Flight Crews auf Einkaufstour

Geschrieben von Markus Müller

Einkaufen rund um den Globus hat seinen Reiz. Es ist anders, spannend, nur lokal erhältlich oder einfach billiger. Man kommt in direkten Kontakt mit Einheimischen und anderen Kulturen. Es verwundert nicht, dass das fliegende Personal die neusten Modetrends, bevor diese die Schweiz erreichen, trägt und über die neuste Elektronik verfügt. Was in Los Angeles, New York oder Miami bereits eine Hype ist, erreicht die Schweiz mit Verspätung – wie vor dem Klimawandel das Wetter.

Vor Jahrzehnten waren kopierte Markenkleider beliebt. Für sich selber, Familienangehörige oder Kollegen wurden in Bombay, Bangkok oder in der Seidenstrasse Pekings fast Kofferweise gefälschte Lacoste-T-Shirts, North-Face-Jacken oder Luis-Vuitton-Taschen gekauft. Man musste zwar genau prüfen, denn viele waren zu offensichtlich falsch. Teilweise waren es auch keine Kopien, sondern illegal aus der regulären Massenproduktion grosser Labels in diesen Billiglohnländern abgezweigte Produkte. Besser, man probierte das Kleidungsstück, denn S, M, L oder XL bedeuten für Asiaten nicht dasselbe wie für kräftig gebaute Schweizer. Zu viel einpacken durfte man nicht, sonst gab es Probleme am Zoll. Mittlerweile lohnt sich der Kauf solcher Textilien kaum noch.

Ganze Regale ausgeräumt

Die Einkaufslust hat sich in die zahlreichen Outlet-Factory-Läden in den USA verschoben, wo mittlerweile praktisch alle Markenartikel original und zu Dumping-Preisen erhältlich sind. Produziert werden die Schuhe und Kleidungsstücke weiterhin mehrheitlich in Thailand, Bangladesch oder dem chinesischen Hinterland, kosten aber in den Outlet-Shops deutlich weniger als hier im Detail- oder Internethandel. In den grossen Shopping-Malls räumen ganze Personengruppen, oft aus Südamerika, mit riesigen Koffern die Regale aus. In Nairobi, Accra und Dar es Salaam hatte ich dankbare Abnehmerinnen von nicht mehr gebrauchten Kleidungsstücken aus der Schweiz. Für die Strassenhändlerinnen, die mit ihrem Mikrogeschäft die ganze Familie über Wasser halten, steht Zweckmässigkeit vor Markenname. Aber ein Krokodil, einen Golfspieler oder ein sonstiges bekanntes Signet auf dem Kleidungsstück bedeutet auch für sie einen besseren Verkaufspreis. War das Zimmermädchen Abnehmerin, musste das der Rezeption mitgeteilt werden, damit sie beim Verlassen des Hotels nicht des Diebstahls bezichtigt wurde. Sowieso erfolgte die Übergabe vorzugsweise vor dem Hotel, um die bescheidene Entwicklungshilfe nicht zu schmälern, weil alle, die davon Wind bekamen, bis zum Sicherheitsmann am Ausgang, von den Frauen eine Beteiligung verlangten.

Wer kann schon widerstehen, im Nachtmarkt Patpong in Bangkok für dreissig Dollar eine «teure» Markenuhr zu kaufen. Die auf Distanz kaum erkennbaren Nachahmungen laufen tatsächlich und teilweise exakter als das Original, da das Innenleben aus Elektronik und nicht Mechanik besteht. In den Achtzigerjahren habe ich einem Händler, der fast alle bekannten teuren «Markenuhren» am Strassenstand feilbot, meine IWC gezeigt. Die kann man in Bangkok tatsächlich sorglos tragen, während in Rio oder Douala schon eine billige Plastikuhr geklaut worden wäre. Er kenne die Uhr, meinte er bewundernd, aber der Markt, um sie nachzubauen, sei nicht vorhanden. Zwanzig Jahre später war der Markt offenbar da und fast die ganze IWC-Palette wird angeboten. Für Unterhaltungselektronik und Fotoapparate waren Hongkong oder Singapur bekannt. Wenn es ums Preisverhandeln ging, holte der Verkäufer einen abgegriffenen Zürcher Eschenmoser Katalog hervor, um zu zeigen, dass sich ein Kauf lohnt. An der 57th Street im zweiten Stock in Manhattan gaben sich Flight Crews im Elektronikladen für Flugpersonal die Klinke in die Hand. Mittlerweile ist Elektronik in der Schweiz billiger als im Fernen Osten und der Weg für Beanstandungen kürzer. Für die Billig-CDs und Kinofilm-Kopien ist sowieso kaum mehr Interesse vorhanden. Es bleibt aber so oder so faszinierend, im Fernen Osten durch die teilweise kurzlebigen Läden, die einfach alles anbieten (hier würde man sie Pop-Up-Läden nennen), zu stöbern und die laute internationale Feilscherei zu beobachten.
Bestellung an Destination

