Vom meteorologischen zum technischen cb

Geschrieben von Markus Müller

Diese zwei Buchstaben prägen Piloten. Wie er damit umgeht ist entscheidend für die Flugsicherheit. Das mag dramatisch tönen. Aber wenn am Funk die Meldung kommt „cb ahead“ (Gewitter voraus) sind alle im Cockpit hellwach und suchen mit dem Radar den Luftraum ab. Wenn ein cb, elektrische Sicherung, heraus springt ist grosses technisches Verständnis gefragt und es gilt allenfalls mit reduzierten Systemen weiter zu fliegen.

Wir haben kürzlich starke Gewitter und damit verbunden grosse Niederschlagsmengen erlebt. In der Fliegerei, speziell Richtung Amerika, Fernost und Afrika gehören sie zum Alltag. Cumuli,  Watte ähnlich weisse Sommerwolken, sind der Motor der Segelflieger. Die aufsteigende Luftmasse bringt mit Thermik Höhe, welche der Pilot in Distanz umsetzen kann. Motorlose Streckenflüge von mehreren hundert Kilometern sind von Wolke zu Wolke fliegend möglich. Mit dem Verkehrsflugzeug kann man sie problemlos durchfliegen. Es schütteln und beim ein- und ausfliegen bekommt man die grosse Fluggeschwindigkeit so richtig mit. Cockpitbesucher ziehen dann instinktiv den Kopf ein. Beliebt ist vor dem eintauchen in die Wolkendecke das Flugzeug wenige Meter über der Obergrenze zu halten, den Wolkenhügeln sportlich auszuweichen oder den Flügel einzutauchen. Wenn die Cumulus Wolke mächtiger wird, aufschiesst und sich von harmlos weiss zu bedrohlich schwarz entwickelt, wird sie zum Cumulonimbus, zur Gewitterwolke oder in aviatischer Terminologie zum cb. Einzelexemplare können einfach umflogen werden. Wenn sie sich zu sqall lines, riesigen Linien, formieren oder zu Superzellen oder sogar Tornados entwickeln, wird es ungemütlich. Irgendwo muss man sich einen Weg suchen denn das Kerosin wird ständig weniger. Wenn das nicht gelingt landet man halt wo es noch möglich ist. Miami ging wegen einem riesiges Gewitter zu, der Ausweichflugplatz Fort Lauderdale war auch betroffen. Nach einer halben Stunde beobachten flogen wir Orlando an. Weiter hätte es auch nicht gereicht zudem in den USA sobald es in Flugplatznähe blitzt, das gesamte Bodenpersonal aus Sicherheitsgründen abgezogen wird und der Flugplatz damit geschlossen ist. In Gewitterwolken drohen Turbulenzen die auch grosse Flugzeuge zerlegen könnten sowie Hagel der das Flugzeug empfindlich beschädigen kann. Im amerikanischen Sommer muss man oft mehrere hundert Kilometer vom Kurs abweichen um Gewitter zu umfliegen. Die Fluglotsen helfen dabei kompetent denn sie haben das ganze Land im Radar. Der Flugzeugradar ist mittlerweile genau und empfindlich, braucht aber sehr grosse Erfahrung zum interpretieren, Gewitterwolken von Bergen, Gewässern oder Städten zu unterscheiden und schlussendlich den richtigen Flugweg auszuwählen. Von Hongkong zurück hat uns eine schnellere Air France 777 überholt und flog geradewegs in einen tiefrot dargestellten cb hinein. Es muss den Kollegen stark in die Knochen gefahren sein, denn sie wichen den folgenden Gewitterwolken mit derart grossem Abstand und längerem Flugweg aus, dass wir sie ständig wieder überholten. Auf dem Boden darf der Radar nicht eingeschaltet werden. Die hoch energetischen Radiowellen stellen eine Gefahr für Mensch und Objekte dar. In der Luft werden die ausgesandten Wellen von Objekten und dem in der Wolke enthaltenen Wasser reflektiert und auf dem Bildschirm dargestellt. Wolken mit viel Wasser und damit Verdacht auf Gewitter weichen wir grossräumig aus. Das Schauspiel der Blitze ist faszinierend zwischen den Gewitterwolken. Dazu kommt ein weiteres Feuerwerk auf der Cockpitscheibe. Die elektrisch geheizte Scheibe und die aufgeladene Atmosphäre in Gewitternähe führen zum Arcing mit unablässigem Wetterleuchten auf der Scheibe und speziellem Geruch.

Vom meteorologischen zum technischen cb.
Wenn der cb, Circuit Breaker oder Sicherung, vom Radar heraus springt, funktioniert dieser stromlos nicht mehr. Er springt aber nicht grundlos heraus, sondern zum Beispiel wegen einem Kurzschluss. Flugzeuge haben weit über hundert solcher cb in Form von kleinen Knöpfen. Früher ging man ziemlich sorglos damit um. Wenn einer heraus sprang drückte man ihn hinein, wenn nötig nochmals. Als Computer Einzug hielten, dienten cb zusätzlich dazu diese stromlos zu machen zum reset. Beides ist problematisch im Flugzeug. Es kann ein Elektrobrand resultieren und bei den komplex vernetzten Systemen kann ein gut gemeinter reset plötzlich unerwartete Komponenten lahm legen. Zufällig haben wir so festgestellt, dass beim ziehen eines unwichtigen Kabinen System cb, das Fahrwerk nicht mehr ausgefahren werden kann. Nach der schmerzlichen Erfahrung Swissair 111 haben wir im Engineering bestimmt, dass auf der Swissair Flotte keine heraus gesprungenen cb mehr gedrückt werden dürfen und Computer Reset nur noch durchgeführt werden darf wenn ausdrücklich in der Checkliste vorgesehen. Entgegen der Skepsis von Technikern und Managern folgte uns Airbus kurze Zeit später mit der gleichen Regelung die seither weltweit gilt. Moderne Cockpits sind mittlerweile viel aufgeräumter. Viele cb sind unter den Cockpitboden verschwunden und nur noch ganz wenige sind für den Piloten noch erreichbar. Springt also der cb des eingangs erwähnten Radars heraus, wird das als Warnung angezeigt und der Sicherheit bewusste Pilot wird den Flug je nach Wetterlage abbrechen weil weiterfliegen die Gefahr birgt im Blindflug in einen cb, ein Gewitter, hinein zu fliegen.   

Kategorie: