Zum Nachdenken über Unterschiede zwischen Swissair und anderen Airlines gebracht hat mich ein Weihnachtsgeschenk: das Buch „Über den Wolken“. Es ist kein Buch zu meiner gleichnamigen Kolumne, sondern die vor wenigen Wochen erschienene Autobiografie von Regula Eichenberger „Über den Wolken - mein Leben zwischen Himmel und Erde“. Ein eigenes Buchprojekt habe ich zwar im Kopf und müsste dann den Titel mit Regula teilen. Das Buch ist die Geschichte der ersten Linienpilotin der Schweiz. Es liest sich äusserst spannend und hat mir vor Augen geführt wie ich, im Gegensatz zu ihrem steinigen Karrieren-Flug, vor vierzig Jahren in eine heile und wohlbehütete Pilotenfamilie aufgenommen wurde. Sie hatte diese Chance nicht, nur weil sie eine Frau war. Damals war das Linienflugzeug Cockpit in der Schweiz noch ausschliesslich Männern vorbehalten.
Die gelernte Lehrerin und Fluglehrerin in der Flugschule und auf dem Flugplatz ihres Vaters in Buttwil wurde von Moritz Suter in die damals junge Crossair geholt. Der ehemalige Swissair Pilot und gewiefte PR Mensch präsentierte mit ihr den Medien die erste Linienpilotin der Schweiz. Wir Swissair Piloten und unser Verband verfolgten den Aufbau der neuen Luftfahrtgesellschaft kritisch. Die zweifelhafte Piloten Selektion, die von Beziehungen abhängige Ausbildung und die schlechten Anstellungsbedingungen waren bekannt und wurden von vielen die einfach den Traum vom Fliegen verwirklichen wollten akzeptiert. Schwarze Schafe trugen zum schlechten Ruf bei. Der Kapitän der seinem Copiloten zeigen wollte, dass man am Boden das Fahrwerk nicht einfahren kann und dann staunte als er sich nach dem Bedienen des Hebels einen Meter weiter unten mit dem Flugzeugbauch auf dem Boden befand. Oder die Landung in Italien wo die Piloten meinten sie sässen planmässig im Wallis. Aus solchen Geschichten, Gerüchten, Zwischenfällen und Unfällen entstand das Bild einer Zweiklassen Pilotengesellschaft das sich bis heute gehalten hat.
Als Frau vier Jahre zu früh
Dieser Ruf tat vielen seriösen und begabten Kollegen und Kolleginnen der rasch wachsenden Kurzstrecken Airline, die einfach nicht die Möglichkeit Swissair hatten, unrecht. In ihrem Buch bestätigt Regula den selbstherrlichen, willkürlichen und unterdrückenden Führungsstil mit eindrücklichen und erschreckenden Beispielen. Sie prangert auch generell die Ausnützung flugbegeisterter Pilotinnen und Piloten durch skrupellose Manager an. Das Buch führt eindrücklich vor Augen, dass es keine Selbstverständlichkeit sondern ein grosses Privileg war bei Swissair und später Swiss eingebunden zu sein wo Karriere, Anstellungssicherheit, Einkommen und Flugsicherheit transparent, fair, vorhersehbar und gesichert waren, gestützt durch den starken Verband AEROPERS.
Regula hatte das Zeug zur Linienpilotin aber war einfach vier Jahre zu früh für eine Swissair Anstellung. Sie verliess Crossair bald und flog für TEA, Easyjet, Balair und Belair bis zur Pensionierung. Die Zeit als anfänglich einzige Copilotin unter den 57 Crossair Piloten schildert sie als hart. Die Akzeptanz der Crossair Kollegen war eher gemischt. Die vielen Swissair Crews mit ihren Langstreckenkoffern, durch die sie sich jeweils zum Dienstausgang arbeiten musste, hätten sie meist nur stumm angestarrt. „Hie und da gab es aber auch sehr nette Swissair Piloten die mir gratulierten.“
Ein beleidigter Kapitän
Im Buch erzählt Regula Eichenberger amüsante Erlebnisse aus dem Fliegerleben. Ich stelle viele Ähnlichkeiten fest im Leben von uns damaligen Copiloten unter anderem mit zum Teil eigenen bis kurligen Kapitänen.
