Zu Beginn meiner fliegerischen Karriere war die Fliegerei in der globalen politischen Situation kompliziert. Die Grenze zur DDR war heilig. Kam man ihr zu nahe, wurde der Fluglotse nervös und gab eindringliche Anweisungen, sofort weiter westlich zu fliegen. Wir unsrerseits achteten darauf, dass die Anzeigenadeln der damals noch nicht sehr genauen analogen Navigationsinstrumente immer deutlich auf der dem Osten zugeneigten Seite umkippten. Flüge hinter den Eisernen Vorhang wie nach Berlin, Warschau oder als besonderes Highlight Moskau waren nur ausgewählten Airlines erlaubt auf definierten starren Flugkorridoren ohne Abkürzungsmöglichkeiten.
An den Luftraumgrenzen musste vom amerikanisch geprägten Masssystem Meilen und Fuss auf das in den Oststaaten und in China übliche metrische System gewechselt werden, was den Flug nochmals hektischer machte. Bereits entspannter waren Flüge nach Budapest oder Prag. Mit dem Mauerfall wurde plötzlich alles anders und viel einfacher. Man konnte Japan direkt via Sibirien anfliegen, ohne Umweg über den Nordpol mit Zwischenlandung in Alaska. Es ging aber auch etwas vom geheimnisvollen unheimlichen Flair verloren bei der Übernachtung im staatlichen Moskauer Intourist Hotel. Die Anstandsdame auf der Hoteletage, von der wir nie so recht wussten, ob sie vom KGB war, verschwand. Es gab im Restaurant plötzlich von allem zu essen. Nicht mehr nur Borschtsch-Suppe, Kaviar und Wodka. Auf dem Weg zum roten Platz schossen Läden mit westlichen Designer-Produkten aus dem Boden und Mc Donald’s machte sich wie überall auf der Welt breit. Jetzt ist diese «Episode» wieder vorbei. Niemand fliegt mehr nach Russland und über Russland. In kurzer Kadenz beeinflussen auch andere Konflikte wie Iran, Irak, Afghanistan, Syrien, Libyen, in jüngster Zeit Afrika und aktuell der mittlere Osten die Luftstrassen und zwingen zu grossen Umwegen.
Wunschdestination Caracas
Mein absoluter Lieblingsflug und der meiner Familie, die mehrmals mitreiste, war der nur einmal die Woche stattfindende Swissair-Flug nach Caracas. Wir hatten jeweils eine volle Woche Aufenthalt. Das Hotel an der Playa Macuto war fantastisch und direkt am Meer. Die Nachtessen unter dem freien Himmel wurden von Live-Merengue-Musik begleitet. In einer Stunde Taxifahrt gelangte man in die hoch gelegene Stadt mit den historischen Bauten und vielen Shops. Ausflüge der Küste entlang auf die diversen Inseln oder in den Urwald waren beliebt. Der Flug in der Karibik war ein Abbild der damaligen geopolitischen Lage. Auf den Fluginformationen wurde auf das Kabel des Fesselballons in über zehn Kilometer Höhe hingewiesen, mit dem die USA südlich von Key West den Erzfeind Kuba beobachteten. Es wurde davor gewarnt, in den kubanischen Flugraum einzufliegen, da mit einem Abschuss gerechnet werden müsse. Das hat sich mindestens entspannt und Kuba kann problemlos angeflogen werden. Hingegen hat sich das damals paradiesische Venezuela völlig isoliert. Enorm gefährlich geworden, mit grosser Kriminalität und Korruption, fliegt mittlerweile fast niemand mehr dorthin. Ein Freund, Besitzer einer grossen Rinderfarm, schilderte mir kürzlich seinen Alltag. Die Familie hat er in die USA geschickt. Nach Sonnenuntergang verlasse niemand mehr die Farm wegen Entführungsgefahr und drei Viertel des Erlöses aus den Rindern müsse vor dem Abtransport an Polizei und Behörden entrichtet werden.
