Auf dem Flug nach Los Angeles sind, angeregt durch den zehnten Jahrestag, die Erinnerungen an den elften September 2001 wieder aufgelebt. Vor allem aber hoffte ich, dass der Tag des Rückflugs, just zur zehnten Jährung, nicht allzu viele Unannehmlichkeiten und Verspätung mit sich bringen würde.
Die ununterbrochene typisch amerikanische Berichterstattung mit sich immer wiederholender Vorführung der einstürzenden Türme und mit der beiläufigen Schilderung der Eskortierung einer Linienmaschine in New York durch Abfangjäger der US Air Force, weil ein Passagier verdächtig lang auf der Toilette war, hat mich bestärkt diesen schwarzen Tag mit all seinen Folgen und tief greifenden Veränderungen ruhen zu lassen. Die Fliegerei ist seither unbestritten noch sicherer geworden. Sie ist aber auch sehr viel komplizierter geworden. Dabei gibt sich die Schweiz erwartungsgemäss sehr eifrig. Man könnte sogar glauben das grösste Gefahrenpotential würde von uns Piloten ausgehen. Während die Kontrollorgane von der Frage, ob wir uns wohl selber entführen wollen nicht viel halten oder sie gar nicht verstehen, sind diejenigen welche die Anordnungen im Bürostuhl treffen sehr erpicht darauf, der uns umzingelnden Vorschriften Maschinerie mit Kontrollzentrum Brüssel zu zeigen, wie mustergültig die Schweiz doch ist. In stoischer Ergebenheit lassen wir uns halt weiter abtasten.
Zum Angenehmem. Während drei Monaten werde ich nun von André Jäger bekocht, gehe quasi zweimal pro Woche in der Fischerzunft essen. Also nicht so direkt aber immerhin nach seinen Ideen und Anweisungen. Der Schaffhauser Starkoch kreierte einen Teil der First- und Business- Class Essen auf unseren Langstreckenflugzeugen. Als Langstreckenpilot hat man das Privileg, von den beiden Flight Attendants die in der ersten Klasse das Szepter schwingen, betreut und kulinarisch verwöhnt zu werden. In dieses kleine klar abgegrenzte Reich des Grossraumflugzeugs mischen wir uns denn tunlichst nicht ein. Wir lassen die Launen und Angewohnheiten die sich diese Kolleginnen und Kollegen im Laufe ihres langjährigen Umgangs mit ihren ganz speziellen Gästen, darunter Filmstars, Staatspräsidenten, Könige, CEOs und Milliardäre, angewöhnt haben mit einem Lächeln über uns ergehen. Anders würden wir es schmerzlich büssen. Ich habe diese Erfahrung selber nicht machen müssen, was wohl für meinen Umgang mit den Mitarbeitern spricht, sich aber leider auch im über die Jahre etwas grösser gewordenen Body Mass Index niederschlägt. Aber man hört so doch die eine oder andere Story, dass es auch kärglicher zugehen kann. Das heisst aber natürlich nicht, dass alle schlanken Piloten Krach mit den First Class Galley Flight Attendants haben. Schaffhausen ist im Moment also sehr präsent im Menüplan, im Weinangebot und im Werbefilm der vor dem Start abgespult wird. Und Schaffhausen setzt sich sehr gut in Szene. Einladend lächelnd begrüsst André Jäger auf dem Konterfei beim aufschlagen der Speisekarte. Das stachelt mich wiederum an mein iPhone zu zücken und das Foto von mir an der Seite des begnadeten Kochs vorzuzeigen um mindestens einmal meiner fliegenden Küchenchefin zu zeigen, dass auch der Chauffeur vorne links einen Promi kennt. Die Vorspeisen sind delikat, der Hauptgang super. Mein Favorit ist Rehmedaillon im Wildjus mit Schnupfnudeln und pochiertem Apfel mit Preiselbeerkompott. Aber auch Heilbutt in der Folie mit fernöstlichem Touch schmeckt vorzüglich. Man könnte sich tatsächlich an die Fischerzunft gewöhnen. Hmm dieser Tonkabohnen Pannacotta. Um nicht Abhängigkeit oder gar Sucht aufkommen zu lassen, lasse ich mir zwischendurch eine ganz gewöhnliche instant Suppe aus dem Beutel brauen. Natürlich der Schaffhauser Küche treu bleibend aus dem Hause Knorr. Die ganz guten Flight Attendants peppen diese sogar auf mit etwas Worcester Sauce, einem Spritzer Tabasco und einem Rahmhäubchen. Soweit die gute bewährte Bordküche. Es ist übrigens kein Gerücht, die Piloten essen nie dasselbe. An den Destinationen selber sieht es dann etwas anders aus. Jahrelanges systematisches Training mit einheimischen Speisen zahlt sich aus. Früher war Karachi die Eichstation für Neulinge. Nach dem obligaten Segeltörn mit Captain Ali, der auch gleich noch in der Pfanne, die er jahrelang mit demselben immer dunkler werdenden Lumpen auswischte, kochte und die von uns aus dem Quecksilber und Öl haltigen Wasser gezogenen mit Schwermetallen beladenen Krabben zubereitete, härtete man sich ab mit nachfolgendem andauernden Dünnpfiff. Mit etwas Glück, Immodium sei Dank, hatte man diese Phase nach dem folgenden Peking Flug überwunden um dann in Bangkok den nächstes Härtetest zu bestehen mit einer mit Pfefferschotten und Lemon Gras angereicherten Thai Suppe mit allerlei Getier darin. Die Bekämpfung allfälliger Beschwerden war immer gleich, viel Bier und ähnliches. In Karachi war das Problem aber wie diese Medizin ins Land bringen. Aber auch da war die Anleitung überliefert. Bestechen der muselmännischen Zollbeamten mit Bier oder Stärkerem, natürlich gut getarnt. Erfahrungsmässig war dieses erprobte Immunisierungsverfahren nach dreimaliger Wiederholung erfolgreich. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel, einige leiden lebenslang.