BB zu SR, zu LX, wird 4T, AB übernimmt und verschwinde. Mit diesem vordergründig unverständlichen Satz kann die Geschichte der schweizerischen traditionsreichen Fluggesellschaft Balair wiedergegeben werden. Die Buchstaben sind die weltweit verwendeten IATA Airline Abkürzungen.
Balair (BB) wurde 1925 in Basel gegründet. Zusammen mit Ad Astra wurde daraus 1931 Swissair (SR). 1953 wurde die zweite Balair gegründet – vorerst zum Pilotentraining und als Abfertigungsgesellschaft. Später betrieb sie eine Charterflotte und wurde ab 1959 von Swissair übernommen. Beim Grounding suchten gescheite Leute ihr Heil in der Crossair (LX), und die Tochter Balair wurde kurzfristig mitgenommen. Aus ihr wurde dann, sehr einfallsreich, Belair (4T). Als auch das nicht funktionierte, kam sie unter die Fittiche von Air Berlin (AB). Jetzt scheint ein neuerliches Ende unvermeidlich.
Der letzte CEO bis Ende März ist übrigens ein Beringer Ex-Swissair-Pilot. Ein zweites Stück emotionaler Schweizer Luftfahrtgeschichte geht damit wohl zu Ende. Wenn man nämlich im aviatischen Kollegenkreis Balair erwähnt, leuchten immer ein paar Augen auf, und es werden Erlebnisse, Erinnerungen und Geschichten erzählt. Viele ehemalige Balair-Flight-Attendants arbeiten heute bei Swiss. Swissair-Piloten haben damals die Balair-Flugzeuge geflogen. Die DC9 bereicherten das Kurzstreckendasein mit interessanten Flügen und Aufenthalten in Afrika und auf den Kanarischen Inseln. Mit der einzigen Balair DC10 bot sich eine tolle Abwechslung zum Linienflug mit langen Aufenthalten an Traumdestinationen wie Malediven, Kenia, Südafrika, die Karibik, Florida oder die Westküste der USA.
Im Einsatz war das Team jeweils stark gefordert, da alles nicht so gut organisiert war wie bei der personell gut dotierten Swissair Operation, zudem in meist exotischer Umgebung. Wichtig war der mitfliegende Mechaniker. Er kannte alle Tricks und besorgte alles, von der Lademannschaft über das Catering bis zu Ersatzteilen und Flugsprit. Mittel und Bekanntschaften, die er dazu mobilisierte, hinterfragte man besser nicht. Es waren hervorragende Techniker, die ihr Flugzeug aus dem Effeff kannten und sich nicht scheuten, mit selbst gebauten Bambusgerüsten das hoch liegende Hecktriebwerk zu reparieren.
Einen dieser mittlerweile ausgestorbenen Spezies habe ich kürzlich an einer Geburtstagsfeier in Bargen getroffen. Er machte mit seiner Partnerin Ländlermusik und erzählte die Witze, die ich schon vor dreissig Jahren im Cockpit oder an der Bar in Montego Bay von ihm gehört hatte. Zuerst wies er uns aber damals an, wo wir das einzige Grossflugzeug auf dem Tarmac in Jamaika abstellen sollten. Er winkte die Treppe heran, und die 360 Passagiere marschierten, nachdem sie ihre Koffer nach dem ebenfalls von ihm organisierten Ausladen in Empfang genommen hatten, durch das einfache Tor im Maschendrahtzaun, um von beeindruckend uniformierten Beamten einen grossen farbigen Stempel in den Pass gedrückt zu bekommen und mit einem Glas Rum begrüsst zu werden.
