Ich nahm kürzlich an einer Besichtigung der Heizzentrale Neuhausen teil. Die Teilnehmer staunten ob den beiden grossen Energiespeichern in Form von Wassertanks mit über hundert tausend Liter Fassungsvermögen. Ich musste etwas schmunzeln denn das hätte locker Platz in den Treibstofftanks eines Langstreckenflugzeugs. Und doch reichen 120 Tonnen Kerosin in den Flügel-, Rumpf- und Schwanzflossentanks nicht immer um die Destination zu erreichen oder um alle Passagiere und die vorgesehene Fracht mitzuführen. Bei starkem Gegenwind oder wenn grössere Reserven mitgeführt werden müssen wegen prekären Wetterverhältnissen muss entschieden werden ob eine Zwischenlandung eingeplant werden soll oder Fracht und sogar Passagiere ausgeladen werden sollen.
Kürzlich zeigte der Flightradar über ein Dutzend über dem Südschwarzwald kreisende Flugzeuge. Grund war das Unwetter über Zürich mit zeitweiser Schliessung des Flugplatzes. Nicht alle konnten in Zürich landen denn es kommt dann drauf an wer den längsten Schnauf beziehungsweise genügend Treibstoff Reserve hat um die Landemöglichkeit abzuwarten.
Das Hauptthema
Bei der hiesigen Flugplatzdichte kann man die Reserven ausreizen und relativ lange warten während in Afrika, dem Fernen Osten oder Südamerika die Entscheide viel schwieriger sind und frühzeitig getroffen werden müssen ob die Destination aufgegeben und ein Ausweichflughafen angeflogen werden soll. Die Unwetter sind dort einerseits viel grossflächiger und die Flugplätze liegen weit auseinander was entsprechend viel Treibstoff braucht um sie zu erreichen. Es braucht dann oft sogar ein sogenanntes Commitment, da bei der Ausweichlandung alles klappen muss weil man keine zusätzlichen Reserven mehr hat was bei Piloten mit ihrem starken Sicherheitsdenken nicht beliebt ist. Wieviel Reserven man mitnimmt hängt stark von der Erfahrung ab. Für den Sao Paulo Flug etwa im dortigen Winter verstehen die Flugplaner oft nicht warum erfahrene Piloten zusätzliche Treibstoffreserven mitnehmen und darauf bestehen sogar Fracht stehen zu lassen. Ein erfahrener Pilot weiss, dass bei einem gewissen Verhältnis von Temperatur und Taupunkt unvorhergesagter Nebel den Anflug verhindert und man dann nicht die einzige Maschine ist die in der Luft wartet wird sondern ein paar Dutzend weitere Flugzeuge über der Stadt kreisen. Wieder kommt es darauf an wer den längsten Schnauf hat. Die Erfahrung entscheidet nicht nur ob man an der Destination ankommt sondern ist auch Kosten relevant. Wenn ich auf dem Flug nach Hongkong eine Tonne mehr Kerosin tanke verbrauche ich allein um diese Tonne dorthin zu fliegen 310 Kilogramm. Geht alles problemlos hat das Geld gekostet und allenfalls Fracht oder sogar Passagiere verhindert. Wenn hingegen Tornados die Landung unsicher machen und verzögern zahlt sich jede Tonne aus. Es ist ein hohes Gut, dass bei Swiss, im Gegensatz zu gewissen ausländischen Airlines, die Piloten allein bestimmen wie viel Fuel sie tanken und keine Rechenschaft ablegen oder mit Sanktionen rechnen müssen. Als ein als sehr speziell bekannter Jumbo Kapitän bei „Grand Beau“ Bedingungen, also ausgezeichnetem Flugwetter, zehn Tonnen zusätzlich Kerosin für den Flug nach New York verlangte und auf die erstaunte Frage der Disponenten nach dem Grund antwortete es sei am andern Tag Weihnachten löste das lediglich Kopfschütteln aus.
