseren Flügel geschoben was eigentlich verboten sei. Wir hatten Spass an diesen Begegnungen und ich hoffe Alain Berset hat es auch genossen.
Verbotene Zonen
Es gibt permanente und temporäre Sperrzonen. Über militärischen Einrichtungen sind in der Regel fixe Sperrzonen publiziert. Es gibt auch eher kuriose Gebiete die nicht überflogen werden dürfen. So ist in der Anflugkarte auf Yaoundé in Kamerun ein ganz kleiner Kreis eingezeichnet. Es ist der Präsidenten Palast. Atomkraftwerke hingegen dürfen überflogen werden. In Russland und China ist hingegen alles ausserhalb der Luftstrassen faktisch Sperrgebiet und jeder Pilot wird sich hüten die Luftstrasse ohne Not zu verlassen. Man wird sofort zurück korrigiert. Temporäre Flugverbotszonen werden bei Raketenstarts oder früher Space Shuttle Landungen in Florida eingerichtet. Das Keulen artige Gebilde das vom Cape Canaveral weit in den Nordatlantik hinaus ragt kann einen Umweg von mehreren hundert Kilometer zur Folge haben. Weiter gibt es kurzzeitige, oft überraschende Sperrungen wenn ein Staatsoberhaupt landet oder startet. Barack Obama hat mich so einmal in L.A. fast zu einer Ausweichlandung gezwungen.   
Unwort Flugscham
Berset wird auch fehlende Sensibilität für die Umwelt vorgeworfen. Der Vorwurf ist, ausser politisch ideologisch ausgeschlachtet, wenig stichhaltig. Um die gleiche Strecke im Auto zurückzulegen hätte er wahrscheinlich mehr Benzin verbraucht als mit seiner Cessna. Unbestritten hat der Flugverkehr Energie Einsparungspotential. Der technische Fortschritt ist dabei enorm fortgeschritten hingegen ist vieles andere stehen geblieben. Seit Jahrzehnten spricht man vom „Single European Sky“, einer einzigen Flugverkehrskontrolle über ganz Europa. Damit könnte man enorm Kerosin sparen mit direkterer Flugweg Führung und koordinierten Geschwindigkeiten. Passiert ist nichts es werden weiterhin Umwege und Warteschlaufen geflogen. Seit vierzig Jahren bemängle ich, dass von Kloten nach Basel oder Stuttgart geflogen wird. Aber es ist schwierig wenn Deutschland es in einem halben Jahrhundert nicht fertig bringt die drei Metropolen auf der Schiene effizient zu verbinden. Generell weniger fliegen macht durchaus Sinn aber alle sollten es grundsätzlich dürfen. Ich hatte auf einem Flug nach Nairobi den damaligen Präsidenten einer grösseren Zürcher Stadt und späteren Regierungsrat und seine Ehefrau, damalige Präsidentin des Zürcher Kantonsrats an Bord und lud sie zur Landung ins Cockpit ein. Ich machte ein Foto von ihnen und wies sie darauf hin, dass ich das in einer Schaffhauser Zeitung veröffentlichen werde. „Lieber nicht, wir sind doch von den Grünen“, wandte er ein. Worauf ihn seine Frau zurechtwies: „Auch wir Grünen dürfen einmal in die Ferien mit dem Flugzeug“. Wie recht sie hat und das Foto erschien ohne negative Leserbriefe auszulösen.  

Anhänge:
Diese Datei herunterladen (über den Wolken 8-22.pdf)über den Wolken 8-22.pdf137 KB
Kategorie: