Ohne Kommunikation in allen Facetten wäre die Fliegerei nicht möglich. In der Flugvorbereitung, der Bereitstellung des Flugzeugs, der Verbindung von Boden und Flugzeug, für die Flugverkehrskontrolle, aber auch im Flugzeug unter der Crew und mit den Passagieren, mit den Angehörigen und dem persönlichen Umfeld zu Hause, sowie mit Personen im Ausland. Zweck und Bedürfnisse sind über die Jahre geblieben, aber die technischen Möglichkeiten haben sich enorm geändert. Früher war neben den beiden Piloten, dem Flight Engineer und dem Navigator noch ein Funker im Cockpit. Alle bis auf die Piloten wurden durch die Technik wegrationalisiert.
In der -Pilotenschule mussten wir noch das Morsealphabet lernen und die ab Band vorgespielten Signale kurz / lang in Buchstaben übersetzen. Wir benutzten dazu Eselsbrücken. Für F (kurz-kurz-lang-kurz) «Fittipaldi» oder für G (lang-lang-kurz) «Garage». Die Anwendung bestand nicht mehr im Empfangen und Senden von Nachrichten, sondern aus der Identifikation der Radionavigationssender. Jede Bodenstation sendet einen Drei-Buchstaben-Morsecode aus, mit dem sichergestellt wird, ob die richtige Navigationshilfe im Instrument angezeigt ist. Das Funkfeuer (VOR) Trasadingen sendete TRA aus. Moderne Navigationsinstrumente prüfen es automatisch. Wenn auf dem Bildschirm TRA steht, ist es richtig.
Ob über Land, Wüste oder Meer werden in verschiedene Frequenzbereichen und Reichweiten von wenigen hundert Kilometern bis rund um die Welt Radiosignale als Sprache ausgesendet und empfangen. Es war lustig oder auch nervig, wenn man eine Funkverbindung von irgendwo in 12 000 Metern Höhe ins Schweizer Festnetz aufbaute und der Ehefrau beibringen musste, sie solle doch nicht immer dreinreden. Das funktioniert nämlich nicht. Wenn man im Flugzeug die Sprechtaste drückt, kann das Gegenüber am andern Ende der Welt nicht gleichzeitig sprechen und der Funkspruch braucht Zeit um anzukommen. Es ist einfacher geworden mit Satellitentelefon im Cockpit und in der Kabine für Passagiere. Für den Kontakt mit den Flugverkehrsleitstellen wird es nicht benutzt. Bewilligungen, Flugrouten oder Flughöhenwechsel werden mittlerweile teilweise mit dem Textsystem durchgegeben und auf dem Bildschirm bestätigt.
Kopfhörer nur auf einem Ohr
Funksprüche sind voller Fachausdrücke und Englisch ist für viele Piloten eine Fremdsprache. Das macht es nicht ganz einfach und kann zu gefährlichen Situationen führen. Die internationale Übereinkunft, dass in der Landesprache gesprochen werden darf, ist im dichten Luftverkehr eigentlich nicht mehr angebracht und wird von den deutschsprachigen Piloten nicht benutzt. Dagegen hört man Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch oder Chinesisch mit einem gefährlichen Informationsmanko. In den USA kommt die Sprechgeschwindigkeit dazu und der Umstand, dass die Flugverkehrsleiter sprechen wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. In Boston wird in gepflegter, gut verständlicher Sprache gesprochen, in Chicago ist das Sprechtempo wegen dem riesigen zu bewältigenden Flugverkehr horrend und in Dallas sind halt Texaner am Mikrofon. Es wird nicht viel Federlesens gemacht, wenn Bewilligungen oder -Anweisungen nicht sofort verstanden oder befolgt werden. Man wird aus der Sequenz genommen und wieder hinten eingereiht, was nach einer Atlantik-überquerung rasch zu Treibstoffknappheit führen kann. Macht hingegen der Kontroller einen Fehler, befiehlt er kurzerhand einen Schwenker auf eine andere Piste, was ziemlich stressig wird im Cockpit. Gute persönliche Vorbereitung, wissen was kommen könnte und eine gute Teamarbeit ist wichtig. Als junger Co-Pilot auf der DC-10 hatten wir einen tollen Balair-Flug nach San Juan, Santo Domingo und Miami mit langen Aufenthalten. Abflug und Anflug in Zürich überliess der Kapitän mir, hingegen flog er den Rest selber und überliess mir den Funkverkehr. Als ich mich bei -Kollegen etwas frustriert beklagte, meinten diese lachend, der hohe Offizier und Politiker könne eben nicht so gut Englisch. Unter 10 000 Fuss gilt das «silent» (leise) Cockpit. Das heisst, es sollten keine privaten Gespräche mehr geführt werden. Ebenso ist vorgeschrieben, die Kopfhörer zu tragen während über 10 000 Fuss in der Regel die Lautsprecher offen sind. Typisch ist, dass die Piloten nur ein Ohr mit der Kopfhörermuschel bedecken, der Kapitän das linke, der Co-Pilot das rechte, wie im Bild zu sehen ist. Grund dafür ist, dass sie sich gegen-seitig hören; in der Arbeitsaufteilung und Checklistenarbeit wird viel gesprochen. Es gib zwar die Möglichkeit, das Intercom einzuschalten, aber dann hört man den Kollegen ständig schnaufen.
