Horizonte – friedliche Welt von oben

Geschrieben von Markus Müller
Pyramiden

Die medialen Ausdrücke Überflieger und erweiterter Blickwinkel anlässlich der Kantonsratswahl haben mich gefreut aber auch bestätigt, dass man durch den quasi ständigen weltweiten Ausgangsrayon einen etwas anderen Blickwinkel bekommt. Das Überfliegen von Krisen- und Kriegsgebieten, von Diktaturen oder Hungergebieten beschäftigt einem. Der wiederholte Aufenthalt in diesen Ländern gibt einen anderen Eindruck als wir in der Fernsehstube vermittelt bekommen und führt vor Augen wie gut wir es haben, wie falsch wir zum Teil informiert, wenn nicht gar manipuliert werden, wie ohnmächtig wir sind und wie verlogen die Welt oder Teile davon sein können.

Informationen kamen früher bei langen Auslandaufenthalten im vor Mobil- und Internetzeitalter spät, meist via Zeitung auf dem nächsten Flugzeug an. So nahmen wir etwa den epochalen Mauerfall gerade mal so nebenbei zur Kenntnis. Wir waren im selben Lift im Meridien in Rio mit Olivia Newton-John, bekannt aus dem Musical Grease, als ein Kollege so nebenbei bemerkte die Berliner Mauer sei gefallen. Die Hollywood Dame nahm uns damals mehr in Anspruch als diese beiläufige Bemerkung. Europa war weit weg. Im lokalen Fernsehen war es kaum ein Thema. CNN wählten wir eh nicht mehr, Copacabana, Churrascario Marius und Disco Help waren reizvoller, zudem die permanente allwissende Präsenz von Talkmaster Larry King auf dem US Nachrichtensender nervte. Erst im Flug nach Buenos Aires realisierten wir aus den drei Schweizer Tageszeitungen was in unserer zehntägigen Abwesenheit passiert war und nahmen erleichtert zur Kenntnis, dass das alte neue Europa friedlich blieb. Wahlkämpfen kann man sich übrigens in südlichen Ländern nicht entziehen. Sie sind lautstark und überall, werden ab Autos und Lastwagen mit Lautsprechern geführt mit viel Musik und durch organisierte Grossdemos unterstützt. Es ist dann nicht unwichtig sich schlau zu machen wo welche Gruppierungen verkehren und wie bedeutsam und aggressiv sie sind, um nicht plötzlich zwischen die Fronten zu kommen. Gerade in Afrika oder dem Mittleren Osten wurden auch interne Ausgangssperren verhängt in „heissen“ Zeiten.

Landschaft bleibt 

Gerade zurück von Südafrika bin ich zum ersten Mal durch den wieder geöffneten lybischen Luftraum geflogen. Die Städte sind wieder hell erkennbar und die Ölfelder flackern als wäre nichts gewesen in der riesigen Wüstenlandschaft. Nur der Funk ist noch weniger verständlich, da fehlt wohl der eine oder andere Routinier. Die Politik überlebenden Landmarks sind aus der Luft speziell reizvoll. In Rio bleibend ist es die Copacabana und der Corcovado mit der Christus-Statue. Letztere kopiert im Anflug auf Lissabon im Kleinformat. Nach dem morgendlichen Start Richtung Buenos Aires musste man sofort dem imposanten Zuckerhut ausweichen und konnte sich überzeugen, dass das Drahtseil der Schweizer Seilbahn noch hing und nur im Filmstudio vom „Stahlgebiss“ in James Bond durchbissen wurde. Dem Controller flatierten wir, wie schön es wäre, den Passagieren auf tausend Fuss fliegend die wunderschöne Copacabana zu zeigen, was er in der Regel zuliess mit dem Hinweis, wir seien selber verantwortlich für den sicheren Flugweg. Wir konnten fast in die Hotelzimmer blicken und sahen, mindestens in unserer Vorstellung, unsere Kollegen die uns das Flugzeug gebracht hatten beim after Landing Bier im Cafe Atlantico. Dann mussten wir dringend hochziehen um dem übergrossen Christus nicht in die ausgebreiteten Arme zu fliegen. Die Freiheiten unter den Wolken sind heute nicht mehr grenzenlos und tiefe Sightseeing Flügen sind passé, nicht zuletzt dank umfassender Datenaufzeichnung und systematischer Auswertung. Da der  Luftraum über Uruguay plötzlich temporär geschlossen wurde, benutzen wir die Wartezeit um Südbrasilien aus der Vogelperspektive zu erkunden. Die angepeilten riesigen Iguazu Fälle fanden wir prompt. Spektakulär waren die Andenflüge von Sao nach Santiago. Bei guter Sicht fragten wir, ob wir absinken dürften um den Siebentausender Aconcagua aus der Nähe zu sehen. Da in Südamerika, wurde meist die Bewilligung erteilt, unter Berücksichtigung der Minimalhöhen auf Landehöhe abzusinken. Mit den minimalen zweitausend Fuss Abstand passierten wir den Traum jedes Bergsteigers, um dann spektakulär parallel zum Gelände abzusinken. Trug der Berg einen Wolkenhut, liess man es besser sein wegen starken Turbulenzen. Unvergesslich bleibt der Sylvester Steigflug aus Anchorage heraus Richtung Mount Mac Kinley zum Nordpol. Das Bild wurde Bestandteil der Bildersammlung zum Sechzigsten für Hannes Götz. Der damalige Chefpilot DC-10 wünschte mich auf seinem Letztflug als Copilot. Er nahm sich die dreimalige Umrundung des Killimanjaro nicht nur vor, er machte es. Auch heute sind kleine Freuden noch möglich. So baten wir kürzlich in Cairo um den nicht offiziellen „Pyramide Approach“. Dabei wird der Endanflug so verlängert, dass man um die Pyramiden drehen muss, diese in voller Grösse im Cockpitfenster hat und sogar die Kamele zählen könnte.  

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