Flugzeuge sind eigentlich zum Fliegen gemacht

Geschrieben von Markus Müller
Sea Plane Canada

Nun stehen sie wieder. Flugzeuge von Air Berlin, von Belair, von Skywork. Sie sind aber eigentlich zu wertvoll um herum zu stehen und das Personal möchte sie auch bewegen, Passagiere befördern und freundlich bedienen anstatt einmal mehr zum Spielball von Personen zu werden die ihr Handwerk nicht verstehen. Es ist, vor allem für jene die so etwas bereits erlebt haben, traurig das Geschehen in den Sozialen Medien zu verfolgen.

Etwa die Wutrede eines Piloten nach der letzten Air Berlin Landung aus den USA: „Diese starke Truppe lässt sich nicht von gierigen Managern, Rendite süchtigen Aktionären und blinden Politikern unterkriegen.“ Leider nützt auch der warme Applaus der Passagiere nichts, es bleibt seine letzte Landung. Seine Verabschiedung, „wir sagen nicht auf Wiedersehen sondern Tschüss, machen sie`s gut“, ist Realität. Ebenfalls auf YouTube die  Tränen erstickte letzte Ansage eines Flight Attentats an die Passagiere. Sie beklagt sich nicht, sondern dankt den Passagieren für die lange Treue. Oder die Verabschiedung einer Crew von den Fluglotsen. Diese rufen sie kurzerhand mit dem Rufzeichen „Air Berlin Forever“. 

Verantwortungsbewusstsein und Freude am Fliegen bis am Schluss

Es ist eine grosse Aviatik Familie, von der Putzmannschaft über den Betanker, die Lademannschaft, den Mechaniker bis zum Piloten. Es sind Emotionen, grosses Pflichtbewusstsein und enormes Verantwortungsgefühl. Jeder weiss, von ihm verursachte Fehler oder Nachlässigkeiten können Leben gefährden. Die Fliegerei ist nur so sicher geworden weil systematisch aus Fehlern gelernt wird. Jedes Vorkommnis wird seziert, kommuniziert und Lehren daraus gezogen. Für Chefs und Investoren gilt das nicht, sie lernen nie. Die Fehler wiederholen sich nach dem gleichen Strickmuster. Nur ihre Sessel werden etwas rascher gewechselt, am Schluss bleibt die Frage wer den Stecker ziehen muss und weiterhin kümmert sich niemand um die schon lange andauernde Krankheitsursache des internationalen Luftverkehrs. Die aktuellen Bilder wecken Erinnerungen ans Grounding vor sechzehn Jahren und einem Monat. Auch wir marschierten vor die Bank und demonstrierten vor dem Bundeshaus. Nur eine extrem gute Piloten Selektion gewährleistet, dass in solchen Situationen bis zum letzten abstellen der Triebwerke nur der Passagier und das ihm anvertraute Flugzeug im Zentrum jedes Handelns steht. Ich habe mich letzte Woche nach einem Anlass lange mit Nationalrätin Jacqueline Badran, die als eine der Wenigen den Absturz bei Bassersdorf überlebte, darüber unterhalten. Aus unserer Erfahrung waren wir uns einig. Mit etwas Talent kann man fliegen lernen aber den Charakter zum Fliegen muss man mitbringen. Sie musste es schmerzlich erfahren. Ich war als dritter Pilot beim Letztflug eines Kollegen dabei. Er war etwas sportlich und die Ausgangslage für die Landung genügte unseren Ansprüchen nicht mehr so ganz obwohl machbar bei der langen Zürcher Piste. Er startete durch, drehte eine Ehrenrunde und es war ihm furchtbar peinlich. Wir stellten ihn auf, er solle im professionellen Verhalten auch etwas Spass sehen, habe er doch einen zweiten Letztanflug durchführen können. Der Air Berlin Pilot hat in Düsseldorf auch eine Ehrenrunde gedreht. Es war kein Risiko aber es war unnötig, hat den Flugverkehr gestört, den Passagieren Zeit genommen und Geld gekostet.
Aufhören und mit der Fliegerei abschliessen zu müssen ist für viele schwierig. Wenn einem die Fliegerei und die Erinnerung daran wegegenommen wird ist es eine Tragödie.
In Hongkong haben wir uns mit der ganzen Crew zum Nachtessen verabredet. Plötzlich verschwand der Kapitän für eine halbe Stunde. Nach seiner Rückkehr überreichte er jedem Flight Attendant ein Seiden Foulard und den männlichen Flugbegleitern ein Buch über Hongkong. Am Schluss hiess es, alles sei bezahlt. Er habe einfach Freude mit uns zu fliegen, seine Begründung. Auf dem Rückflug wollte ich es genauer wissen. Er wich zuerst aus und sagte dann mit Tränen, es hätte sein Letztflug sein können, aber Swissair habe das Pensionsalter angehoben und er dürfe zwei Jahre länger fliegen. Er hätte übrigens ein paar Jahre früher fast seinen definitiven Letztflug im Leben angetreten. Er verpasste einen gebuchten Flug welcher nach einer Triebwerkexplosion crashte. Ein anderer passionierter Pilot wünschte mich als Copilot für seinen Letztflug nach Toronto. Zuvor rief er mich an, er möchte keinen Zirkus aber nochmals etwas Verrücktes unternehmen, nur wir zwei. Die Kabine hatte eh einen kurzen Aufenthalt und wir fuhren im Mietauto nach Norden. Ziel war ein grosser See und dort Flugstunden mit einem Wasserflugzeug. Es war faszinierend verrückt. Die Fluglehrerin eröffnete uns, wenn wir versuchen würden das Flugzeug so zu landen wie wir es ein paar tausend Mal getan hätten, würden wir unser Leben riskieren. Bereits der Start war anders. Beim Ziehen am Knüppel hob sich die Nase gerade etwas an aber das Flugzeug blieb  gleich langsam an der unbewegten glasklaren Wasseroberfläche kleben bis ans andere Seeufer. Wir mussten mit dem „Schiff“ einen Kreis drehen und erst beim Durchqueren der selber verursachten Wellen hoben sich die Schwimmer aus dem Wasser und das Vehikel wurde zum uns vertrauten Flugzeug. Und dann eben mit viel Geschwindigkeit ans Wasser heran fliegen, hinein sinken und wieder Schiff werden. Über Montreal wünschte er sich einen Motorschaden. So könnte er einem zweiten Letztflug machen. Aber die drei Triebwerke drehten bis nach Zürich zuverlässig. Auch uns ging der Gedanke an eine Ehrenrunde durch den Kopf, aber die gute psychologische Selektion  behielt die Oberhand.

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