Temperatur und Luftdruck beeinflussen Flugleistung

Geschrieben von Markus Müller

Ein heisser Sommertag, der Wind von der falschen Seite, auf der Reiseflughöhe starke Gegenwinde oder Gewitter vor dem Start oder an der Destination. Da kann es durchaus passieren, dass eine Zwischenlandung notwendig ist, um nachzutanken, Fracht oder Gepäck ausgeladen werden muss oder sogar Passagiere nicht mitgenommen werden können. Das Problem liegt beim Start, bei welchem es um Physik und Aero-dynamik geht. Die Luftdichte ist ausschlaggebend, wie schwer das Flugzeug sein darf beim Start, um abheben zu können, und welche Pistenlänge dazu benötigt wird. Ihr zugrunde liegt die Gas-Gleichung. Mit abnehmendem Luftdruck (schlechtes Wetter) und bei zunehmender Temperatur nimmt die Luftdichte und damit der Auftrieb, der das Flugzeug fliegen lässt, ab.

Damit und mit dem Wind auf der Startpiste, dem Pistenzustand (trocken, nass, Aquaplaning, Schnee, Eis oder Pflotsch), der verfügbaren Pistenlänge und den Hindernissen nach dem Start werden vor jedem Start mittels Tabellen das maximal mögliche Abfluggewicht, die zu setzende Startleistung der Triebwerke sowie die Geschwindigkeiten, bei welcher der Start abgebrochen werden muss oder noch kann und die Abhebe- und Ausfluggeschwindigkeit festgestellt. Die Abhebegeschwindigkeit ist meist um die 300 km/h. Interessant ist, dass ein Porsche 956 mit seiner Aerodynamik, die ihn am Boden halten soll, bei 321,4 km/h an der Decke fahren könnte. Fracht ausladen oder Passagiere stehen lassen muss man aber nicht – wie letztlich geschrieben – wegen des Klimawandels, sondern auf sehr heissen oder hoch gelegenen Flugplätzen wie Bangkok, Sao Paulo oder Johannesburg. Oder man wartet, bis es am Abend kühler wird.

Richtige Wetterdaten zwingend

Zum Glück macht nicht das Schweizer Fernsehen die Wettervorhersage für die Fliegerei, sondern Flugwetterspezialisten von Meteo Schweiz. In der Flugvorbereitung informieren sich die Piloten selber an den Bildschirmen und mit Unterlagen aus dem Drucker über das Wetter am Abflugort und der Destination sowie das Streckenwetter. Jederzeit kann man sich von den anwesenden Meteorologen zusätzlich informieren lassen. Bei schwierigen Verhältnissen wie Tornados, Gewitterfronten oder Vulkanausbrüchen kann dieser Austausch sehr intensiv sein. Erstaunlich ist die Genauigkeit der Daten, zum Glück im Gegensatz zu den offenbar falschen Informationen des Schweizer Fernsehens gerade die Temperatur betreffend. Wenn der durchschnittliche Wind auf einem Flug Hongkong – Zürich nur zehn Knoten (18,5 km/h) grösser ist als im Flugplan angenommen, braucht es zusätzliche zwei Tonnen Kerosin. Das heisst, bei einer Fehlprognose von 30 km/h Windgeschwindigkeit oder wenn die gewünschte Flughöhe nicht erhältlich ist, müsste wohl bereits eine Zwischenlandung mit Nachtankung eingelegt werden. Wenn nur zwei Piloten, etwa auf einem Miami-Flug, im Cockpit sind, würde wegen der Überschreitung der gesetzlichen Flugzeit zudem entweder die Besatzung kurz ins Hotel geschickt oder eine neue Besatzung eingeflogen – mit entsprechend hohen Kosten für Hotelunterbringung der Passagiere. Die Genauigkeit der Wind- und Temperaturvoraussage in grosser Höhe ist erstaunlich gut in Anbetracht starker Schwankungen und Extremwerten und basiert auf Daten von Wetterballons und der Auswertung vieler Flugzeuge in der Luft. Kurzfristig hatte ich auf einem Nordatlantikflug Wind mit 210 Knoten (389 km/h) auf die Nase. Der Rückflug von Los Angeles war mit 9 Stunden 31 gegenüber sonst über 11 Stunden Swissair-Rekord. Von Boston hatten wir ebenfalls eine extrem kurze Flugzeit. Allerdings war es extrem ruppig und wir untersagten der Kabinen-besatzung jeglichen Service bis auf die Höhe von Paris. Ihre Arbeit bestand vor allem im Einsammeln der gefüllten Papiersäcke der Passagiere. Essen mochte keiner mehr. Sie brachten es aber fertig, uns trotzdem zu verwöhnen, denn wir hatten Appetit im Cockpit. Teilweise konnten wir in den Turbulenzen kaum die Instrumente ablesen. Das Flugzeug ging nach der Landung direkt in den Hangar zur Kontrolle, da diverse Lastüberschreitungen aufgezeichnet wurden. Durch die dichte Belegung des Luftraums war kein Ausweichen möglich.

