Vor fünfundzwanzig Jahren begann meine grosse Welt mit der Umschulung aufs Langstreckenflugzeug DC10. Anstatt sechzig zweihundertfünfzig Tonnen, dreihundert Passagiere im Rücken und sehr komfortabel den dritten Mann im Cockpit. So bereitete uns der Fluglehrer neben dem Flugtraining in Shannon am Abend in der Dirty Mary Bar auf den Streckeneinsatz vor: „Der Kapitän denkt, der Flight Engineer arbeitet und der Copilot fliegt.
Ihr habt jetzt drei Triebwerke. Wenn eins abstellt bestellt zuerst Kaffee und fliegt weiter“. So war es dann auch. Kam im zweimotorigen Simulator noch Hektik auf wenn ein Triebwerk Probleme hatte, so flog im DC10 der Copilot nach der Analyse des Problems ruhig weiter oder bereitete die Landung vor und der Kapitän arbeitete das technische Problem mit dem Flight Engineer ab. Theoretisch mindestens, denn im Simulator servierte niemand Kaffee und es blieb auch nicht beim einzigen Motor, sondern der Instruktor „beschädigte“ rasch einen Zweiten und liess Generatoren und Hydrauliksysteme ausfallen. Also wieder schwitzen wie auf der DC9. Auf der Strecke war die grosse Redundanz der Systeme aber tatsächlich beruhigend und der Flight Engineer Gold wert. Langstrecke hiess auch etwas andere Flugvorbereitung, auf den bis achtzehn tägigen Auslandaufenthalt ausgerichtet. „Was hast du dabei“, lautete die erste Frage des Kapitäns noch vor der Flugvorbereitung für meinen ersten Langstreckenflug. Ich verstand nicht ganz. Während sich der Kapitän um die Triebstoff Berechnung kümmerte, klärte mich der Flight Engineer auf. Bei zwei Wochen Far East, davon eine Woche Karachi, sei es üblich, dass das Cockpit Wein, Bier und Spirituosen mitnehme für den abendlichen Apero mit der Crew. Auf meinen Einwand, in den Weisungen stehe es sei absolut verboten Alkohol in Pakistan einzuführen, versprach er Aufklärung bei der Einreise. Tatsächlich begrüsste der Kapitän den Zöllner überschwänglich und überreicht ihm einen Sack mit Bier, Wein und Spirituosen, worauf uns dieser strahlend durchwinkte. Der Apero, aus den Koffern der männlichen Besatzungsmitglieder ausser mir, war gesichert. Nach vier Tagen flogen wir nach Peking weiter. Ich müsse den Koffer zum shopping mitnehmen, ordnete der Kapitän an und füllte ihn im Friendshipstore für die nächsten drei Karachi Nächte. Einreise wie gehabt und Apero in der Kaptän Suite gesichert. Beim Ausflug zum Krabbenfang bestand Kapitän Ali auf seinem Segelschiff darauf, dass die Bierbüchsen erst ausser Sichtdistanz vom Ufer hervor geholt wurden. Er war dann auch nicht abgeneigt. Ebenfalls freute er sich sichtlich darauf, dass sich unsere weiblichen Flight Attendants dann zum sünnelen bereit machen werden. Der Tenuebefehl vor der Hafenreinfahrt war klar. Während wir Krabben aus dem übel riechenden Wasser zogen, holte er seine Bratpfanne hervor, rieb sie mit dem noch übler riechenden Lappen aus und bereitete die Zutaten. Mir ging es danach wie jedem Karachi Neuling. Zum Glück hatten wir Immodium in der Bordapotheke. Der Magen passt sich der Langstreckenfliegerei übrigens rasch an. Zum Einführungsprogram gehörte der Teppich Knüpferei Besuch. Zum Verkaufsgespräch tischte der Chef feinen Whisky auf. Wie hiess es doch in unseren Weisungen: Kein Alkohol erlaubt in Pakistan. Die wunderschönen Pakistani liegen mittlerweile im Keller.
Eigeninitiative gefragt
Die Flüge waren Neuland gegenüber dem behüteten Europa. Auf HF (High Frequency) Funk versuchten wir, ich immer noch etwas geplagt von Alis Krabbendinner, krampfhaft von Kunming die Einflug Genehmigung nach China zu erlangen. Im grossen Rauschen hörten wir Kalkutta, Dhaka, Bombay und Bangkok nur nicht Kunming. Beim Durchgeben unserer Position auf der Airline Frequenz stellte sich heraus, dass British, Cathay und wir praktisch zur selben Zeit auf gleicher Höhe den Navigationspunkt Kunming überfliegen würden. In gegenseitiger Absprache und mit blinder Information aller Verkehrsteilnehmer sanken wir tausend Fuss ab und Cathay stieg auf die nächst höhere Flugfläche. Und siehe da, der Chinese meldete sich, sichtlich zufrieden mit unserer Koordination und bewilligte den von uns gut vorbereiteten Einflug. Ein Viertel Jahrhundert später ist vieles anders. Bier bekommt man fast überall. Nur hat die Crew keine Zeit mehr dafür wegen der kurzen Aufenthalte. Fast der ganze Osten ist mit dem gut verständlichen VHF Funk ausgerüstet. Radar Überwachung ist grossflächig Standard. Im Flugzeug stellen Instrumente den Verkehr rundherum dar und generieren bei Annäherung eine Warnung oder ein Ausweichmanöver. Trotzdem nehmen Berichte über gefährliche Annäherungen von Luftfahrzeugen ständig zu. Einerseits hat der Verkehr enorm zugenommen. Die Navigation ist sehr genau im Bereich von Metern und nicht mehr Kilometern, die Bodenstellen haben bessere technische Mittel den Flugverkehr zu sehen und die Kommunikation ist viel rascher und auf Untersuchung ausgerichtet. So hagelt es Im Moment förmlich Berichte der schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle über sogenannte Airprox. Gemäss Artikel 3.1 der 10. Ausgabe des Anhangs 13, gültig ab 18. November 2010, zum Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 sowie Artikel 24 des Bundesgesetzes über die Luftfahrt müssen ungeplante Annäherungen von Luftfahrzeugen zwecks Verhütung von weiteren schweren Vorfällen oder gar Unfällen untersucht werden. Sporadisch von der Presse aufgegriffene Berichte können erschrecken. Unter Betrachtung der kontrollierten Ausweichmanöver und tatsächlicher Distanzen können sie aber auch oft relativiert werden.