In Umfragen über Vertrauen in Berufe wechseln sich Krankenschwester und Pilot hinter Feuerwehr ab. Dafür gibt es viele Beispiele wie kürzlich die Ausweichlandung einer Swiss Maschine im kanadischen Iqaluit. Natürlich üben Piloten solche Situationen im Simulator. Wenn aber einer zweimotorigen Maschine ein Triebwerk ausfällt, damit die Hälfte der Leistung fehlt, die Redundanz augenblicklich weg ist, die nächsten Linienverkehrs-Flugplätze Reykjavik und Edmonton über drei Flugstunden entfernt sind und innerhalb einer Stunde nur ein Flugplatz mit minimaler Infrastruktur im arktischen Winter liegend zur Verfügung steht müssen in kurzer Zeit wichtige nicht korrigierbare Entscheide getroffen, geflogen und organisiert werden.
Über dreihundert Passagiere in Sommerkleidung gilt es sicher auf den unwirtlichen frostigen Boden zu bringen. Es wurde mit Bravour gelöst und die Umfragewerte bestätigt. Während die Piloten in der Luft ganz allein und auf sich selber gestellt sind, ihnen niemand die Entscheidung abnehmen kann und kaum Beratung möglich ist, muss am Boden das Team Piloten, Kabinenbesatzung, Bodenpersonal, Mechaniker, Spezialisten der Hersteller und die Koordination aus der Schweiz funktionieren. Auch das hat hervorragend geklappt. Bei bis zu minus fünfzig Grad musste das über acht Tonnen wiegende Triebwerk ausgewechselt werden. Eine Herausforderung war das Hilfstriebwerk, ausgelegt für kurze Laufzeiten, sieben Tage ununterbrochen in Betrieb zu halten. Eingefrorene Wasser- und Ölleitungen hätten einen Start der reparierten Maschine verunmöglicht.
Technik nimmt zunehmend Entscheidungen vorweg
Ein Swissair MD80 Kapitän stellte kurz nach dem Start fest, dass ein Triebwerk rasch Öl verlor. Geistesgegenwärtig stellte er es ab. Die Chefpiloten wollten ein Disziplinarverfahren einleiten, denn er stellte, damals fast Todsünde, ein Triebwerk ohne Checkliste, die zum gleichen Ergebnis geführt hätte, ab. Es wurde dann davon abgesehen, denn er rettete ein Triebwerk das sonst angefressen hätte und vielleicht sogar explodiert wäre. Mit der neuen Generation digitaler Flugzeuge kam das sogenannte FADEC (Full Authority Digital Engine Control). Als dieser Computer ohne Zutun der Piloten erstmals die Triebwerkleistung eines MD11 Motors ohne Checkliste zurück nahm, brach bei den Piloten blankes Entsetzen aus. Heute ist es Standard. Der Pilot wählt den Schubmodus der vom FADEC umgesetzt wird. Auch auf dem Iqaluit Flugzeug hat das FADEC rascher als die Piloten es können festgestellt, dass etwas mit dem Übertragungsgetriebe für Öl-, Treibstoffpumpen und Generator nicht stimmt und mit seinem Algorithmus das Triebwerk ohne Zutun der Piloten abgestellt. Dadurch entstand der kleinstmögliche Schaden aber die Crew wurde auch vor vollendete Tatsachen gestellt. Flugzeugindustrie und Eifer ihrer Ingenieure müssen sicher kritisch begleitet werden denn Computer sind nur so gut wie die Signale die sie bekommen zuverlässig sind und ihre Algorithmen für den konkreten Fall stimmen. In letzter Konsequenz muss der Pilot das letzte Wort haben denn es kann noch ein weiter Flug sein.
Team und persönlicher Einsatz zählen
In Miami brach die Stossstange mit der uns der Traktor zurück stiess und beschädigte das Bugfahrwerk. Die Vertragsmechaniker waren ratlos und es drohte Annullierung des Flugs mit über zweihundert Passagieren an Bord. Da meldeten sich zwei Swiss Mechaniker auf Ferienreise, sie würden gerne helfen. Grösstes Problem war die Zustimmung von Zoll- und Sicherheitsbehörden. Argumentiert wurde mit Sabotage und Arbeitsbewilligung. Wir mussten Ausweise kopieren und Erklärungen unterschreiben. Die Zeit in der die Crew den langen Flug überhaupt noch durchführen durfte lief derweil davon. Unter Führung der beiden „Passagiere“ wurden bei Fremdairlines Ersatzteile beschafft, mit Zürich Kontrollnummern verglichen und die Einbaubarkeit geprüft, ersetzt, getestet und ein Reset der Bordcomputer gemacht. Die Crew organisierte sich mit Ruhezeiten um Einsatz fähig zu bleiben. Das gut funktionierende Team rettete den Flug und sparte der Firma viel Geld. Die tägliche Operation im Ausland steht und fällt mit der Führung vor Ort. In Douala managte unsere Stationsleiterin Tina den Laden hervorragend mit starker Hand. Sie war gleichzeitig überall mit ihrem sympathischen Französisch-Schweizerdeutsch. Beim Passagier der ein Anliegen hatte, bei der Lademannschaft die trödelte, beim Mechaniker der Betankungsprobleme hatte, im Cockpit mit Daten und Dokumenten, im Wetterbüro für Flugunterlagen oder bei der Kabinencrew zu Fragen zum Catering. Wieder einmal wirbelte Tina erfolgreich herum und kommandierte die Lokalen mit energischer Stimme während wir auf den Start nach Yaoundé drängten. „Oh immer ihr Schaffhauser“ rief der mitfliegende Mechaniker lachend und Hände ringend als Tina und ich gleichzeitig etwas von ihm wollten. „Du und Tina natürlich“, beantwortete er meinen erstaunten fragenden Blick. Tatsächlich sei sie teilweise in Hallau aufgewachsen, klärte sie mich auf. An ihre farbige und fröhliche Hochzeit erinnerte sich auch der Hallauer Dorfmetzger als ich ein paar Hallauer Würste für den nächsten Flug nach Kamerun holte. Da fiel mir erst ihre Ähnlichkeit auf. Es stellte sich heraus, dass ihre Mutter 1963 meine Drittklasslehrerin war. Heidi Kabangu –Stahel gründete vor vierzig Jahren das Schulzentrum Les Gazelles im Kongo und verbrachte die meiste Zeit dort. Letzten Mittwoch sah ich sie erstmals nach vierundvierzig Jahren wieder anlässlich einem Vortrag übers Fliegen. Die Fliegerei ist halt wie eine grosse Familie.