Am Sonntag jährt sich ein Ereignis zum fünfzehnten Mal das man nie erwartet hätte und das nicht hätte geschehen dürfen: Das Swissair Grounding. Man weiss wohl, dass Airlines kommen und gehen und oft eher aus Wunschdenken heraus entstehen als aus wirtschaftlichen Voraussetzungen. Samih Sawiris hat mich einmal laut ausgelacht auf meine Frage, warum er keine eigene Airline betreibe für seine Ferienressorts. Er habe den Fehler dreimal gemacht und sei dreimal bankrott gegangen. Er würde es nie wieder tun.
Von den über sechzig in der Schweiz gegründeten und wieder verschwundenen Fluggesellschaften seien nur die Bekanntesten wie Ad Astra, Balair, CTA, Air Engiadina, TEA, Globe Air, African Safary, Air Switzerland, Odette, Swiss World, SATA, Baboo oder Crossair erwähnt. Und, damals unvorstellbar, gehört seit fünfzehn Jahren auch Swissair in diese unrühmliche Gruppe. Wir wunderten uns schon etwas als „Super-Mario“ Corti, wobei ich bis heute nicht verstehe was an ihm super hätte sein sollen, bei seinem ersten Auftritt vor uns Piloten als neuer CEO und später gleichzeitiger VR Präsident so sehr betonte, er sei denn auch im Besitz der Berufspilotenlizenz und habe sich den Bubentraum erfüllt Chef der Swissair zu sein. Dass seine zweimotorige private Propeller Maschine ständig im Hangar hin und hergeschoben werden musste von den Mechanikern um ihrer Arbeit nachgehen zu können war auch nicht gerade ein Zeugnis, dass er grosse Ahnung vom Betrieb einer Fluggesellschaft hatte abgesehen davon, dass er wohl viel zu spät, neben seiner etwas naiver Freude am neuen Job, die wirkliche finanzielle Situation erkannte.
Flucht ins Gold
Spätestens nach Nine-Eleven (9. September) und dem zunehmenden Misstrauen von Handling- und Betankungsfirmen gegenüber unserer Kreditwürdigkeit, die darin gipfelte dass wir grosse Dollar Summen im Cockpit mitführten um allenfalls die Kerosin Rechnung bar bezahlen zu können, rechneten wir immer mehr mit einem „Chlapf“. Dabei hofften wir lange auf Restrukturierung und Flottenverkleinerung. Meine letzte Destination vor dem Grounding war Dubai. Die Situation schweisste die Crew noch mehr zusammen als sonst. Zusammen schlenderten wir durch die Stadt mit den vielen Gold Läden. Die Auslagen blendeten förmlich mit den dort üblichen hohen Karaten. In Vorahnung es könnte der letzte Flug sein und als Erinnerung an diesen, an eine tolle Crew und überhaupt an eine wunderschöne Zeit, packte uns plötzlich das Kauffieber. Ich erstand mir eine massive Arm Kette. Bezahlt wurde nach Gewicht. Getragen habe ich sie zwar nie, da meine einzigen zur Schau getragenen Schmuckstücke eine IWC und bei besonderen Gelegenheiten der Ehering sind. Aber sie erinnert mich in der Schublade noch heute in nachdenklichen Augenblicken, wie eben jetzt am Schreibtisch, an die goldenen Zeiten der Schweizer Luftfahrt.
Eindrücklicher Zusammenhalt - erste und einzige Demo
Die Solidarität untereinander war toll. Wohl wurde mit dem Bundes Notprogramm wieder geflogen aber niemand wusste wie lange. Die Instruktoren stellten sich in ihrer Freizeit zur Verfügung um freiwillige Simulator Checks abzunehmen und damit den Kollegen eine möglichst lange Gültigkeit der Lizenz zu verschaffen für alle Fälle. Der Kassier im Operationscenter schloss seinen Schalter nicht mehr um fünf sondern war auch um Mitternacht noch da und zahlte den Besatzungsmitgliedern nach der Landung vom Spätflug das Spesengeld aus bis seine Kasse leer war. Und das war anfänglich öfters der Fall. Wer nicht gerade auf der Strecke war, nahm an der Demo vor den Sitz Opfikon der UBS teil. Meine erste und einzige Demo. Eine gewisse Schadenfreude ist verständlich, als diese Bank selber ins Wanken geriet und prominente Köpfe rollten. Jahre später hatte ich einen dieser Köpfe an Bord auf dem Flug nach Tokyo. Der mit dem Namen, Zitat Viktor Ciacobbo an der Falken GV, „der nach Hund tönt“ sass unmittelbar neben Christine Lagarde, Direktorin IWF, in der First Class. Die beiden, unterwegs zu einer Währungskonferenz, hatten sich aber offensichtlich gar nichts zu sagen. Die Bahnfahrt nach Bern an die Demo vor dem Bundeshaus war für alle Swissair Angestellte gratis als Solidaritätsakt der SBB Mitarbeiter. Ich freue mich heute noch über das teilnahmsvolle Telefon des damaligen Schaffhauser Stadtpräsidenten, er würde mir einen Job anbieten wenn nötig. Und die Bank würde er auch wechseln.
Von Swissair SR100 zu Swiss LX16
Mein erster Flug nach dem Grounding war die legendäre Swissair 100 nach New York. Eine Stadt die man kurz nach dem Terroranschlag mit eigenartigem Gefühl anflog und wo in der Skyline einfach etwas fehlte. Bereits im Anflug war das gewohnte und geliebte Bild anders. Auf der Busfahrt war die Lücke offensichtlich und es herrschte Stille wo sonst die Crew munter plauderte. Beim Blick aus den Strassenschluchten Manhattans empor fehlten die beiden Turmspitzen und vom Empire State Building herab schauend bedrückte uns das Loch sehr und relativierte das Grounding etwas in seiner Dimension. Als Passagier hatten wir Ulrich Bremi an Bord. Wir luden den FDP Politiker und Unternehmer ins Cockpit ein und diskutierten zwei Stunden mit ihm die Situation und die Zukunft der nationalen Airline. Jahre später sollte er recht behalten mit seiner Prognose. Der Zufall wollte es, dass ich am ersten April 2002, dem Starttag der neuen Airline Swiss, denselben Flug hatte, allerdings als Swiss 16. Noch ein paar Jahre später sass die gesamte Alitalia Crew in der Hotellobby in Sao Paulo. Ein paar telefonierten und berichteten den Kollegen aufgeregt. Sie wussten nicht ob sie fliegen würden denn Alitalia stand vor dem Grounding. Uns beschäftigte das im Ausgang sehr und wir fühlten mit den Kolleginnen und Kollegen mit. Alitalia fliegt immer noch, Swissair nicht mehr.