Exotische und lange Aufenthalte liessen ungewöhnliche Gedanken aufkommen. In Montego Bay rief ein bayrischer Kapitän einen Wettbewerb ins Leben, wer im «Cotton Tree», in einem Restaurant unter einem riesigen Baum, am meisten Lobster essen könne. Er hätte mehr Chancen im Biercontest gehabt, denn ich nehme an, mein damaliger Flight Engineer blieb Rekordhalter. Er brachte es auf sechseinhalb grillierte Lobster. Unser Umgang mit der «à discrétion»-Speisekarte schien dem Wirt dann doch zu ruinös, und er eröffnete uns beim zweiten Besuch, er bringe das nächste grillierte Exemplar erst, wenn alle Zutaten, bestehend aus Reis und Kochbananen, aufgegessen seien.
Eigentliche Lobster-Destination war aber Bangor, Maine, die Zwischenlandung des San-Francisco-Flugs. Während die Kollegen mit dem aufgetankten Flugzeug und den Passagieren weiterflogen, reichte die Zeit bis zu ihrer Rückkehr gerade zum Lobster-Essen bei Captain Joe, mit seinen etwa dreissig Heisswassertöpfen in der Küche, und zum Schlafen. Weniger komfortabel, aber spannend wurde die CockpitCrew nach dem Johannesburg-Flug mit dem Nachtzug von Nairobi nach Mombasa verschoben, um den Balair-Flieger mit Kabinenbesatzung zu übernehmen. Vornehm speisten wir im Speisewagen im englischen Kolonialstil. Der Südafrika-Wein half, im Schlafwagen etwas schlafen zu können. Das grosse Gefälle bedingte nämlich ständiges kreischendes und ruckendes Bremsen der Zugkomposition. Im Hotel erwartete uns ein bekümmerter Kabinenchef. Eine Flight Attendant sei überfällig. Sie hatte die glorreiche Idee, ihren Letztflug vor dem Wechsel von Balair zur «langweiligen» Swissair ganz allein mit einer Safari im Mietauto abzuschliessen. Nach zwei Tagen tauchte sie übernächtigt auf. Wegen einer Panne hatte sie zwei volle Nächte im Auto zugebracht, umgeben von laut schnaufenden und furzenden Flusspferden und anderen beunruhigenden Geräuschen, bis endlich jemand vorbeikam. Wir amüsierten uns derweil am Pool über einen Affen, der Kleidungsstück um Kleidungsstück aus einem Fenster schmiss. Wie kann man so blöd sein und entgegen der Warnung vor Affen das Fenster offen lassen. Unserem Flight Engineer verging allerdings das Lachen, als seine Uniform der Unterwäsche folgte.
Fast wohltuend wurde kürzlich in der Schweizer Presse einmal nicht über Trump, sondern über die Zahl Pi geschrieben. Der amerikanische Pi-Tag, das Datum 3-14 (14. März) entspricht den drei ersten Zahlen der unendlich langen Zahl, wurde sogar am Schaffhauser BBZ mit runden Kuchen gefeiert, konnte ich in Miami in den Internet-SN lesen. Runde Formen bestimmen auch das Flugzeug aus aerodynamischen und Festigkeitsgründen. Ein eckiges Fenster oder ein eckiger Rumpf würde den Druck nicht aushalten. In Miami ist aber weder Trump noch Pi ein Thema, sondern der Spring Break.
Momentan beherrschen während dieser traditionellen Frühlingspause der Studenten und Schüler Tausende Jugendliche in knappen Badekleidern mehr oder weniger alkoholisiert die Miami Beach. Die Hotelzimmer sind x-fach belegt – mit entsprechendem Lärmpegel für die Zimmernachbarn. Viele Polizisten sind präsent, aber als Ehemalige sind sie äusserst verständnisvoll. Wenn zu acht im Cabriolet stehend mit voll aufgedrehten Lautsprechern die Strandpromenade rauf und runter gefahren wird, kümmert sie das gar nicht. Motorradfahrer haben übrigens keine Helm-, aber Brillenpflicht. Die Polizisten selbst drehen mit ihren Quads übermütig Pirouetten im Sand. Die dicke Zigarre, neu aus Kuba wieder erlaubt, im Mund, winkt mir einer lachend zu, ich solle ihn doch fotografieren.