Kaum brannte die erste Adventskerze, hiess es Koffer packen für den Nachtflug nach Sao Paulo. Der Sternenhimmel über dem Südatlantik liess vorweihnächtliche Stimmung aufkommen und tatsächlich zog eine Sternschnuppe ihren hellen Schweif nicht gegen Bethlehem aber über den Äquator hinweg. „Weltraumschrott“, meinte der Copilot trocken. „Zu hell und zu langsam für eine Sternschnuppe“.
Den gedachten Wunsch liess ich mir nicht mehr nehmen, High Tech Schrott hin oder her. Eigentlich toll, der ersten Kältewelle entfliehen und Wärme tanken zu können. Natürlich mit etwas schlechtem Gewissen, die Ehefrau im Stich lassend beim Schnee schaufeln. Ich zeigte dies beim Abschied mitfühlend und bedauernd: „So ein Sch… Job.“ Beim klagenden Anruf muss man dann halt etwas mitklagen und die eigene Situation relativieren. Es sei ja auch nicht so schön bei vierunddreissig Grad in kurzen Hosen in der Gartenbeiz zu sitzen und Bier trinken zu müssen gegen den unheimlichen Durst. Und das schreckliche essen, immer nur Filet und Entrecote. Im wissen, dass die Warmfront die Schweiz vor uns erreichen würde, war das Versprechen das Schneeschaufeln zu übernehmen etwas fies. Eigentlich kommt wirklich keine Weihnachtstimmung auf bei dieser sattgrünen Hitze. Am weihnächtlichen Schmuck und der Beleuchtung liegt es nicht. Auch das Geschäft mit den Geschenken läuft in Brasilien wie geschmiert. Nur müssen sehr viele Leute mit leuchtenden Augen, im Laden unwillkommen und im wissen um die fehlende Kaufkraft, an den Schaufenstern vorbei gehen. Der Unterschied zwischen reich und arm wird noch deutlicher vor Weihnachten. Aber irgendwie wird er auch wieder fliessend mit der südlichen Lebenslust und bei hochsommerlichen Temperaturen. Eine Woche später zeigte sich der Gegensatz in San Franzisko viel krasser. Die Beleuchtung der kalifornischen „Bahnhofstrasse“, der Marketstreet, ist imposant, der über Stockwerke ragende Weihnachtsbaum vor dem Macys fantastisch. Bei kalten fünf Grad liegen über jedem dampfenden Schacht und auf jeder Bank in den vielen Parks vermummte in Decken und Lumpen gewickelte Gestalten in der Hoffnung am Morgen mehr Erfolg zu haben mit ihren Büchse. Zu einem grossen Teil sind die Heimatlosen einfach irgendwann zwischen Stuhl und Bank und durch das löchrige oder gänzlich fehlende soziale Netz im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gefallen. Bei näherem hinschauen schaut man oft in aufgeweckte intelligente Augen die sich aber rasch resigniert und verschämt schliessen. System konform wird man in (Billig-) Restaurants oft von betagten Damen bedient und der Hotelportier klammert sich anstelle eines Rollators an die Tür die er dem Gast auf und zu macht. Sie müssen schlicht und einfach Geld verdienen um nicht auch auf der Strasse zu landen. Auch auf höherem Niveau hat man Existenzangst. So hat mir kürzlich in Johannesburg ein älterer Boeing 777 Kapitän von Delta erklärt, er müsse so lange es gehe fliegen und nebenbei baue er ein Geschäft auf um in der Zeit nachher Einkommen zu haben. Die ganze Pensionskasse von fünfundvierzig Jahren Flugdienst sei im Konkurs der Fluggesellschaft verschwunden. Wir diskutieren ein Jahr länger zu arbeiten.
Eislaufender Sankt Niklaus
Weihnachtszeit heisst in USA Eislaufen. Kult ist in New York die Kunsteisfläche vor dem Rockefeller. Auch im deutlich wärmeren San Franzisko hat es Eisfelder. Mit schmerverzerrten angstvollen Gesichtern drehen oder tippeln sie in bewundernswertem Eifer und in für die Willensnation typischer Ausdauer ihre Runden. Die einen im kurzärmligen Hemd mit Krawatte, eislaufen vor Weihnachten gehört zum guten Ton, andere in eleganter Winterkleidung. Meist mit der für unsere Begriffe etwas doofen Niklausmütze auf dem Kopf, mit der sie dann nachher Bar und Restaurant stürmen. Schneller unterwegs sind die „Gards“. Sie überwachen Funk ausgerüstet das Treiben, brauchen aber ihre volle Aufmerksamkeit um geradeaus zu fahren und die Kurve im kleinen Feld nicht zu verpassen. Kopfschüttelnd wunderten wir uns hingegen damals in Abidjan über die Kinder reicher Bonzen und UNO Funktionäre die bei vierzig Grad Eishockey spielten. Etwa gleich unsinnig wie der nachgebaute Petersdom angesichts der puren Hungersnot vor der Eishalle.
In Chicago stimmte ich mich schliesslich auf die bei uns ausbleibende kalte Weihnacht ein. Die leuchtende Einkaufsmeile der Michigan trifft das Ideal heutiger Kommerz-Weihnacht. Gross war die Polizei Präsenz und die Berittenen hielten sich tief vermummt, gegen die Kälte, in Vierergruppen bereit einzugreifen. Sie standen freundlich für Touristenfotos zur Verfügung, riefen dazwischen aber vorbeugend einer Gruppe laut werdender Jugendlichen zu: „You know the rules guys – ihr kennt die Regeln Jungs“. Der Anflug auf Zürich am 24. war wenig weihnächtlich. Grüner Feldberg, Leibstadt und Gösgen am Netz, Schaffhausen unsichtbar unter einer Nebeldecke. Randen, Häming und Schmerlat zeigen dass wir richtig sind und zur letzten Landung im Jahr ansetzen können im wissen, dass es nichts Besseres gibt für Weihnachtsfeier und Zuhause als Schaffhausen