Ende 1991 gab ich zusammen mit dem Flight Engineer einen Jamaika Flugwunsch mit einer Woche Aufenthalt ein um den damals tatsächlich noch kalten Winter mit Wärme und Strand zu unterbrechen. Ich rief vorgängig den Kapitän an, er solle den Jump Seat im Cockpit beim wahrscheinlich vollen Balair Flug nicht Angehörigen vom Kabinen- oder Bodenpersonal versprechen denn ich würde meine Frau mitnehmen. Ziemlich ungehalten wies er mich zurecht, er habe den Flug zwar eingegeben aber noch keine Bestätigung erhalten und falls würde er seine Frau auch mitnehmen. Meine Antwort, ich könne ihm die frohe Botschaft verkünden er sei nach Montego Bay geplant und wir hätten ja zwei Jump Seats im Cockpit für seine und meine Frau machte ihn vollends hässig. Ich band ihm dann nicht noch auf die Nase, dass wir als technischer Pilot und technischer Flight Engineer der DC-10 Flotte uns quasi einen Büroflug organisiert hatten und durch die gute Beziehung zum (Schaffhauser) Crew Planer Meinrad K. einen Informationsvorsprung hatten. Als meine Frau bereits im Cockpit sass fragte ich vorsichtig wo denn seine Begleitung sei. Mürrisch kam zurück sie sei krank. In der Luft spielte sich die Unterhaltung mehrheitlich zwischen mir und dem Flight Engineer ab. Wir waren ein eingespieltes Team aus dem Büro und von Testflügen und besprachen technische Themen. Das ärgerte ihn zusätzlich, da es damals noch unüblich war, dass Copiloten Kaderfunktionen inne hatten. Nach der Landung in Montego Bay meckerte er, das sei gar kein richtiger Flugplatz. Tatsächlich schob eine Gruppe Jamaikaner gemächlich die Treppe heran, es gab keine gekühlte Ankunftshalle sondern die Passagiere mussten ihr Gepäck am Förderband am Flugzeugrumpf abholen und durch ein einfaches Tor im Maschendrahtzaun den rudimentären Zoll passieren. Dass auch er sein Gepäck, als einziger in einer Jacke schwitzend, selber holen musste, steigerte seine Laune nicht und unser freudiger Hinweis, wir seien soeben in der Karibik angelangt vermochte ihn auch nicht aufzuheitern. Pflichtbewusst informierte er die Kollegen welche das Flugzeug für den Rückflug übernahmen über das Streckenwetter, während wir eher interessiert waren an den Empfehlungen für den wöchigen Aufenthalt.
Gelungene Teambildung
Drei Tage spielte er den Beleidigten oder bedauerte vielleicht seine bessere Hälfte nicht dabei zu haben und sonderte sich von der Crew ab und verpasste tolle Ausflüge. Als wir am Strand von der Zugfahrt durch die Zuckerrohr Felder und dem Besuch der Rum Destillerie Appleton oder dem Abendessen in der Freiluftbeiz mit gegrilltem Lobster schwärmten taute er langsam auf und wurde für den Rest der Woche Teil der aufgestellten Crew. Wir wiederholten zur Feier mit ihm das Lobster Dinner unter freiem Himmel.
Eine Gemeinsamkeit mit Regula stellte ich übrigens beim lesen ihres Buchs fest: Wir beide ziehen die amerikanischen Flugzeuge, sie Boeing ich McDonnell Douglas, dem Airbus vor. „Kein Wunder wird es kompliziert und unlogisch wenn bei Airbus mehrere Länder an einem Flugzeug bauen“, schimpft sie.
Am Schluss eine Aktualität. Pele, die Lichtfigur vieler Brasilianer, ist tot. Ich hatte ihn im Cockpit in Sao Paulo.