Der Song „Skandal im Sperrbezirk“ von der Spider Murphy Gang erinnert mich immer an die Umschulung auf den Langstrecken Jet MD-11 in den neunziger Jahren. Mein Kapitän und ich als damaliger Copilot, hatten den Theorieteil und die Simulator Einführung mit allen Prüfungen hinter uns und freuten uns riesig auf den ersten Streckenflug. Vorerst unter Überwachung eines Streckenfluglehrers auf dem hinteren Sitz. Für Ausbildungsflüge waren Afrika Destinationen wegen ihrer Komplexität beliebt. Sie ermöglichten mehrere Landungen und im mehrnächtigen Aufenthalt blieb Zeit für Theorie, Berechnungen und Besprechung von Besonderheiten auf dem neuen Flugzeugtyp mit dem erfahrenen Fluglehrer. Da wir als mehrjährige DC-10 Piloten nicht ganz unerfahren waren, Afrikaflüge zur Genüge kannten und der Checkpilot nur wenig länger auf dem neuen Flugzeugtyp war als wir, freuten wir uns eher auf eine erholsame Zeit in Brazzaville mit Ausflügen an den Kongo, Relaxen am Pool, Apero und Nachtessen mit der Crew.
Wir folgten deshalb der Aufforderung unseres Fluglehrers nicht gerade euphorisch uns um vier Uhr mit Flugunterlagen in seiner Hotel Suite einzufinden. Wie von uns erwartet meldeten wir uns aber pünktlich, beladen mit diversen Handbüchern, Checklisten, Flugkarten und der Jeppessen Rechenscheibe. Strahlend begrüsste uns Kapitän H.S bei überlauter Deutsch sprachiger Rockmusik im Hintergrund. „Skandal im Sperrbezirk – Skandal um Rosi“ schien einer der Lieblingstitel unseres Kollegen mit Bayerischen Wurzeln zu sein. Strahlend holte er eine Whisky Flasche hervor, die damals noch zur täglichen Ausstattung der Kapitänssuite gehörte und wir hörten uns zusammen ab seiner Ministereoanlage seine Lieblingsmusik an und sprachen über alles nur nicht den MD-11. Um sechs räumte er die Whisky Flasche weg und der Rest der Crew rückte zum Apero auf und liess sich ebenfalls von „Skandal im Sperrbezirk“ berieseln zu Bier und Cola. Dasselbe Prozedere am zweiten Tag. Beim dritten Treffen liessen wir allerdings Handbücher und Unterlagen im Zimmer da wir sie zum ritualen gemütlichen Zusammensein definitiv nicht benötigten. Beim Austausch von Fliegerlatein konnten meine beiden erfahrenen Kollegen aus dem Vollen schöpfen. Der bayrische ehemalige Starfighter Pilot schwärmte von der hohen Geschwindigkeit. Mein Azubi-Kollege war in seiner Militärpilotenzeit auf dem Skandal Flieger Mirage ebenfalls rassig unterwegs, und ich wurde immerhin, wie im Bild zu sehen, von einer Mirage im MD-11 begleitet.
(Skandal-) Luftfahrtgeschichte
Vor zwanzig Jahren löste der F/A18 die Mirage ab. Eine Maschine wurde weiterhin privat betrieben und führte nicht ganz billige Passagierflüge durch. Diese letzte in Europa noch fliegende Mirage III wird Ende Mai zu ihrem Letztflug starten. Fehlende Ersatzteile vor allem für das Triebwerk machen das vom Luftamt angeordnete endgültige Grounding nötig. Die Beschaffung vor knapp sechzig Jahren endete in einem Finanzskandal, führte zur ersten PUK im Bundesparlament und Verteidigungsminister Paul Chaudet, der Generalstabchef und der Kommandant Luftwaffe mussten zurück treten. Zu den Piloten der ersten Stunde gehörten zwei Schaffhauser. Die UeG Berufspiloten Ernst Bolli und Hans „Mex“ Hürlimann flogen das neue Flugzeug als erste und wurden mit der Einführung beauftragt. Seinen Letztflug als Militärpilot und zugleich mit seiner Mirage absolvierte Mex (Cerevis im Kantonsschulturnverein KTV) Hürlimann vor genau dreissig Jahren, erzählte er mir kürzlich unter der aufgebockten Mirage vor dem Restaurant Runway 34 am Flughafen Kloten. Es war ein angeregter Austausch gemeinsamer Erlebnisse mit Reto Seipel. Der Edelweiss Kapitän initiierte und baute das Restaurant Konzept während dem skandalösen Swissair Grounding auf und führt es seither mit diversen Erweiterungen wie Flugsimulatoren und Events erfolgreich. Mex war sein Mirage Fluglehrer und ich war mit ihm mit der DC-10 und MD-11 unterwegs. Nicht nur Flugzeugbeschaffungen sind oft von massiven Kostenüberschreitungen und Skandalen begleitet sondern auch andere öffentliche Grossprojekte wie Polizeigebäude, Spitalbauten oder Umstrukturierungen. Auch bei der Beschaffung von Passagierflugzeugen kann es rumoren, nur bezahlen nicht die Steuerzahler dafür. Es geht um riesige Investitionen und grosse Betriebskosten. Der Druck wenig Treibstoff zu verbrauchen etwa kann die Auswahl unausgereifter Triebwerke provozieren und ein Teilgrounding ganzer Flotten zur Folge haben. Es war jeweils auch aufschlussreich zu sehen, ob die Entscheidungsträger für den Flugzeug- und Triebwerkeinkauf ihren Geschäftsreisen gerade noch offerierte Skiferien in Colorado oder Badeferien in der französischen Karibik anhängten. Samt Familie versteht sich. Weshalb die nicht in die damalige Flotte passenden Fokker F100 von Swissair gekauft wurden wurde nie ganz klar. Einige konnten wir dann dem Scheich von Brunei überfliegen.
