Evakuieren von Flugzeugen, Krisengebieten und das Befinden eines Katastrophenhelfers
Wenn Flugzeug Besatzungen diesen Ruf hören, schnellt der Puls in die Höhe. Jetzt zählt nur noch, alle so schnell es geht aus dem Flugzeug zu schaffen, nach einem dutzende Male eingeübten Drill. Wenn die Piloten auf dem Boden eine Notsituation feststellen wie Feuer, Explosionen oder Fahrwerkkollaps, leiten sie die Evakuation des Flugzeugs ein, so wie es im Simulator zweimal jährlich geübt wird. In drei Notfallsituationen muss drillmässig sofort reagiert werden und die Zeit reicht nicht, um Checklisten zu benutzen, wie sonst vorgeschrieben.
Evakuieren des Flugzeugs, sofortiges Sinkflug Einleiten nach einem Kabinen Druckverlust in grosser Höhe und vertikales Ausweichmanöver wegen eines anderen Flugzeuges oder Boden Annäherung gemäss dem Befehl des Kollision Warninstruments. Letzteres hätte vor dem Zusammenstoss über Überlingen befolgt werden müssen. Bevor die Piloten den Befehl zum Verlassen des Flugzeugs „EMERGERNCY, OPEN SEAT BELT, EVACUATE - Notfall, Sitzgurte öffnen, evakuieren“ geben setzen sie die Parkbremse, stellen die Triebwerke ab, lösen allenfalls die Triebwerk Feuerlöscher aus und informieren den Tower. Zusätzlich drückt der Kapitän den „EVACUATION COMMAND“ Switch der einen schrillen durch Mark und Bein gehenden Dauerton im ganzen Flugzeug auslöst. Dieser Switch kann auch vom Maître de Cabin ausgelöst werden, wenn er Feuer im Flugzeug oder am Flügel bemerkt. Die Passagiere verlassen das Flugzeug über Notrutschen die beim Öffnen der Türen aufgeblasen werden. Im Falle einer Wasserung dienen die Rutschen gleichzeitig als Rettungsboote die mit Funkgeräten, Signal Utensilien, Trinkwassergewinnungsbehältern und mehr ausgerüstet sind. Marketingleute und Flight Attendants hören es nicht gerne: Ein guter Kabinenservice ist zwar wichtig aber für uns Piloten ist es viel wichtiger, dass die Flight Attendants nach einem langen Nachtflug fit und in der Lage sind das Flugzeug im Notfall mit gegen dreihundert Passagieren rasch zu evakuieren. Das wird regelmässig im Mockup im Schulhaus geübt inklusive der Mutprobe aus grosser Höhe auf das Slide, die Notrutsche, zu springen. Der Flugzeug Hersteller muss, bevor das Flugzeug zugelassen wird, die Evakuation mit der gewünschten maximalen Anzahl Passagiere demonstrieren ohne dafür Sportler zu nehmen. Ist eine Türe oder Notrutsche defekt, wird die Anzahl Passagiere entsprechend reduziert. Ärger und Unverständnis der Passagiere die wir stehen lassen mussten in Bangkok waren riesig als wir eine Türe sperren mussten da sie nicht repariert werden konnte vor Ort. Links und rechts im Cockpit hat es übrigens ein Escape Rope (Seil) um sich aus dem Cockpit Fenster heraus abseilen zu können. Selbstverständlich verlässt der Kapitän das Cockpit nicht durchs Fenster sondern vergewissert sich persönlich als letzter, dass niemand mehr an Bord ist. Der Sicherheitschef im Bundeshaus sagte nach der kürzlich erfolgten Evakuation selbstgefällig: „Die Evakuation ist nicht so schlecht gelaufen“. Not qualified (nicht erfüllt) und nachsitzen, würde es bei unseren periodischen Checks heissen. Personen wurden vergessen und wurden nicht entsprechend informiert. Munot und Schaffhauser Kantonsratssaal würden von Luftfahrt Behörden übrigens kaum zertifiziert wegen ungenügender Evakuationsmöglichkeit bei Grossveranstaltungen und Sitzungen.
