Geschichten um «Merry Christmas»

Geschrieben von Markus Müller
Overhead Panel

Flugeinsätze um Weihnachten sind besonders. Die Vorweihnachtszeit ist für Auge, Gemüt und Einkaufslust an jedem Ort der Welt ein Genuss und überall anders von traditionell über exotisch bis grotesk. Unverhofft kamen wir in Paris zu einem spendierten vorweihnächtlichem Dinner. Auf dem kurzen Flug fand ein kultivierter Geschäftsmann aus dem Emirat Gefallen an einem jungen Flight Attendant. Seine Absicht sie gleich mitzunehmen brachte das wenig Flug erfahrene Mädchen in grosse ablehnende Verlegenheit.

Er meinte dann, das Geschäft einfacher unter Männern abwickeln zu können und meldet sich, damals noch unkompliziert möglich, im Cockpit. Er zeigte wohl Verständnis für unser Bedauern ihm nicht helfen zu können, verstand aber trotzdem nicht, dass die junge Dame den Job nicht auf der Stelle quittieren und Weihnachten bei ihm verbringen wollte. Mit einem Angebot, immerhin nicht in Kamelen, machte er in einen letzten Versuch. Nach der Landung liess uns der gute Verlierer einen Umschlag ins Cockpit bringen. Die tausend Franken reichten für einen tollen Crewabend in Paris. Die Leute sind oft fröhlicher und versöhnlicher in der Weihnachtszeit. Hinter der touristischen Kulisse bleibt aber oft Ohnmacht und Hilflosigkeit ob der Armut und dem Fehlen jeglicher Perspektiven. Piloten und Stewardessen wird nachgesagt sie würden das Leben in vollen Zügen, wenn nicht gar ausschweifend, geniessen. Stimmt, sonst würden sie im Büro arbeiten. Viele haben aber auch ihre ganz persönlichen Hilfs Projekte und bringen mindestens kleine Tropfen auf die vielen heissen Steine dieser Welt. Kinderheime, Kliniken, Familien, Strassenprojekte oder lokale Eigeninitiativen wie Marktstände, Secondhandshops oder Kleinküchen werden unterstützt. Das grösste Projekt wurde genau vor sechzig Jahren von Swissair Personal gegründet. Es hat das Grounding überlebt, blieb zum Glück dem gierigen Sachwalter verwehrt und wird immer noch geführt, betreut und alimentiert von ehemaligen Swissairlern. Die Stiftung Kinderhilfe des Swissair Personals hat tausenden Kindern geholfen und zahlreiche Kinderdörfer auf der ganzen Welt unterstützt oder selber betrieben und bisher über zwanzig Spendenmillionen nachhaltig eingesetzt. Beispiellos haben sich Leute wie Captain Kurt Bürki für sein eigenes Kinderdorf in Indien eingesetzt und viele zum Mitmachen motiviert. Oder Kapitän J.D. auf seine unkonventionelle Art. Auf dem Flug nach Brazzaville fragte er mich, ob es okay sei wenn seine Zulu Frau ins Hotel komme für Weihnachten. Es hätte auch nichts geändert wenn ich nein gesagt hätte. So wenig wie sich der hervorragende Pilot mit den öligen langen Haaren und welschem Charme ins Flughandwerk reden liess. Er flog schneller als alle anderen und das bis zur Landung. Vorschrift ist die Geschwindigkeit unter 3000 Meter auf unter 250 Knoten (460 km/h) zu reduzieren. Er bretterte aus Prinzip fröhlich lachend mit 330 kts (610 km/h) weiter. Am Schluss war das Flugzeug aber immer richtig konfiguriert und alle Zeiger genau dort wo sie sein mussten für die von ihm gewohnte perfekte Landung. Herausfordernd strahlte er, mit der Zigarette im Mundwinkel, uns Copiloten an und legte die Latte hoch: „Kannst du auch machen, aber es mue uf go am Schluss“.  Mehr als einmal hörte ich ihn am Funk wettern, welcher Langweiler vor ihm ihn ausbremse. „Oh du fröhliche“ über den Wolken war damals auf DC-10 noch möglich ohne die heute permanente Datenaufzeichnung im Nacken. Seine  Zulu Frau wartete bereits an der Rezeption mit einer Schar Kinder. Es wurde eine fröhliche familiäre Weihnachtsfeier mit der ganzen Crew und schlussendlich dem ganzen Hotelpersonal am Pool. Allen „seinen Kindern“, auch in Kinshasa, Johannesburg oder Libreville, hat er eine Ausbildung, zum Teil in der Schweiz, und einen guten Start ins Leben ermöglicht.

In Accra machten wir uns wenig weihnächtlich lustig auf Kosten einer Kollegin. Am ersten Festtag genossen wir das Menü im Hotel mit Poolparty und Life Musik. Am zweiten Tag machte ich der Crew einen Abend unter Einheimischen schmackhaft. Eine junge Kollegin musste allerdings intensiv dazu überredet werden. Sie esse nur im Hotel oder mitgebrachtes und überhaupt die Mosquitos. Im „Maison“  traute sie sich kaum die Arme auf den Tisch zu legen, wobei diese etwa gleich klebrig vom Antibrumm gegen Malaria Mücken waren wie das schmuddelige Tischtuch. Sie entschied sich für meine Lieblingsspeise „Fufu“  trotz meiner Schärfe-Warnung. Für uns unbegreiflich bestellte sie dazu ordinär Frühlingsrollen und ein halbes Huhn. Die Frühlingsrollen rührte sie nicht an nachdem der Copilot etwas unbedacht bemerkte, das Frittier Öl sei wohl ein paar Jahre in Gebrauch. Das Suppenhuhn sah wirklich unansehnlich aus und sie schob es angewidert zur Seite. Und meine geliebte Fufu Kugel mit Sauce war ihr zu scharf. Langsam zum Gespött geworden, wies der Copilot darauf hin, dass der rostige Rand an ihrer Cola Flasche nicht sehr hygienisch aussehe. Wir verfrachteten die Arme unverpflegt ins Taxi Richtung Hotel und dislozierten fröhlich, die Bierbüchsen hatten keinen Rost, ins naheliegende Macumba. Da hatte ich dann den Spott. Grölend zeigte die zahlreiche Dorfjugend auf mich an der Spitze der jungen Mannschaft und rief „Papa, Papa“. In den USA, ausser New York, ist Weihnacht wie Thanksgiving ein ausgeprägtes Familienfest und man muss froh sein, etwas Essbares zu  bekommen. Anders im Fernen Osten wo Weihnachten auf der Strasse, in Hotels, Clubs, Restaurants und Bars ausschweifend gefeiert wird. Es ist ein importiertes Fest und wird entsprechend vermarktet für Ausländer. Happy New Year allen Kolumnen Lesern!

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