Fliegen ist Physik und damit Zahlen. Piloten müssen also mit Zahlen umgehen können. Bereits in der Selektion wurden wir beim Fliegen im Simulator mit Zahlen und Kopfrechnungen konfrontiert. Man musste Prioritäten setzen und die Maschine fliegen auch wenn die Resultate darunter litten. Ein Tummelfeld für die auswertenden Psychologen.
Schlimm war die Übung mit ständig änderndem Magnetkurs als über Kopfhörer die Anweisung kam, das Ganze sei um 180 Grad zu drehen und abzufliegen. Man durfte nicht aufgeben und musste das Beste aus der Situation machen. Never ever give up – ein Pilot darf nie aufgeben weil er nicht anhalten kann. In der Instrumentenflug Ausbildung galt es fiktive Warteschlaufen zu fliegen nach genauen Regeln aufs Grad genau. Es galt das Manöver zu berechnen, abzufliegen und dabei Höhe und Geschwindigkeit genau halten. Von Hand und ohne Autopilot. Diese Lektionen wurden durch Instruktoren erteilt, überwacht und qualifiziert die selber gar nicht fliegen konnten, aber ihre Maschinen im Schlaf beherrschten. Sie entschieden ob jemand am Schluss Pilot wurde, was uns damals den Einlass ins Paradies bedeutete. Heute überlässt man das dem Navigationscomputer und dem Autopiloten. Und die Maschine darf ungenauer sein als wie damals. Rückblickend war es eine gute Basis die uns Piloten alter Schule gelegt wurde. Zurück zu den Zahlen im Titel mit Bezug zur modernen Fliegerei. Am 29. Januar wird das neue Swiss Flaggschiff, die Boeing 777 in Kloten landen. Vorgängig wurden Zahlen verglichen und Zahlen definieren die Maschine. Sie besteht aus gut 3 Millionen Einzelteilen, wurde von 35000 Mitarbeitern in 46 Tagen produziert und 215 Kilometer Kabel wurden verlegt. Für die Airline wesentlich, bietet sie Platz für 340 Passagiere die maximal 14490 Kilometer weit geflogen werden können. Die Flugzeug Industrie funktioniert anders als die Autoindustrie. Die Entwicklungskosten sind enorm und die Lebensdauer eines Flugzeuges dementsprechend lang, nämlich Jahrzehnte und über 100000 Betriebsstunden. Der 777 liegt ein Technikstand zu Grunde der von Autofahrern kaum gekauft würde. Es ist ein altes neu hergestelltes Flugzeug das im Jahr 1994 entwickelt wurde und in der Swiss Version seit 13 Jahren fliegt. Die Zeit wo Swissair für Neuentwicklung stand ist endgültig vorbei. Flugzeugkäufe sind aber auch nicht immer ganz rational. Schon zu Swissair Zeiten haben wir die Flugzeug Einkäufer benieden um ihre Einladungen zu Familienferien in die Karibik oder zum Skifahren in Denver. Es ist das erste Flugzeug dieser Grösse und mit dieser enormen Reichweite das nur 2 Motoren hat. Langstreckenflugzeuge hatten früher 4 Motoren, Douglas und Lockheed kamen auf die geniale Idee 3 Motoren. Heute wird zunehmend 2 Motoren zum Standard mit entsprechend tieferen Kosten. Die Reduktion der Motoren wurde möglich durch die laufend nach oben angepasste ETOPS (Extended –range Twin-engine Operational Performance Standards) Vorschrift. Diese Regel besagt in welcher Flugzeit ein zweimotoriges Flugzeug beim Ausfall eines Triebwerks einen Ausweichflugplatz erreichen können muss. Regel war früher eine Stunde. Das hiess über den Atlantik oder über grosse Wüsten brauchte es drei oder vier Motoren. Aus 60 Minuten wurden dank zuverlässigeren Triebwerken 90, dann 180 und im Falle der 777 wären sogar 300 Minuten möglich. Mit zwei Motoren kann man damit praktisch alle Destinationen anfliegen, vorausgesetzt die Wartung zeigt die verlangte Zuverlässigkeit welche ständig überprüft und dokumentiert werden muss. 516000 Liter Coca Cola und 248459 Liter Bier wurden übrigens letztes Jahr auf Swiss Flugzeugen ausgeschenkt. Viel wichtiger in Höhe und abnehmendem Trend ist die Zahl 3,52 Liter Kerosin um einen Passagier 100 Kilometer weit zu fliegen. Umgerechnet auf den Strassenverkehr mit seinen Umwegen und wenigen Insassen eine erfreuliche Entwicklung die sich mit neuem Flugmaterial fortsetzen wird.
Eine andere Zahl (Zeit) veränderte sich auch
Nämlich die Verweildauer des Flugpersonals in Beruf und Firma. Früher waren es meistens Lebensstellen in Traumberufen. Das Grounding war eine Zäsur. Zunehmende Hektik, kürzere Aufenthalte, abnehmende Wertschätzung und Job Attraktivität sowie einfachere Reisemöglichkeiten für alle haben dazu geführt, dass sich insbesonders viele Flight Attendants nicht als solche pensionieren lassen. Sie schnuppern kurz den Duft der weiten Welt und kehren zurück in den angestammten Beruf oder ins Studium. Die Flugfamilie war, nicht nur aber auch deswegen, früher viel intensiver. Man kannte sich, war bis zu drei Wochen unterwegs miteinander, hatte gemeinsame Interessen und kaum Verbindung nach Hause. Zeitgemäss war man früher per sie mindestens bis zum ersten Bier. Sogar im Cockpit brauchte es bei einigen alten Kapitänen eine Bewährungszeit als Copilot. Kürzlich bin ich im Flugbuch auf den Flug Rio-Zürich vom 14. Juni 1990 gestossen. Wir hatten eine Woche Aufenthalt und es war der Letztflug der Erstklass-Stewardess Julie. Sie war eine fast aristokratisch wirkende, sehr distanzierte Blondine mit der wir tatsächlich bis zum letzten Abend per sie waren. Sie war die geborene Gastgeberin für die Erstklass Passagiere und verwöhnte auch das Cockpit während dem ganzen Flug. Wir bereiteten ihr einen wunderschönen Letztflug und hoben sie in Zürich ins Triebwerk der DC-10 für ein Abschiedsfoto. Ein Foto das 11 Jahre später beim Grounding und noch heute ganz besondere Gefühle hervor ruft.