Evakuationen aus Krisengebieten
Krieg und Naturkatastrophen sind für Flugzeugbesatzungen eine grosse Gefahr. Es wird nicht gerne gehört, aber Krisengebiete bedeuten oft Business. Airlines haben deshalb grosses Interesse möglichst lange Krisengebiete oder Flugplätze in der Nähe anzufliegen und nach der Krise möglichst rasch wieder die Operation aufzunehmen wie im ersten Golfkrieg. Man staunt, wie plötzlich Geschäftsleute, Politiker und Lobbyisten die Touristen als Passagiere ablösen. Es ist auch ein Poker um politischen Goodwill zu schaffen und sich Lande- und Überflugrechte zu sichern wenn der Konflikt beendet ist. Es kann auch sein, dass Crews selber evakuiert werden müssen wie es Kollegen in Japan und Kinshasa und mir selber in Abidjan passierte. Linienflugzeuge spielen eine wichtige Rolle für Evakuationsflüge von Landsleuten, Hilfsorganisationen, Angehörigen von Drittstaaten, bedrohten Personen sowie Gefangenen Austausch. Auf einem USA Flug hatten wir Särge von Soldaten an Bord. Bis sie ausgeladen sind bleiben Besatzung und Passagiere sitzen – still ohne zu murren. Der Luftraum über Kriegsgebieten wird mittlerweile wegen den hochreichenden Waffen grossräumig umflogen. Noch im Irak und Afghanistan Konflikt sind wir in grosser Höhe über diese Länder geflogen Allerdings mit einem mulmigen Gefühl wenn es unten blitzte. Aber koordiniert und informiert durch amerikanische Fluglotsen welche die Lufthoheit kontrollierten. Bei Naturkatastrophen leisten Airlines gute Dienste indem sie Rettungsteams und Hilfsmaterial einfliegen wie gerade in die Türkei. Es kann aber ebenfalls zur Evakuation von Crews kommen wenn der Flugplatz nicht mehr benutzbar ist. In Los Angeles habe ich eine Evakuation und eine Nichtevakuation im Hotel erlebt. Als ein Brandmelder losging wurde das ganze Hotel evakuiert und die Gäste draussen versammelt bis die Ursache klar war. Der Bundeshaus Sicherheitsdient könnte davon lernen. Im anderen Fall bebte die Erde ziemlich stark. Über die Zimmerlautsprecher wurden wir aufgefordert im Zimmer zu bleiben vorsichtshalber unter dem Tisch oder im Türrahmen stehend. In L.A. sind im Gegensatz zur Türkei die Vorschriften betreffend Erdbeben Sicherheit eingehalten worden und die Hotels auf Rollen gelagert. In Miami wurden wir während dem Hurrikan Wilma ebenfalls angewiesen die Zimmer zu evakuieren da das ganze Hotel schwankte. Sammelplatz waren Lobby und Shelter (Zivilschutzraum). Interessanterweise war die Nottreppe gesperrt und die Aufzüge mussten benutzt werden. Diese seien extra für Sturm und Erdbeben zugelassen.
Aufreibender Einsatz in Katastrophen
An einem Strandkonzert in Miami erfuhr ich wie fordern der Einsatz in Katastrophen ist. Mein Sitznachbar füllte ständig seinen Becher in der Tasche zwischen den Beinen und bot mir auch einen an. Ich wollte nicht unhöflich sein. Uii, ziemlich stark. Captain Morgan Spiced mit Eis und Seven Up. Der FEMA Angehörige, der von Jimmy Carter gegründeten Bundes Katastrophen Organisation, schilderte seinen letzten Einsatz im Erdbebengebiet Haiti. Er unterbrach die mit erlebten menschlichen Schicksalen unter die Haut gehende Schilderung der Einsätze in Krisengebieten um eine neue Rumflasche im Hotel nebenan zu holen. Fast entschuldigend meinte er, Musik und Rum seien seine Ablenkung von schrecklichen Bildern vor dem nächsten Einsatz und zeigte mir Fotos von Tochter, Enkeln, Ex Frau und der Band wo er Schlagzeuger war. Trotz zwei Flaschen Rum erkannte er mich am Sonntagmorgen wieder und wir plauderten über Angenehmeres.