Nebel, Intuition, Erfahrung und Drill

Geschrieben von Markus Müller

Über die Beherrschung des Nebels bei der Landung und unterschiedliche Handlungsweisen
Jetzt ist wieder Nebelzeit. Das gibt von oben war wunderschöne Bilder aber kann für Landung und Start zum Problem werden. Heute weniger als früher wo es vorkam, dass die früh ankommenden Linienflugzeuge nicht in Kloten landen konnten sondern nach Basel oder Mailand ausweichen mussten.

Meteorologisch spannend ist, dass wenn in Kloten dichter Nebel über dem Flugplatz liegt, Basel offen ist und umgekehrt. Dasselbe Phänomen kennen wir in Mailand mit Linate und Malpensa oder in Sao Paulo zwischen dem Stadtflughafen und dem ausserhalb. Im Winterhalbjahr musste bei der Planung zwischen den beiden Optionen entweder in Basel zu landen oder genug Kerosin zu tanken um eineinhalb Stunden in der Luft warten zu können und mehrere Anflüge zu versuchen entschieden werden. Für den Fall Basel waren vorsorglich Reserve Crews geplant um das Flugzeug zu holen, während die Passagiere mit Bussen nach Zürich gebracht wurden. Im Falle eines Aufgebots wurden wir mit dem Taxi nach Basel gefahren. Oft war es ein älterer Chauffeur mit seinem schwarzen gestreckten Mercedes mit drei Sitzreihen. Der Chauffeur Kollege zu Land erzählte gestenreich aus seinem Leben und schwärmte von der Qualität seines Merz mit einer halben Million Kilometer. Der Überflug, ohne Passagiere sportlich, dauerte weniger als eine viertel Stunde. Eine links Kurve nach dem Start und nach einer Rechtskurve die Landung. Paris, ebenfalls ein Nebel Flugplatz, löste das Problem mit zwei leistungsstarken Jettriebwerken beidseitig der Landepiste um den Nebel weg zu blasen. Das Nebel freie Tunnel ermöglichte uns den Übergang vom Instrumentenflug zum Sichtflug für die Landung.
Keine Sicht mehr nötig zum landen
Ausweichlandungen, Flugstreichungen oder Verspätungen kosten viel Geld. Auf den Nebelflugplätzen von Mailand bis Hamburg konnten mit der Einführung einer ILS (Instrument Landing System) die Sichtminima für die Piloten stark reduziert werden. Es wird ein Vektor ausgesendet der mit einem drei Grad Winkel genau zum Aufsetzpunkt auf der Landepiste führt. Das Signal wird vom Flugzeug empfangen und dem Piloten im künstlichen Horizont dargestellt. Es verlangt exaktes fliegen und rasche Korrekturen bis auf das vorgeschriebene Minimum hinunter wo zwingend die Pistenbeleuchtung gesehen werden muss um eine manuelle Landung durchführen zu können oder sonst durchgestartet werden muss. Dem Wechsel vom Instrumentenflug auf die Landung von Hand mit Sicht sind aber Grenzen gesetzt und es gab immer noch, wenn auch seltener, Situationen wo eine Landung nicht möglich war. Der nächste Schritt war deshalb das Bodensignal so exakt und den Autopiloten so genau zu machen, dass er selber landen, auszurollen und bremsen kann. Lange traute man sich nicht völlig blind zu landen sondern verlangte, dass mindestens ein paar Lampen im Anflug sichtbar sein mussten um dem Autopiloten die Landung zu erlauben. Erstmals auf der MD-11 wurde diese Vorschrift gestrichen und es durfte ohne jegliche Sicht gelandet werden. Der Copilot überwacht strikt die Instrumente und meldet jede Abweichung wenn nicht bereits das System selber reklamiert oder sich der Autopilot mit lautem Warnsignal ausschaltet. Der Kapitän schaut hinaus, lässt das Flugzeug automatisch landen und überwacht ausrollen und bremsen um bei etwa 100 km/h die Automatik auszuschalten. Er ist ständig bereit in Sekundenbruchteilen einen Durchstart einzuleiten. Die technischen Systeme ständig zu testen und die Piloten zu trainieren ist teuer, sodass viele Airlines welche in ihren Heimflugplätzen keinen tief liegenden Bodennebel haben die Möglichkeit nicht nutzen. Das führte dazu, dass SAS oder Singapur Kollegen nach Frankfurt auswichen während wir munter landeten in Zürich.