Kein Treibstoff in den Reben
Es gibt immer noch Klettgauer Rebleute die behaupten es rieche nach abgelassenem Kerosin in den Reben. Das ist Blödsinn denn es macht keinen Sinn vor der Landung wo man eh nur noch wenig hat Fuel abzulassen. Man kann das sowieso nur auf wenigen Langstreckenflugzeugen wenn sie nach dem Start wegen technischen Notfällen sofort wieder landen müssen um das Landegewicht zu reduzieren und das Fahrwerk zu schonen. Die A340 kann 1000 Kilogramm pro Minute ablassen was über eine Stunde dauert um nur die Tanks zur Hälfte zu leeren. Auch das wird nicht über dem Kanton Schaffhausen gemacht sondern in einem wenig beflogenen Gebiet und wenn genügend Zeit vorhanden ist. Mit der MD11 waren es immerhin 2600 kg pro Minute womit die Tanks in 40 Minuten geleert werden konnten bis auf die Menge die zum Anflug und eventuellem Durchstartmanöver gebraucht wird. Die A330 hat keine Möglichkeit Fuel abzulassen. Ein weiteres Thema sind tiefe Temperaturen. Wenn die Aussentemperatur stundenlang kälter als minus 60 Grad ist gefriert der Treibstoff und es muss entweder schneller geflogen um mit der Luftreibung die Flugzeughaut aufzuwärmen, der Treibstoff herum gepumpt oder in wärmere Luftschichten
abgesunken werden. Letzteres ist über dem dicht beflogenen Nordatlantik, wo dreihundert Meter unter einem ein anderes Flugzeug fliegt ein Problem und man muss die Luftstrasse verlassen.
Wenn Passagier bleiben müssen
In Los Angeles standen wir am Startgewicht an. Ich hatte als Copilot zwei Kapitäne und damit wenig zur Entscheidung beizutragen. Normalerweise werden auf langen Flügen ein Kapitän und zwei Copiloten eingesetzt. Die zwei schlugen vor einen Frachtcontainer auszuladen damit alle Passagiere mit Standby Tickets mitgenommen werden können. Der Vorschlag einen ganzen Container auszuladen war bei Piloten beliebt um mit der Reduktion von ein paar Tonnen Angehörige der Crew und Airline Angestellte mitnehmen zu können. Das werde in L. A. nicht mehr gemacht, erklärte der Stations Manager genüsslich. Wir sollten ihm einfach sagen wie viel Fuel wir möchten, er würde dann entsprechend Passagiere mit Stand-by Tickets und einen Teil des unverderblichen Inhalts von Containern ausladen. Meine beiden Kapitäne nützten jeden Trick aus um die Planung legal zu halten und interpretierten Wind und Wetter entsprechend um auf jeden Fall das Töchterchen des einen Kapitäns nicht stehen lassen zu müssen. Nach dem ersten Drittel des Flugs meldete ich mich ab in die Schlafkoje. Als ich für den Rest des Flugs wieder ins Cockpit kam sah ich die zwei sorgenvoll über den Flugplänen und Wetterkarten. Zehn Stundekilometer mehr Gegenwind als vorhergesagt, über dem Nordatlantik kann es ein Vielfaches sein, machen einen Mehrverbrauch von einer Tonne aus. Die Wunschplanung der beiden Kapitäne war zunichte. Es nütze auch nichts dass sie mich nachrechnen liessen und es war klar, dass wir nicht um eine Zwischenlandung herum kamen um Treibstoff aufzunehmen. Wieder mit zwei Kapitänen musste auf dem Flug von Bangkok nach Zürich mit der MD11 ein Triebwerk abgestellt werden. Der Kapitän entschied sich für eine Landung in Delhi und liess den Kollegen wecken, er könne dazu übernehmen. Der sah aber keinen Grund mit zwei laufenden Triebwerken nicht weiter zu fliege, verlangte eine erneute Bewilligung von den Fluglotsen und drehte die Nase wieder Richtung Europa. Die Zusatzschlaufe hatte aber zur Folge, dass Zürich nicht mehr erreicht werden konnte und eine Landung in Wien stattfand. Fliegen kann man mit zwei Motoren problemlos. Auf diesen Vorteil des drei und viermotorigen Flugzeugs machte uns unser Fluglehrer in Shannon schon aufmerksam: „Zuerst einen Kaffee bestellen und dann in Ruhe das weitere Vorgehen besprechen“. Starten ist nicht mehr möglich sodass das Flugzeug in Wien bleiben musste zur Reparatur.
Eine Kiste braucht drei Sitzplätze
In diesen Tagen beginnt der 37. Louis Vuitton America`s Cup in Barcelona. 2006 hatte ich die Trophy an Bord auf dem Flug nach Barcelona. Die riesige Kiste wurde 2001 anlässlich des 150. Geburtstags des legendären Segelyachtrennens den Veranstaltern von Louis Vuitton geschenkt. Drei Genfer Polizisten begleiteten die wertvolle Fracht, beschützten sie und trugen sie schwitzend in und aus dem Flugzeug. Die Kiste brauchte drei Passagiersitze aber reklamierte im Gegensatz zu den übrigen Passagieren nicht als wir wegen ihrer Sicherung etwas Verspätung machten.