In Shanghai traf ich einen Kollegen aus der Pilotenschule. Er wechselte nach dem Grounding in eine Middle East Airline. Beim Morgenessen schwärmte er über seine beste Entscheidung. Tolle Flugzeuge, neue Destinationen, junge Flight Attendants und vom Chauffeur zur Arbeit abgeholt. Beim Mittagskaffee fand er doch ein paar Haare in der Wüstensuppe und am Abend beim Bier war alles Sch…
Völlig untalentierte Piloten aus gewissen Familie hätten immer Recht, Fehler würden immer den Söldner Piloten angelastet, kritische Meinungsäusserungen lägen nicht drin, Abweichungen von Vorgaben seien zu begründen und hätten rasch Sanktionen zur Folge. Eine Kündigung lasse wenig Zeit die Zelte abzubrechen und das Land zu verlassen. Heute fliegt er bei Edelweiss. Die unabhängige Entscheidung ohne negative Folgen, wie sie bei uns (noch) hoch gehalten wird, gilt es zu erhalten. Sie kann für den Passagier entscheidend sein, wie diverse Flugunfälle zeigen. Druck kommt von überall. Lademannschaft, Technik, Tanker, Flugplaner, Flugverkehrsleiter, Jahresergebnis, Arbeitgeber und nicht zuletzt vom Passagier. Verspätungen sind für diesen ein Dauerthema. Man sollte die Relation aber nicht verlieren gerade wenn es um Sicherheit geht. Etwa bei einem vierzehn Stunden Flug, wo früher die Reise über eine Woche dauerte. Wenn es um Sicherheit geht muss der Pilot als letztendlich Verantwortlicher für den Flug völlig unabhängig sein im Entscheid und darf sich weder von wirtschaftlichen Überlegungen noch vom Druck seines Arbeitgebers oder vom Passagier beeinflussen lassen. Er muss quasi unbestechlich sein. Etwa bei den Treibstoffreserven und als Konsequenz daraus ob zahlende Fracht oder gar Passagiere ausgeladen werden müssen. Es war für Passagiere und Besatzungsmitglieder mit Angehörigen schwer verständlich, dass beim Heimflug der MD-11 in Bangkok oder Hongkong im Winter oft ein paar Dutzend Sitze leer geplant waren, aber trotzdem nicht alle mitgenommen wurden. War man nämlich am Startgewicht Limit, bedeutete etwas mehr Gegenwind rasch eine Tonne mehr Kerosin und damit zehn Passagiere zurück lassen. Zwingend muss es alleinige Entscheidung der Piloten sein, ob ein Flugzeug technisch akzeptiert wird oder eine Wettersituation Start, Weiterflug oder Landung zulassen. Flugplaner, Techniker und Meteorologen können helfen und empfehlen aber nie entscheiden. Als junge noch wenig erfahrene Crew standen wir bei Schneefall startbereit auf der Piste 28 in Zürich. Gemäss dem gleichzeitig mit der Starterlaubnis durchgegebenen Bremskoeffizienten war ein Start nach unseren Vorschriften nicht mehr möglich. Wir rollten zurück ans Gate. Die Passagiere verstanden den Entscheid nicht in Anbetracht, dass andere Maschinen starteten. Wir verstanden es auch nicht und suchten das Chefpiloten Büro auf. Er sei stolz, beschied uns dieser. Auf uns, die sich an die Vorschriften hielten, aber auch auf die erfahrenen Kollegen die einen Start für verantwortbar hielten. Wir verstanden die Tragweite und vor allem Richtigkeit seiner Aussage erst mit zunehmender Erfahrung. Kein Techniker, kein Flugplatzchef, kein Chefpilot und letztlich auch keine Bürotischvorschrift kann den Piloten Entscheid und Verantwortung abnehmen sondern nur Entscheidungshilfen liefern. Der Entschluss wie weiter wird allein und oft sehr einsam und nicht umkehrbar im Cockpit gefällt. Mit allen Konsequenzen wie es ein guter Freund und Douglas Testpilot einmal ausgedrückt hat: „Der Schritt ob ein Pilot aus einer Situation als Held oder Ar.. hervor geht ist sehr klein.“
Das Schweizer Privileg uns frei äussern, nach besten wissen handeln und im Falle von Fehlern eine faire Untersuchung erwarten zu können ist unendlich wertvoll und gilt es gegen auch bei uns aufkommende Strömungen zu verteidigen. Wir Fliegenden haben in der Welt viel anderes gesehen und in Diskussionen mit Passagieren, Mitarbeitern, Leuten aller Schichten, Polizisten, Botschaftern, Auswanderern, Sportfunktionären, Hotelpersonal, Kleinkriminellen, leichten Mädchen und leutseligen Politikern Schlimmes gehört. Piloten haben hie und da auch geholfen die Meinungsfreiheit zu fördern. So erinnerte sich Wirtschaftsanwalt Peter Nobel anlässlich eines Vortrags in Schaffhausen an einen Swissair Piloten der ihm in den siebziger Jahren während dem kalten Krieg jeweils ohne Wissen des KGB Bücher in seinen Moskauer Studienaufenthalt gebracht hat. Ich kann mir die diskrete Übergabe im Intourist Hotel unterhalb des roten Platzes lebhaft vorstellen. Wir wurden immer sehr argwöhnisch beobachtet von den beleibten Anstandsdamen auf jedem Stockwerk und vermuteten überall Wanzen, konnten uns aber frei bewegen. Anders im alten China wo uns der obligate Führer bei Ausflügen auf Schritt und Tritt folgte und jedes Gespräch mit Einheimischen argwöhnisch verfolgte oder sogar trennte.
Zurück zum mittleren Osten. Wir freuten uns damals nach dem Ultra Kurzstreckennetz der DC-9 riesig auf Flüge nach Damaskus oder Amman mit der MD-80. Nach dem Flug in Damaskus in einem Strassenkaffee in angenehmer Wärme mit der Crew Spezialitäten wie Humus oder Datteln zu essen, sich noch rasch mit dem uralten Chevi ans Tote Meer fahren zu lassen zum Sitzbad im Menschen tragende Salzwasser oder die faszinierenden Denkmäler früherer Kulturen zu besichtigen war echte Lebensqualität. Es ist schwer verständlich, dass das heute nicht mehr möglich ist und alles kaputt geht mit ausbreitender Tendenz. Gründe dass es so weit kommen konnte sind unter anderem unterdrückte Meinungs- und Medienfreiheit.