Für den Start ist weiterhin eine minimale Sicht nötig da der Autopilot den Start nicht durchführen kann und der Pilot die Pistenlampen auch bei 300 km/h noch sehen muss. Früher war es ein gängiges Verfahren bei dichtem Nebel die Piste hinunter und zurück zu rollen mit viel Triebwerkleistung um den Nebel zu verblasen. Darauf ist der Absturz einer Swissair Caravelle, übrigens mit dem Namen Schaffhausen, 1963 bei Dürrenäsch zurück zu führen. Die Bremsen waren wegen dem grossen Schub so heiss, dass eine Felge nach dem Start brach, Hydrauliköl brannte und das Flugzeug nicht mehr steuerbar war. Perfid sind Situationen wo man im Anflug die Pistenbeleuchtung sieht aber in Bodennähe plötzlich in die tiefe Nebelbank einfliegt und keine Chance hat manuell zu landen. Das ist in Zürich, einem Feuchtgebiet, öfters der Fall. Es braucht Erfahrung das vorauszusehen und frühzeitig auf eine automatische Landung zu setzen und auf die viel beliebtere Landung von Hand zu verzichten, denn ein kurzfristiger Systemwechsel ist nicht möglich. In Nairobi, ohne Autoland Möglichkeit, haben wir diese Situation angetroffen. Wir warteten auf dem Flugplatz bei schönstem Wetter auf unser Flugzeug für den Weiterflug nach Joburg. Wir sahen die Maschine mit dem roten Heck im Anflug um kurz darauf das Aufheulen der Motoren zu hören und sie im Steigflug zu sehen. Genau am Pistenanfang lag eine Nebelbank und liess den Kollegen keine Chance zu landen. Sie wichen nach Mombasa aus und kamen nach zwei Stunden wieder zurück. Im Zweifelsfall heisst es immer durchstarten. Wenn die Sicht fehlt, man zu schnell, zu hoch oder nicht stabilisiert ist. Für die Piloten ist das unzählige Male drillmässig geübte Verfahren nichts Besonderes ausser die nötige Neuberechnung der Treibstoffreserven. Für Passagiere und Kabinencrew, die ohne Referenz nach draussen davon überrascht werden ist es unangenehm oder sogar beängstigend.
Intuition oder Erfahrung, Drill und Teamwork ?
Während Intuition im Leben und in der Politik einen grossen, nicht immer erfolgreichen Stellenwert hat, muss man im Flugzeug damit vorsichtig sein. Piloten dürfen zwar intuitiv eine Handlung vorschlagen, aber eingeleitet werden darf sie im Zweimanncockpit erst Fakten bezogen abgesprochen und koordiniert. Es ist Erfahrung und nicht Intuition wenn ich im Juli auf dem Sao Paulo Flug zehn Tonnen zusätzlichen Treibstoff tanke weil ich weiss, dass es Nebel haben könnte und ich die Möglichkeit eine Stunde in der Luft warten zu können will. Ein Startabbruch, ein Durchstartmanöver, ein Notsinkflug bei Sauerstoffverlust oder ein Ausweichmanöver hat nichts mit Intuition zu tun sondern ist die drillmässige und unzählige Male geübte Antwort auf eine Notsituation. Schlussendlich wird alles innerhalb der Crew  nachbesprochen im sogenannten Debriefing und in einer beispiellosen offenen Fehlerkultur in der Pilotengemeinschaft kommuniziert. Das zu Grunde liegende Crew Ressource Management (CRM) wird seit Jahren in Kursen geübt und von den Luftfahrtbehörden weltweit vorgeschrieben. Dadurch ist die Fliegerei unter anderem sehr sicher geworden. Andere heikle Berufe etwa in der Medizin sind darauf Aufmerksam geworden und engagieren mittlerweile Instruktoren aus der Fliegerei für Schulungen.    

 

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