Skandal im Flugbezirk
Eben kein Sperrbezirk wie im Lied besungen sondern Tor zur Welt sollte der Flughafen sein. Wir haben immer über die US Flughäfen mit den langen Warteschlangen gelästert oder die technologisch und organisatorisch nicht so durchgestylten Flugplätze in Afrika oder Südamerika belächelt. Die Situation mit enormen Warteschlangen und Wartezeiten am Flughafen Kloten sind ein Skandal und der Schweiz unwürdig. Vor vielen Jahren habe ich an einem Meeting betreffend den einseitigen Deutschen Beschränkungen im Anflug auf Kloten die Schweiz als aviatisches Entwicklungsland vorgestellt. Die Regierungsräte Rita Fuhrer (ZH) und Erhard Meister (SH) machten grosse Augen und wollten Fakten. Geändert hat sich bis heute wenig. Das Pistensystem in Kloten ist mit Kreuzungen nicht optimal. Bauliche Massnahmen haben politisch keine Chance. Verbesserungen die im An- und Abflugregime durchaus machbar wären werden bereits im Keim erstickt aus Angst es werde mehr geflogen oder man könnte Wähler Stimmen verlieren. Der Flugverkehr nimmt trotzdem zu, die Flugzeuge bringen mehr Passagiere und die seit Jahrzehnten diskutierte Vereinfachung der Luftraumkontrolle in Europa und der Schweiz konnte immer noch nicht realisiert werden. Damit werden die Wartezeiten am Boden und in der Luft noch grösser und es wird sinnlos Kerosin verbrannt. Die restliche Aviatik Welt, speziell USA und Fareast, hat unter Zuhilfenahme der technologischen Entwicklung hingegen riesige Fortschritte gemacht.
Den von den Deutschen Jungs besungenen Sperrbezirk hatten wir im Aufenthalt in Rio jeweils vor der Hoteltüre. In der Gartenbeiz „Mabs“ trafen sich die Crew Mitglieder. Es war äusserst spannend zu beobachten was sich völlig unskandalös zwischen den männlichen Touristen und auch Einheimischen beim Feierabendbier und den vielen Copacabana Rosis anbahnte. Der dort einmal im Jahr Ferien machende bekannte Zürcher Staatsanwalt erklärte uns, dass locker hundert Jahre Gefängnis um uns herum sitzen würden. Er konnte genau schildern, was Jean-Pierre, der in einer Berner Bauunternehmung eine halbe Million unterschlagen habe oder den Bodensee Charly, in der Schweiz erwarten würde. Dass Brasilien diese nicht ausliefere sei zu akzeptieren, prostete er dem einen oder anderen sogar zu.
Skandal im Gerichtsaal
Kürzlich sprach ein Gericht Flugzeughersteller und Airline frei beim Absturz von AF-447 von Rio nach Paris im Jahr 2009. Das ist für Piloten und Techniker schwer verständlich. Dabei ist nicht nur das Urteil sondern das ursächliche Verhalten der Herstellerfirma und der Airline ein Skandal. Das Problem der vereisenden Geschwindigkeitssensoren war seit langem bekannt. Erst nach langer Untätigkeit gab der Hersteller ein sogenanntes Service Bulletin heraus mit der Empfehlung die Sensoren zu wechseln. Das wiederum wurde auf der abgestürzten Maschine nicht gemacht. Die Piloten wurden nicht auf ein mögliches Problem aufmerksam gemacht was gerade für eine Südatlantik Überquerung mit den typischen riesigen Gewitterzellen mit grosser Vereisungsgefahr wichtig gewesen wäre. Zum Zeitpunkt des Absturzes waren zudem wenig erfahrene und offenbar schlecht ausgebildete Piloten am Steuer die mit den aufgetretenen Fehlanzeigen nicht zurechtkamen und das Flugzeug nicht mehr kontrollieren konnten. Wir haben das Szenario im Simulator nachgeflogen. Für erfahrene Piloten, die gelernt haben, schwierige, ungewohnte und unerwartete Zusammenhänge zu verstehen und trainiert sind, mit wenigen aber entscheidenden Anzeigen ohne Automatik zu fliegen, wäre es möglich gewesen, das Flugzeug unter Kontrolle zu bringen und den Flug sicher fort zu setzen - und einen Absturz zu vermeiden.