Auf Erkenntnisse aus dem Rafzer Eisenbahnunglück werden ähnlich wie in der Fliegerei rasch Massnahmen folgen. Etwas irritiert hat die Bemerkung des SBB Chefs, „das Risiko fährt mit“. Eine solche Bemerkung wäre in der Linienfliegerei kaum zu erwarten obwohl auch dort Abwägungen zwischen Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, technischer Ausfallrate, Wartungsintervall, Investitionen, Ausbildung und Wirtschaftlichkeit gemacht werden müssen.
Diese müssen aber auf sehr hohem Sicherheitsniveau stattfinden, neuste Erkenntnisse rasch berücksichtigen und damit weiter gehen als staatliche Vorschriften. Zuwiderhandlungen gegen diese Grundsätze gibt es leider und werden von Piloten und ihren Verbänden genau verfolgt. So hat Swissair damals ihre MD-80 nach einem Absturz einer amerikanischen Maschine in Florida sofort mit Rauchmeldern und Löschanlagen im Frachtraum ausgestattet. Der Schweizer Käufer der Flugzeuge hat diese Anlagen dann wieder ausgebaut um Gewicht und Wartungskosten zu sparen. Oder die maximalen Flugzeiten gewisser Airlines wo es nachgewiesen nicht mehr möglich ist wach zu bleiben. Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Eisenbahn und Flugzeug. Einmal in der Luft muss es fliegen bis zur Landung. Ein Zug kann verlangsamen, anhalten oder von Überwachungssystemen gestoppt werden. Deshalb zwei Piloten, mindestens jeweils zwei bis vier unabhängige Systeme, mindestens zwei Triebwerke. Ein weiterer Unterschied ist die Wirkung widrigen Wetters wie Schnee, Nebel, Gewitter und Sturm. Vor jedem Start gilt es zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Das Flugzeug muss sauber sein, das heisst es darf weder Schnee, Frost oder Eis vorhanden sein auf der Oberfläche. Dazu wird das Flugzeug heiss gewaschen und dann mit einer Antifrost-Flüssigkeit bespritzt. Sie ist biologisch abbaubar, fühlt sich aber ziemlich unangenehm an, musste ich in München erfahren als ich ungeduldig das Cockpitfenster öffnete. In der Luft wird Eisbildung mit Heissluft aus den Triebwerken verhindert. Dann muss entsprechend Pistenlänge und ob trocken, nass, Aquaplaning oder Schnee eine Startgewicht Berechnung gemacht werden. Diese gibt das maximale Startgewicht sowie die Abhebegeschwindigkeit. Das kann bedeuten, dass die Flugzeuglimite um dutzende Tonnen reduziert wird. Das heisst Fracht ausladen, eine Zwischenlandung planen um nachzutanken oder gar nicht fliegen. Man trifft auch Vorkehrungen. Ich erinnere mich an eine für uns angenehme Massnahme. Wenn es beim Start der Balair DC-10 in Santo Domingo stark regnete, war das Startgewicht wegen Aquaplaning derart stark reduziert, dass die mögliche Treibstoffmitnahme nicht bis Zürich reichte. Man plante eine Zwischenlandung in Lissabon. Da es den Piloten wegen der maximal zulässigen Flugzeit nicht erlaubt war erneut zu starten, wurden am Abend zuvor zwei Piloten als Passagiere nach Lissabon geschickt. Beim Nachtessen riefen wir jeweils in Zürich an ob es beim Start geregnet habe. Kein Regen bedeutete genügend Kerosin für den Nonstop Flug nach Zürich und wir konnten das Wasserglas stehen lassen, das Nachtleben geniessen und am andern Tag gemütlich als Passagiere zwei „Arbeitstage“ abschliessen. Tatsächlich wurde ich bereits startbereit auf der Karibik Insel von starkem anhaltenden Regen betroffen. Um Gewicht zu reduzieren liessen wir zehn Tonnen Früchte ausladen. Von Hand und bei strömendem Saunaregen luden die Ramparbeiter Kiste um Kiste aus. So plötzlich wie es begann, so plötzlich hörte es auf und wir hiessen sie wieder einladen. Allerdings nur bis die nächste Regenfront sichtbar wurde, was immerhin drei Tonnen ergab.
Ausweichlandungen wegen Nebel
Früher waren Ausweichlandungen wegen Nebel ein häufiges Ärgernis für Passagiere, besonders oft in Kloten. Zum Glück heisst Nebel in Kloten nebelfrei in Basel und umgekehrt. Dafür gab es einen Reservedienst bei Nebellagen. Wenn die Flugzeuge nach Basel auswichen, wurden die Reservecrews mit dem Taxi verschoben um die Flugzeuge zurück zu holen nach Auflösung des Nebels. Heute ist Nebel kein Problem mehr, denn die betroffenen Flugplätze sind mit Blindlandesystemen ausgerüstet. Ausnahme Sao Paulo. Das heisst das Flugzeug landet, wenn es entsprechend ausgerüstet ist und die Piloten die anspruchsvolle Ausbildung mit halbjährlichem Training haben, automatisch. Am Minimum, mindestens sieben Meter über der Pistenschwelle, musste man dann verifizieren können ob man exakt am richtigen Ort ist. Wenn nicht hiess es Gashebel nach vorn und durchstarten. Mit der MD-11 war erstmals ein Flugzeug mit null Sicht zugelassen das auch automatisch ausrollen konnte. Das den Piloten zu verkaufen, beziehungsweise das „blinde“ Vertrauen in die diversen Überwachungsinstrumente zu geben, war nicht einfach und heute noch sieht Jeder gerne ein paar beruhigende Pistenlampen vor dem Aufsetzen. Vorher versuchte man mit allen Mitteln dem Nebel Herr zu werden. In Paris etwa waren der Piste entlang alte Flugzeugtriebwerke installiert. Diese bliesen mit viel Krach den Nebel weg und ermöglichten uns mit Sicht auf Anflug- und Pistenlampen in einen nebelfreien Tunnel hinein zu landen. Problematischer war das Verfahren selber den Nebel vor dem Start wegzublasen. Das wurde dem Flug Swissair 306 mit einer Caravelle zum Verhängnis. Die Crew rollte mit hoher Triebwerksleistung die Piste hinunter um die Sicht von gemessenen 180 Metern auf die nötigen 400 zu verbessern. Dabei erhitzten sich die Bremsen dermassen, dass nach dem Start eine Felge explodierte und Hydrauliköl entzündete. Es war der tragische Absturz bei Dürrenäsch. Das Verfahren wurde verboten. Heute wird die Temperatur jeder Bremse im Cockpit angezeigt und das Fahrwerk würde nicht eingezogen.