Es ist noch nicht lange her, da standen an Weihnachten die Flugzeuge still. Das hat der noch etwas gemächlicheren Gesellschaft nicht geschadet und tat dem Personal gut. Europa Crews konnten Heiligabend zu Hause verbringen und wenige Langstrecken Besatzungen warteten im Ausland in verlängerten Aufenthalten bis wieder ein Flugzeug kam. Bei den Freiwilligen die Weihnachten an ihrer Lieblingsdestination verbringen oder Familie und Freunde mitnehmen wollten, war das sehr beliebt.
Das funktionierte auch meistens gut bis auf jenen Caracas Flug, wo die begleitenden Familienmitglieder und Freunde zehn Tage an der Sonne verbrachten, aber die Crewmitglieder bereits vor Weihnachten wieder zu Hause waren. Nach zwei Tagen Traumdestination wurden diese nämlich nach New York beordert um einen Sonderflug in die Schweiz zu fliegen. Der Job ist auch in der Fliegerei nicht immer Ferien. Heute wird auch an Weihnachten geflogen und die Maschinen mit Billigangeboten ganz gefüllt. In der modernen Linienfliegerei mit nur noch Kurzaufenthalten ist Weihnacht im westlichen Ausland für die Crews eher trostlos. Anders im Fernen Osten wo der kirchliche Hintergrund fehlt mit reinem Kommerz und boomendem Tourismus. Hingegen ist die Vorweihnachtszeit rund um den Erdball eine fantastische Augenweide mit Einblick in die Kulturen.
No-Shows und Köfferli Check
Kürzlich buchte ich einen Flug von Dallas nach Miami. Für 35 Dollar und 15 Dollar Flughafentaxe waren genau noch zwei Plätze verfügbar im Internet. Der nächste Flug hätte 800 Dollar gekostet. Kurz vor dem Boarding wurden via Lautsprecher Freiwillige gesucht und ihnen angeboten den nächsten, ehemals 800 Dollar Flug zu nehmen und dafür mit 399 Dollar entschädigt zu werden. Einige sind damit gratis von Dallas nach Miami geflogen und haben dafür 349 Dollar erhalten. Grund für diese skurrile Situation ist das sogenannte Problem „No-Show“. Passagiere mit fest gebuchten Tickets erscheinen ohne Annullation nicht zum Flug. Entweder haben sie es zeitlich nicht geschafft, wollen diesen Flug nicht mehr, haben einen anderen Flug genommen oder ihre Papiere stimmen nicht und die Behörden lassen die Ausreise nicht zu. An gewissen Destinationen muss erfahrungsgemäss mit bis zu zwanzig solcher No-Shows gerechnet werden. Um im ruinösen Preiskampf, wo jeder leere Sitzplatz über Rentabilität entscheidet, nicht mit leeren Sitzen herum zu fliegen, werden die Flüge absichtlich überbucht. Meist geht es auf. Sonst werden eben solche Angebote gemacht und bereits auch von findigen Köpfen ausgenützt. Für Ärger sorgen aber auch die Passagiere die eingecheckt haben und nicht zurzeit oder gar nicht am Flugzeug erscheinen. Aus Sicherheitsgründen muss das aufgegebene Gepäck ausgeladen werden was zu Verspätung und im Extremfall zur Auswechslung der Crew führen kann, wenn eine Überschreitung der maximal erlaubten Arbeitszeit droht. Mit der elektronischen Gepäck Erfassung kann der entsprechende Container wohl eruiert werden, aber wenn er zuhinterst im Laderaum steht dauert es. Früher gab es in solchen Fällen den sogenannten „Köfferli Check“. Alle Passagiere mussten aussteigen, ihr Gepäckstück identifizieren und was übrig blieb wurde zurückgelassen. Diese unbeliebten Passagiere haben zu kurze Umsteigzeiten, haben sich verirrt, verweilen zu lange im Dutyfree oder sind in der Lounge oder an der Bar hängen geblieben mit der Mentalität, „die warten schon auf mich“. Das ist ärgerlich und ich habe mich jeweils dazu hinreissen lassen, sie unseren Unmut spüren zu lassen mit einer Ansage: „Nun kommt auch der sehnlichst erwartete letzte Passagier der das Gate nicht gefunden hat oder an der Bar hängen geblieben ist und wir können den Flug endlich beginnen“. Die Suche nach dem Sitzplatz wurde dann zum Spiessrutenlauf unter den vorwurfsvollen Blicken der übrigen erwartungsvoll angeschnallten Passagiere. Eine solche Ansage hat mir nach einem Lagos - Accra Flug fast leidgetan. Das Gepäckstück des fehlenden Passagiers wurde gefunden und bereits ausgeladen als er Atem ringend an die bereits geschlossene Passagiertüre klopfte. Ich konnte mir einen bissigen Kommentar über den Kabinenlautsprecher nicht verkneifen, zudem der Bodendienst entschied, die Frachttüre sei wieder zu öffnen und das Gepäck des offenbar wichtigen Vielfliegers einzuladen. Damit verpassten wir den Startslot, was eine weitere halbstündige Verspätung zur Folge hatte. Als wir nach drei Tagen Accra Aufenthalt in Lagos andockten, kam der Stationsleiter breit grinsend ins Cockpit. Was um Himmels Willen ich den gesagt hätte. Das Hauptthema im Schweizer Club sei momentan, der Schweizer Geschäftsmann und regelmässige Besucher des Clubs habe ein Swiss Flugzeug mit über zweihundert Passagieren um eine Stunde verspätet. Mit einem vierseitigen Brief an die Geschäftsleitung mit Kopie an mich entschuldigte sich dieser im nach hinein. Einen Schweizer Landesvater verschonte ich vor der Blossstellung als das Bodenpersonal mitteilte, der fehlende Passagier sei Bundesrat aber man habe ihn jetzt in der Lounge gefunden. Ich stellte mich demonstrativ zur Begrüssung an die Tür. Der Magistrat stellte Aktenkoffer und diverse Plastiktaschen auf den Boden, schüttelte mir strahlend die Hand und setzte zum Gespräch an, als seine ihn begleitende um einen Kopf überragende Ehefrau von hinten laut rief: „Lauf etz endlich zue wemer scho zspoot sind“. Darauf senkte er gehorsam seine Arme, nahm Aktenkoffer und Plastik Taschen wieder auf, sah treuherzig zu mir ihn ebenfalls um einen Kopf überragend auf, zuckte die Schultern und meinte resigniert: „Happy Landing und schöni Fäschttäg“.