Jetzt ist auch Tel Aviv vorbei
Die Tel Aviv Flüge mit Übernachtung waren beliebt bei den Flight Crews, obwohl die Aufenthalte in den letzten Jahren kurz waren. Man traf morgens um vier Uhr im Hotel ein, um bereits um drei Uhr am nächsten Morgen wieder auf den Flugplatz zu fahren. In früheren längeren Aufenthalten machten wir Ausflüge ins Landesinnere oder nach Jerusalem. Taxifahrer Ali wartete jeweils und bot seine Ausflugsangebote an. Tel Aviv war bis vor zwei Wochen eine pulsierende Stadt mit vielen jungen Leuten, die vierundzwanzig Stunden lebte. Der Strand und das warme Meer direkt vor unserem Hotel waren verlockend. Am Abend boten die Strandrestaurants eine grosse internationale Verpflegungsauswahl an. In unseren Flugvorbereitungsunterlagen wurden wir davor gewarnt, Orte mit grossen Menschenmengen wegen Bombenattentaten zu meiden. Tatsächlich explodierte kurz vor einem unserer Flüge eine Bombe in einer Stranddiscothek. Die sonst schon rigorosen Sicherheitsmassnahmen wurden noch mehr verstärkt mit Polizei- und Militärpräsenz und Kontrollen. Beim Betreten des Hotels oder grösserer Shoppingcenter muss man immer eine elektronische Schleuse passieren und jedes Gepäckstück wird durchleuchtet. Insbesondere der nahe unserem Hotel gelegene Carmel Markt sollte gemieden werden. Daran habe ich mich jeweils als Markt-Liebhaber und in Anbetracht dessen, dass er eine lange Strasse umfasst, nicht gehalten. Der seit 1920 bestehende Markt fasziniert mit Gerüchen, Lärm, Marktständen mit Früchten, Gewürzen, Bekleidung, Elektronik und Kunstgegenständen und einer internationalen Menschenmenge.
Strenge Sicherheitskontrollen
Das Sicherheitsgefühl auf Israelflügen ist gross. Nirgends sonst wird der Luftverkehr und der von einer grossen Sicherheitszone umgebene Flugplatz so streng überwacht. Die Operation im Luftraum über dem östlichen Mittelmeer zwischen Griechenland, Türkei, Zypern, Libanon und Israel ist für die Piloten anspruchsvoll. Es beginnt bereits, wenn man in den zypriotischen Lauftraum einfliegt. Wegen dem Zwist mit der Türkei bekommt man von den beiden Ländern keine direkte Bewilligung, die Grenzen zu überfliegen, sondern muss die vermittelnde Station «Ercan Advisory» dazu aufrufen. Die verschiedenen Kontrollzentren sprechen zwar nicht miteinander, aber hören alle zu und sind sehr schnell mit der Zurechtweisung, wenn man etwas verpasst. Gewisse Konflikte lassen sich offenbar nie lösen und flammen immer wieder auf, wie sich aktuell an allen Ecken der Welt zeigt. Schon 350 Kilometer vor dem Flugplatz (Bild) muss man «Tel Aviv Ident» aufrufen. Nach der Identifikation und der Prüfung des korrekten Flugplans erhält man dann die Einflug-Bewilligung. Beim Einreisen und dann auch wieder bei der Ausreise werden unzählige Fragen gestellt und das Gepäck wird akribisch geprüft. Bei der Fahrt zum Flugplatz wird man weit ausserhalb bereits von der ersten schwer bewaffneten Sicherheitskontrolle angehalten. Beim Check-in wird jedes Besatzungsmitglied interviewt und die offensichtlich psychologisch geschulte Sicherheitsbeamtin will wissen, ob man Besuch hatte im Hotel und ob man den Koffer wirklich selbstständig gepackt habe oder, wenn nicht, wer ihn gepackt hat. Zu Beginn meiner fliegerischen Tätigkeit stand übrigens nicht Israel im Fokus von Anschlägen, sondern Madrid und London. Erschreckend und enttäuschend ist, dass sich die Welt unter den Flügeln nach hoffnungsvollen Jahren wieder verschlechtert. Es ist an gewissen Destinationen tendenziell auch gefährlicher geworden, sich ausserhalb des Hotels zu bewegen. Wichtig ist, auf der Hut zu sein und sich bei der lokalen Bevölkerung zu erkundigen. Ich habe nur einmal erfolgreich Pfefferspray einsetzen müssen in Rio. Seit das Mitführen verboten ist, habe ich eine kleine Dose Haarspray auf Anraten des ehemaligen Schaffhauser Kripochefs dabei.