Kommunikation kann auch tödlich sein. In Johannesburg kam ein Mechaniker durch einen Blitzschlag ins Flugzeug ums Leben. Sein Kopfhörer war mittels Kabel mit dem Flugzeug verbunden um Triebwerkstart und Zurückstossen zu begleiten. Seither verabschieden sich die Mechaniker bei Gewitter über dem Flugplatz. Dem Flugzeug selbst kann der Blitz nichts anhaben als Faradayscher Käfig.
Grenzenlose Kommunikation
Während sich die «dienstliche» Kommunikation kaum änderte, hat sie sich für Passagiere und Crew nach Dienstschluss stark verändert. Passagiere können die Satellitentelefonie benutzen, im Internet surfen, Nachrichten verschicken und sich in den sozialen Medien tummeln. Damit ist leider die letzte Oase der Ruhe weg, wo man sich einfach verwöhnen lassen, einen Film anschauen oder ein Buch lesen konnte. Es ist nicht ganz unproblematisch, wenn man Bilder und Meldungen aus Flugzeugen in der Boulevardpresse sieht. Oft aus dem Zusammenhang gezogener, konstruierter Sensations-Bullshit. Schwierig wird es, wenn aus tatsächlichen Notsituationen berichtet wird. Dafür haben die Piloten die Möglichkeit, das System abzuschalten. Kurz vor der Landung oder nach dem Start kann das terrestrische Mobilnetz empfangen werden. Die Passagiere werden zwar angewiesen, die Geräte ab- oder auf den Flugmodus umzustellen. Meldungen, Systeme würden beeinflusst oder ein Flugzeug sei durch das Natel eines Passagiers gesteuert worden, sind Unsinn. Einzig die Batterie ist schneller leer. Ich habe oft vergessen, das Telefon auszuschalten in unmittelbarer Nähe zu Instrumenten und Sendegeräten. Flugzeugsysteme sind gut abgeschirmt und es gibt viel grössere Einflüsse von aussen in Gewitternähe oder von Radarsignalen. Wir probierten einmal einen Mobilfunkdetektor aus, den uns eine Firma verkaufen wolle. Es wurden einige sündige Passagiere entdeckt. Erstaunlich war, dass sie trotz Aufforderung, das Gerät auszuschalten, nach einer Stunde wieder positiv detektiert wurden. Sie begriffen nicht, dass im schnell fliegenden Flugzeug keine Verbindung zu Bodenstationen zustande kommt.
Wir hatten früher während mehrwöchigen Flugrotationen kaum Kontakt mit Familie oder Freunden zuhause. Telefonieren war teuer und wurde nur im Notfall benutzt. Heute hängen alle nach der Landung am Handy, worunter die Crew-Gemeinschaft leidet. Wir waren früher eine gefragte Verbindung von Personen in der Schweiz zu Familienangehörigen und Geschäftsleuten im Ausland oder im Dienste der Eidgenossenschaft zu den Botschaften. Ich habe öfter von einer Schaffhauserin Briefe und Pakete mitgenommen für ihren Sohn in Rio. Ich selber brachte ihm Cervelats und Senf. Tatsächlich begleitete uns die ältere Frau auf einem Flug und besuchte ihn. Der ehemalige Kantonsrat Willi Gysel, «Bauerngeneral» genannt, bat mich, seiner Tochter ein Paket Schokolade zu bringen. Sie betrieb mit ihrem Mann und dem Schwager eine Farm in Kanada. Den Schokoladenkurier verband ich mit einem schönen Ausflug, inklusive mehrnächtigem Toronto-Aufenthalt zusammen mit meiner Frau. Solche Begegnungen waren bereichernd, um Land und Leute kennenzulernen. Wohl fast an jeder Destination hatten Crew-Mitglieder Freunde, Bekannte oder Verwandte und überbrachten etwas. Darunter auch Appenzeller für einen Beizer in Bangkok aus Schaffhausen. Begehrt waren aktuelle Zeitungen. Das Botschaftspersonal holte sich jeweils den für sie bereit gestellten Bund ab. Wir nahmen eine Auswahl mit ins Hotel und zum Apéro an der Copacabana, wo die News aus der Schweiz sehnlichst erwartet wurden von Schweizer Auswanderern. Das ist vorbei mit all den Online-Möglichkeiten und dem Umstand, dass Fliegen für Besuche unkompliziert und billig geworden ist.