Traffic Jam - Stau

Geschrieben von Markus Müller
Fast Food Thailand

Ein starkes Gewitter entlädt sich über dem Flugplatz Chicago und eine halbe Stunde geht gar nichts mehr. Dann wird die ganze Maschinerie wieder hochgefahren und wir erhalten prompt die Bewilligung die vier Motoren zu starten und die Rollerlaubnis, allerdings mit dem Hinweis wir seien die Nummer siebenundneunzig für den Start. Das heisst anstatt zehn Minuten eine Stunde rollen, denn Platz zum warten gibt es nicht. Das heisst vor allem rechnen ob die Reserven reichen oder ob nachgetankt werden muss.

Das sind Herausforderungen die zur Fliegerei gehören. Lästiger ist die systematische alltägliche Verspätung als moderne Zeiterscheinung. Sie kostet Unmengen Nerven, Sprit, Zeit und Geld. Wir warten auf der Strasse, in der Luft, an der Kinokasse, im Supermarkt, im Restaurant. In der Luftfahrt ist es das Thema schlechthin. Es beginnt bei der Fahrt zum Flughafen. Durchfahrt Enge und Kreuzstrasse Neuhausen sind völlig unberechenbar geworden, eine Verbesserung ist nicht absehbar. Am kurzen Tunnel wird sieben Jahre "gsändelet", die DB Linie wird in diversen Etappen auf Vordermann gebracht, mit der Neuhauser Lichtsignalanlage wird munter weiter aktiv der Verkehr behindert und die Behörden kümmert es nicht, dass man den Verkehr Richtung Zürich ohne Behinderung des heiligen öV ganz einfach beschleunigen könnte. Im Gegenteil, man kann ja an den Ungeduldigen das hochgesteckte Bussenbudget erfüllen. Die Tradition nur eine Werksleitung auf einmal zu ersetzen wird weiter gepflegt und die still tagende Tischrunde kann unter Ausschluss der Realität selbstgefällig zum Apèro. Dank freier Fahrt über Trasadingen fliegt mein Flugzeug trotzdem zur Zeit ab. Dass die Klettgauer schneller im Grossraum Zürich sind als in Schaffhausen sollte aber eigentlich den besten Köpfen in Schaffhausen (SN 19.7.) zu denken geben. Natürlich erleben wir auch auf der Fahrt nach Manhattan oder Long Beach Stau. Es sind aber ganz andere Agglomerationen und bei jeder neuen Anreise ist ein Stück intelligente Autobahn fertig und nicht erst die TOI Kabine aufgestellt. In Bangkok etwa wurde ohne grosse Behinderung des Verkehrs eine zweite Ebene über der Stadtautobahn gebaut. Sao Paulo versucht mit temporärer Trennung  Bus-, Schwer-  und PW-Verkehr das Problem zu entschärfen. Gravierender wirkt sich ein Stau im Luftverkehr aus. Ob Wartezeit vorausgesehen wird, kann entscheiden über Ankunft oder Ausweichlandung wegen zu wenig Treibstoffreserven. Erwarte ich eine längere Flugzeit, sei es wegen Wetter, Verkehr oder eingeschränkter Flugplatzinfrastruktur, decke ich das mit zusätzlichen Reserven ab. Die Motoren können wir im Gegensatz zum Auto nicht temporär abstellen, es fliegt und fliegt und der Treibstoff wird weniger und weniger. Bei Reserve sprechen wir wohlverstanden von Tonnen. Allein diese Menge zu transportieren und nach elf Stunden Flugzeit auch tatsächlich zur Verfügung zu haben, verbraucht einen Drittel davon. Das kann zur Folge haben, dass Fracht oder sogar Passagiere ausgeladen werden müssen wenn wir am maximalen Abfluggewicht, im Fall der A340 von 275 Tonnen, anstehen. Im Planungs- und Beladungsprozess Involvierte schütteln dann zwar oft den Kopf, aber unsere pilotische Erfahrung betreffend Morgennebel in Sao, Gewitter in Miami, Blizzard in Chicago, Monsun im Fernen Osten, Streikgefahr der spanischen Lotsen oder Luftstrassenbeschränkungen über China gibt uns meist recht. Der Entscheid liegt ohne wenn und aber ausschliesslich beim Piloten so wie auch die letztendliche Verantwortung nur auf ihm lastet. Dabei gehört die (wahre) Story vom pensionierten Jumbo Kapitän, der vor Weihnachten jeweils zehn Tonnen extra orderte definitiv der Vergangenheit an. Glück hatten wir kürzlich in Chicago als wir gerade noch vor der, aus verständlichen Gründen nicht angekündigten Air Force One mit Obama an Bord landen konnten. Ärgerlicher war die zweistündige Verweigerung der Startbewilligung in Tansania weil ein Minister mitfliegen sollte. Seine Welt war nachher in Ordnung, die resultierenden Mehrkosten kümmerten ihn wohl wenig. Wartezeiten vor Start und Landung sind weltweit trotz Mehrverkehr eher kürzer geworden. Unser Heimflughafen bildet die Ausnahme. Die schlechte Nutzung des Pistensystems und die an und für sich löblichen riesigen Sicherheitsabständen zwischen den Jets, die aber weder den technischen Möglichkeiten noch einer vernünftigen Risikobetrachtung Rechnung tragen, würden den Flugverkehr auf den grossen Flugplätzen der Welt zum Erliegen bringen. Während Plätze mit riesigem Verkehrsaufkommen wie L.A., Chicago, New York, Bangkok, Hongkong bei guten Wetterbedingungen ohne jegliche Zusatzkurve angeflogen werden können, bringt es der "Provinzflugplatz"  Zürich fertig, dass regelmässig Warteschlaufen gedreht werden müssen was Unmengen Kerosin kostet und viele Sparmassnahmen ad absurdum führt. Mit dem gerissenen Geduldsfaden der Deutschen Nachbarn hat es übrigens nichts zu tun.

Kategorie: