Ein Flug beinhaltet viele Herausforderungen und jeder Flug ist anders. Er kann höchste Anspannung und Konzentration verlangen und alles Können und die ganze Erfahrung der Piloten abrufen. Er kann aber auch reine Routine und einfach nur schön sein. Nach der Landung steigt man fröhlich, erleichtert, nachdenklich oder auch mal nudelfertig aus.
Und was macht man dann? Was Flugbesatzungen in ihrer Freizeit im Ausland machen, werde ich oft gefragt. Sie sind eine Schicksalsgemeinschaft solange die Flugzeugtüren geschlossen sind, mit klaren Hierarchien.
Es ist deshalb nur verständlich, dass sie auch im Aufenthalt fern der Heimat zusammen etwa unternehmen und miteinander essen gehen. Die Verantwortung des Kapitäns gilt übrigens auch in der Freizeit und kommt bei Sorgen und Nöten von Besatzungsmitgliedern, bei zwischenmenschlichen Problemen oder bei kurzfristiger Umpositionierung der Crew an einen anderen Ort zum Tragen. Das leibliche Wohl ist wichtig zwischen den Flügen und das fliegende Personal hat dazu eine riesige Erfahrung aufgebaut. In Europa kommt es weniger zum Tragen, da man meist spät ankommt und frühmorgens zurückfliegt. Ausnahmen waren früher Genf und Basel, wo man zum Teil eine Woche stationiert war. Tatsächlich sind wir früher noch zwischen Zürich und Basel geflogen.
Wo Piloten essen gehen
In Genf war das Café Restaurant de l’Aviation besonders beliebt. In der Regel wählte man zwischen dem «Caravelle» à 180 Gramm oder dem «Super Caravelle» à 260 Gramm mit Knoblauch, Kräuterbutter, Pommes und Salat. Das Restaurant gibt es immer noch. Die Menükarte hielt aber Schritt mit der Flugzeug-Entwicklung von der Caravelle zum Airbus. Zusätzlich zum Caravelle Steak gibt es heute ein «A380» à 380 Gramm und ein «A500» à 500 Gramm.
Geblieben ist mir die erstaunliche, aber einleuchtende Diskussion mit einer Flugbegleiterin. Sie ass während vier Tagen nur vegetarisch. Im Aviation bestellte sie aber ein Tatar, rohes Fleisch pur. Ihr Arzt habe ihr geraten, alle zwei Wochen Fleisch zu essen, um den Bedarf an Eisen abzudecken. Das Ritual bei jedem Genf-Aufenthalt sei ihr mittlerweile zur Gewohnheit geworden und Tatar habe sie mittlerweile, alle zwei Wochen, ganz gern.
Wenn ich Kolleginnen oder Kollegen frage, wo sie bei ihrem letzten Johannesburg-Besuch essen waren, kommt «beim Butcher» als Antwort. Das Fleischstück, das man sich auf den Grill wünscht, kann man direkt inklusive Grösse an der Theke der integrierten Metzgerei auslesen.
Wenn man Prime Rib gerne hat, ist das Lawrys in Chicago ein Muss. Dort gibt es nur diese spezielle Art Steak. Die Bedienung zelebriert zuerst das Mischen des «Caesar Salad» am Tisch. Dann kommt sie mit dem Fleischwagen vorbei und man kann den Garzustand und die Grösse des Prim Ribs auslesen. Dazu wählt man zwischen Baked oder Mashed Potatoes.
Es geht auch einfach
Sehr gute Restaurants gibt es viele. Reinfälle sprechen sich rasch herum und werden gemieden. Interessant sind aber die einfachen Küchen und es ist spannend, sie zu entdecken. In Dar es Salaam, Tansania, fuhren wir jeweils mit einem Boot auf eine unbewohnte Insel. Es war herrlich im unberührten Meer zu schnorcheln. Die einheimischen Schiffsführer bereiteten derweil das Mittagessen vor. Sie grillierten die direkt aus dem Meer gezogenen Fische am offenen Feuer und bereiteten die Pommes mit einer mit Benzin betriebenen Fritteuse zu. Serviert wurde im Sand und es schmeckte hervorragend. Dazu gab es Kilimanjaro Bier.
In Lome, Togo, war das Restaurant Chez Alice eine gute Abwechslung zur Hotelküche. Das einfache Open-Air-Restaurant wurde von Alice, einer Berner Aussteigerin betrieben. Sie klagte uns, dass über Nacht oft alles gestohlen wurde, was nicht weggeschlossen war. Beim nächsten Besuch strahlte sie, keine Diebstähle mehr. Sie habe von einem Voodoo-Doktor überall Voodoo-Figuren anbringen lassen, die Unglück über die Diebe und ihre Familien bringen würden. Seither fehle nichts mehr. Ich habe darauf auch eine kleine Voodoo-Puppe als Glücksbringer anfertigen lassen und das etwas übel riechende Teil ständig in der Pilotentasche mitgeführt.
Heuschrecken oder McDonald’s?
Einheimisch essen hat aber Grenzen. Als meine Kollegen zu später Stunde in Bangkok Hunger verspürten und sich von einer Strassenküche frittierte Heuschrecken und Skorpione reichen liessen, konnte ich mich nicht dazu überwinden und zog den gleich gegenüber liegenden McDonald’s vor. Es ist lustiger, unterhaltsamer und oft auch sicherer, wenn die Crew zusammen etwas unternimmt. In Accra, Ghana, kamen tatsächlich alle mit zum Nachtessen ins Home Kitchen, ein sehr einfaches Restaurant mit einheimischer Kost. Nach dem Essen wurde der Wunsch geäussert nicht ins Hotel zurückzukehren, sondern eine Disco zu besuchen. Mitgegangen, mitgefangen, waren alle dabei und verschoben sich mit drei Taxis zum «Macumba», welches irgendwo völlig in der Pampa lag. Es öffnete allerdings erst um 23 Uhr und so warteten wir in der benachbarten Gartenbeiz, wo wir eine richtige Attraktion waren und sich immer mehr Leute um uns scharten. Punkt 23 Uhr marschierte ich im «Macumba» ein, ein Dutzend junge Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen hinter mir. Der Einmarsch wurde zum Spiessrutenlauf und ich schwitzte bei 40 Grad gleich noch mehr ob den Rufen der Spalier stehenden Einheimischen. Ob «Papa, Papa» bewundernd, mitleidig oder gar neidisch gemeint war, blieb offen.