Für lokale Wetterphänomene gibt es neben dem Austausch mit Kollegen in der Luft und der Bodenkontrolle mit dem Wetterradar und dem Windscher-Warngerät zwei wichtige Warnsysteme. Mit einem defekten Wetterradar darf man nur abfliegen, wenn mit Sicherheit nicht mit Gewittern gerechnet werden muss. Das ist auf Langstreckenflügen kaum der Fall und kann im Ausland zu massiven Verspätungen führen, wenn kein Ersatzgerät vorhanden ist. Der Wetterradar detektiert nur Feuchtigkeit in der Luft, nicht aber gefährliche Windscherungen oder Abwinde. Der warnenden künstlichen Stimme «windshear – windshear – windshear» war ich im Anflug auf Genf sehr dankbar. Der Airbus, im Gegensatz zu den amerikanischen Herstellern, eher von und für Ingenieure als für Piloten gebaut, bockte im Sturm, der über die Schweiz tobte, wild herum. Wir brauchten alles, um die Maschine zu kontrollieren im Landeanflug, bis die eindringliche Warnung losging. In der Situation darf nicht überlegt oder hinterfragt werden, sondern es heisst sofort die Gashebel nach vorne und die Nase hoch und ein Durchstartmanöver einleiten. Wir entgingen dem sogenannten kaum voraussehbaren Downdraft (Abwind) nach der Beobachtung eines Tankstellenbesitzers ziemlich knapp.

Technik vor Gefühl

Wenn man in der Nacht am Start steht und mit dem Bordradar den Ausflugsektor nach Gewitterwolken absucht, braucht es grosse Erfahrung, aber auch Zutrauen zu den Instrumenten. Wenn man dem wichtigsten Instrument, dem künstlichen Horizont, nicht blindlings vertraut, sondern auf sein Gefühl und die leider falsche Signale aussendenden Gleichgewichtsorgane baut, wird man besser nicht Pilot. Im Cockpit läuft vieles mit Checklisten, vorgeschriebenen Abläufen und Drill ab. Piloten brauchen zwar grosses Wissen und Verständnis der physikalischen Zusammenhänge und der Systeme, aber sie dürfen daraus keine eigenen Prozedere kreieren oder sogar verbreiten. Der Flight-Management-Computer gibt im Flug in jeder Flugphase die zu fliegende Geschwindigkeit vor, um möglichst wenig Treibstoff zu verbrauchen. Es gibt immer wieder Piloten, die behaupten, wenn sie schneller fliegen, sei die Anströmung besser und der Flug ökonomischer. Völliger Blödsinn und in unzähligen Messflügen widerlegt. Schneller fliegen ist lässig und nicht gefährlich, aber es kostet – ausser es besteht ein Grund dazu, etwa um vor der Flugplatzschliessung zu landen. Abstruser wurde es auf der DC-10, als ein Luftwaffenoberst und studierter Physiker – der dadurch für gewisse Nachahmer-Piloten offenbar glaubhaft war – behauptete, man könne Kerosin sparen, wenn man das Triebwerk im Schwanz stark reduziere im Reiseflug, da es durch die Anstellung Widerstand hervorrufe. Ihn selber konnten wir nicht überzeugen, aber mindestens seine Anhänger, dass McDonnell Douglas genau das mit der Triebwerkaufhängung kompensiert im Reiseflug. Heikler war es, als ein Kapitän begann, manuell im Flug zusätzlich Kerosin in den Tank im Schwanz zu pumpen. Der Computer in modernen Flugzeugen steuert die Tankpumpen tatsächlich so, dass immer die optimale Menge, bis zu sechs Tonnen, hinten ist, um Schwerpunkt und Anstellwinkel zu optimieren. Ist der Schwerpunkt aber zu weit hinten, wird es gefährlich bis zur Unsteuerbarkeit. Der Computer befiehlt deshalb, sobald etwas nicht stimmt und zwei Stunden vor der Landung alles Kerosin nach vorne in die Flügeltanks. Der Kapitän wurde wegen Uneinsichtigkeit in die Frühpension geschickt. 

 

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