Begegnungen über und unter den Wolken

Geschrieben von Markus Müller
Pferderennen in Nairobi

Begegnungen können erfreulich sein, einigen möchte man lieber aus dem Weg gehen. Auch in der Luft. Auf dem endlosen Nachtflug ist ein Gespräch auf der „Schnorrifrequenz“ mit entgegenkommenden Kollegen eine willkommene Abwechslung. Neben Tipps zur Destination oder letzten Gerüchten geht es auch um Informationsaustausch betreffend dem aktuellen Flug. Turbulenzen, verfügbare Flughöhen, Luftraumüberlastungen, Wartezeit am Gate oder an der Passkontrolle. Auch mit Kollegen anderer Airlines tauscht man sich unterwegs aus.

Jeder der diese Frequenz auf einem der drei Funkgeräte gewählt hat kann mithören. Unter Amerikanern tönt es oft wie am Stammtisch. Von der Befindlichkeit der Familie über die nächste Party bis zur Gewerkschaftsdikussion. Entgegenkommende Flugzeuge grüssen sich mit den Landescheinwerfern. Ihre gegenseitige Höhe abzuschätzen ist aber fast nicht möglich. Erst im letzten Moment wird bei einer Kreuzungsgeschwindigkeit von achtzehnhundert Stundenkilometer, beziehungsweise fünfhundert Meter in einer Sekunde, klar ob das entgegenkommende Flugzeug mit mindestens dreihundert Meter über oder unter einem passieren wird. Die Landescheinwerfer sind übrigens unter zehntausend Meter vorgeschrieben. Diese Weisung habe ich allerdings bei Nacht Anflügen über Schaffhauser Gebiet nicht befolgt. Die Wahrnehmung des durch technischen Fortschritt geringen Fluglärms in unserer Gegend ist vermutlich mehr optisch als akustisch und erst die hellen Scheinwerfer machen darauf aufmerksam. Zudem genügen nachts zur Luftraumüberwachung die Positionslichter und Vögel sind auch selten. Eine unbewiesene Theorie sagt nämlich, dass Vögel bei zwei Scheinwerfern die Distanz besser abschätzen und dem Flugzeug ausweichen können. Das tatsächlich laute und störende Aufheulen über Stadt und Klettgau kommt übrigens nicht vom Triebwerk sondern vom Aus- und Einfahren der Luftbremsen. Die Deutsche Verordnung, die Landesgrenze nachts auf mindestens zehntausend Fuss überfliegen zu müssen, machen den Gebrauch der  Strömungsstörklappen auf dem Flügel nötig um wieder auf den richtigen Anflugwinkel hinunter zu kommen. Die Auflage erreicht damit genau das Gegenteil von dem was sie eigentlich will. Man würde es besser den Piloten überlassen den Anflug  im optimalen Gleitwinkel mit den Triebwerken im  Leerlauf zu fliegen.

Wunderwaffe TCAS gegen tödliche Begegnungen

Gegen gefährliche Begegnungen und um die Unzulänglichkeit des menschlichen Auges wie auch Fehler von Piloten und Fluglotsen zu kompensieren wurde das TCAS (Traffic Collision Avoidance System) eingeführt. Dabei werden Signale die jedes Flugzeug aussendet um vom Bodenradar wahrgenommen zu werden vom Bordcomputer ausgewertet. Flugzeuge in der  Nähe werden auf dem Navigationsbildschirm dargestellt mit Höhe und Bewegungsvektor. Wenn ein Konflikt entstehen könnte, wird das Symbol gelb und eine Stimme warnt im Cockpit. Wenn die Annäherung zu einer Kollision führen könnte, wechselt das Symbol auf Rot und beide involvierten TCAS befehlen ihren Piloten koordinierte vertikale Ausweichmanöver. Es war ein Kulturschock für Piloten, Anzeigen nicht zuerst interpretieren und darauf eine Strategie aufzubauen, sondern die Anweisung des Flugverkehrsleiters zu ignorieren und blindlings einer Computeranweisung zu folgen. Noch schwerer taten sich anfänglich die Fluglotsen. Es wurde zum gewerkschaftlichen Thema wegen vermeintlicher Bedrohung der Arbeitsplätze. Dass sich Piloten auch Jahre nach System Einführung noch schwer tun, zeigte auf tragische Weise das Unglück über Überlingen vor fünfzehn Jahren. Eine Crew folgte, obwohl die Diskrepanz erkannt wurde, der Anweisung des Fluglotsen anstatt der von beiden beteiligten Flugzeugen koordinierten und rettenden TCAS Ausweichanweisung Folge zu leisten.

Spezielle Begegnungen auch Off Duty

In Brazzaville beschlossen wir den Sonnenuntergang an den Kongo Stromschnellen zu erleben. Mit zwei Taxis fuhren wir los. Auf der Retourfahrt blieb unser Fahrzeug, leider das hintere, im Niemandsland in der finsteren Nacht stehen und machte keinen Wank mehr. Wie üblich im afrikanischen Busch sind immer Fussgänger unterwegs. Die Menschentraube um uns wurde immer grösser und unser Unbehagen und offensichtlich auch das des Fahrers auch. Wahllos begann er Drähte aus dem Armaturenbrett zu zerren. Tatsächlich führte das Zusammenhalten Funken begleitet zum Erfolg. Unbeschwerter verlief eine Begegnung im Casablanca in Nairobi. Das Essen war vorzüglich, stimmig zwischen Feuerschalen. Der italienische Wirt freute sich über Schweizer Gäste. Er sei Skilehrer in Zermatt gewesen rühmte er die Schweiz und schleppte uns in die zum Restaurant gehörende Diskothek. Feuerstellen, Sandinseln mit Liegestühlen und um die Tanzfläche grosse Liegen. Porsches und Mercedes auf dem Parkplatz, viele mit Diplomaten Nummern. Angeregt unterhielten wir uns mit drei seiner einheimischen Gäste was im Angebot gipfelte, sie würden uns zwei Piloten am Sonntag abholen. Wers glaubt. Aber tatsächlich fuhr ein Geländefahrzeug vor und ein amüsanter und interessanter Ausflug auf die Pferderennbahn folgte. Echt englisch. Gut gekleidete Leute, gepflegter Rasen, Wettbüros, Verpflegungsstände.  Auf der anderen Seite der Mauer sah es etwas anders aus bei den weniger Vermögenden. Wir wetteten mit und revanchierten uns mit einem Nachtessen im Casablanca. Am Flugplatz fuhr übrigens ein weiteres Diplomatenfahrzeug, diesmal mit Schweizer Flagge, vor. Ein Bundesrat auf Ferienreise. Als Verkehrsminister kaum auf dienstlicher Mission in Kenya.

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