Internet-Bestellungen mit Lieferung an geplante Flugdestinationen in den USA gibt es häufig. Als Adresse wird das jeweilige Crew-Hotel oder von Piloten das JFK Flugplanungsbüro angegeben. Hot Spot ist das Crew Hotel Miami nur für Flugbesatzungen. Es gibt extra einen grossen Lagerraum mit Hochregalen. Die Aufbewahrungsdauer ist unbeschränkt, aber mittlerweile wird eine grössenabhängige Bearbeitungsgebühr verlangt fürs Handling. In den USA muss beim Bestellen aus einem anderen Bundesstaat keine Tax bezahlt werden. Wenn man also etwas in New York bestellt und sich nach Miami schicken lässt, spart man zusätzlich zum günstigen Wechselkurs bis zu zwanzig Prozent Steuern.

Viele Dinge sind im Ausland auch einfach besser. Das behauptete mindestens ein Flight Attendant, der als Nebengeschäft Autos reinigt und poliert. An der Gepäck-Durchleuchtungsmaschine in L.A. rief mich der Beamte mit ernster Miene zu sich und deutete auf den mit Büchsen und Spraydosen gefüllten Koffer. Nach dem Öffnen kamen lauter brennbare Lösungs- und Reinigungsmittel zum Vorschein. Wir lobten den Beamten beschwichtigend für seine Aufmerksamkeit und übergaben den Inhalt unserem herbeigeeilten Stationsmanager. Wie ich dachte, zur Entsorgung. Nach der Landung in Kloten nahm der fliegende Geschäftsmann zufrieden eine Kartonkiste aus dem Frachtraum in Empfang. Er habe das so geregelt mit dem Stationsmanager. Wir Piloten waren weniger erfreut und zweifelten am Sicherheitsverständnis des Bodenpersonals.
Wein ja – Fleisch nicht mehr

Beliebt auf der Einkaufsliste sind südafrikanische Weine. Mittlerweile sind allerdings gute Flaschen gleich teuer und qualitativ nicht besser als Schaffhauser Weine. Aber sie kommen halt aus Südafrika, wenn man sie dem Besuch vorsetzt. Bei einer Degustation in Johannesburg forderte ich den Weinhändler heraus, indem ich den damals hoch gelobten Chocolate Block als gar nicht so herausragend anzweifelte. Zu meinem Erstaunen pflichtete er bei. Das Marketing sei halt ausgezeichnet und die künstliche Verknappung eines Jahrgangs lasse den Preis hochschnellen und mache gerade europäischen Käufern Eindruck, was unsere Crew mit ihrem Einkauf bewies. Nach dem Besuch von Steakhäusern in Johannesburg oder einer Churrascaria in Sao Paulo oder Rio war die Lust, die zu Hause Gebliebenen daran teilnehmen zu lassen, gross. Ein halbes Kilogramm Fleisch pro Person durfte eingeführt werden, bis sich die Import-Lobby mit einem Einfuhrverbot für Fleisch von ausserhalb der EU durchsetzen konnte. Der vorgeschobene veterinärpolizeiliche Grund ist scheinheilig, wenn man das halbe Kilogramm zehn Tonnen gegenüberstellt, die oft im Laderaum aus Brasilien mitgeführt werden. Vom brasilianischen Metzger liessen wir das (weltbeste) Rindsfilet in 500-Gramm-Stücke aufteilen und verteilten es unter den Crew-Mitgliedern ohne Fleisch. Wenn es etwas mehr war, war der Einfallsreichtum gegen Stichproben des Zolls gross. Eine Flight Attendant fragte mich nach der Ankunft, ob man etwas sehe. Auf meinen fragenden Blick zeigte sie auf den Jupe, sie habe darunter ein Zweieinhalb-Kilo-Filet. Mir fiel es nicht auf, ich wollte auch nicht unhöflich sein, und kein Zöllner hätte es wohl gewagt, ihr unter den Jupe zu schauen. Aus Johannesburg wurde der Einfuhrbeschränkung ein anderes Schnippchen geschlagen. Dem Crewhotel ist nicht nur ein ausgezeichnetes Steakhaus, sondern auch eine Metzgerei angeschlossen, wo man das Fleisch für den Teller selber auslesen kann. Der Metzger, ein ehemaliger Ostdeutscher, oder sein einheimischer Gehilfe strahlten, wenn man sich beim Einkauf als Swiss Crew ausgab. «Alles klar», sagte er, wenn er das Preisetikett mit dem Produktnamen Ostrich (Strauss) auf das vakuumierte Packet klebte. Es galt damit die grössere Gewichtslimite für die Einfuhr von Wildfleisch und Geflügel.

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