Nein sagen ist überlebenswichtig

Geschrieben von Markus Müller
Evacation Flight Abidjan

Das Recht nein sagen zu dürfen ohne negative Folgen ist das A und O in der Fliegerei. Es beginnt zuhause. Jeder Pilot und jedes Flight Attendant ist selber verantwortlich ob es „fit to fly“ ist und damit in der Lage seine Aufgabe erledigen zu können. Bei Swiss und den meisten europäischen Airlines wird diese Kultur hoch gehalten und der Entscheid einen Flugeinsatz abzulehnen ohne begründen zu müssen dem Flugpersonal überlassen.

Eine leichte Erkältung kann sich im Flug bereits sicherheitsrelevant auswirken. In der Flugplanung haben alle Piloten Vetorecht über Flugroute, Treibstoffmenge, Zuladung und Flugdurchführung. Früher war die Hemmschwelle für Copiloten grösser oder sie wurden oft gar nicht gefragt. Interventionsrecht und Pflicht gilt im Flug mit schlussendlicher Entscheidung beim Kapitän. Neben Sicherheit, Komplexität und Pilotenausfall ist das mit ein Grund, dass Linienlüge nur mit Zweimanncockpit durchgeführt werden dürfen und immer zwei Meinungen vorhanden sind sowie ein Nein möglich ist. Viele Unfälle gehen darauf zurück, dass kein Nein kam oder mit der Hierarchie abgewürgt wurde, wie die Unfälle Alitalia Stadler Berg oder Crossair vor 15 Jahren. Auch bei den jüngsten Unfällen stellt sich die Frage warum kein nein kam. Dazu braucht es Erfahrung. Die war nicht immer da. So durften wir offiziell und legal in unserer Copiloten Zeit keinen Start durchführen. Er war dem Kapitän vorbehalten der das Flugzeug erst nach einfahren von Fahrwerk und Klappen übergeben durfte. Dasselbe für Umkehr Schub und Bremsen. Heute ist das zum Glück anders. Beide Piloten dürfen alle Manöver machen ausser Rollen am Boden. Das bleibt Captain Business respektive hat der Copilot gar kein Steuerrad für das Bug Fahrwerk. In der Elfenbeinküste gerieten wir in den Bürgerkrieg. Der Flugplatz war während Tagen geschlossen und unser Hotel im Belagerungszustand. Rundherum wurde geschossen. Nach generalstabmässiger Planung wurden wir durch Fremdenlegionäre auf den Flugplatz evakuiert und mit dem Propellerflugzeug einer Minengesellschaft nach Ghana geflogen. Das Erlebnis machte einigen stark zu schaffen. Als Reaktion schliefen sie im rettenden Flugzeug sogleich ein, während die Krisenerprobten sich mit den beiden afrikanischen Piloten unterhielten. Breit grinsend reichten sie aus der mitgeführten Box Getränke und Sandwichs nach hinten. Nach ein paar Tagen in Accra kam der Auftrag mit dem gleichen Flugzeug nach Abidjan zurück zu fliegen und den ersten Linienflug zu übernehmen mit der Hinflug Besatzung als Passagiere. Beim Nachtessen wurde rasch klar, dass einige enorm Mühe hatten mit der Rückkehr an den Ort des Schreckens und gar von Einsatzverweigerung sprachen. Keine Voraussetzung für einen sicheren Flug die zu einem nein meinerseits mit dieser Besatzung führte. Mein Vorschlag, dass wir den Linienflug Accra-Zürich übernehmen würden und diese Crew an unserer Stelle nach Abidjan versetzt würde, wurde von der Einsatzleitstelle wie auch von der anderen Crew akzeptiert und als fair betrachtet. Ich habe im Nachhinein von jungen Flight Attendants rührende Dankesbriefe bekommen, ihnen den Flug nicht zugemutet zu haben. Eine Schachtel Mon Chérie hat mich natürlich besonders gefreut. Einfacher war es ein nein demokratisch zu vermeiden, als wir mit einem leeren Flugzeug nach London Luton geschickt wurden um Luftwaffen Personal nach Deutschland zu fliegen. Der Anfrage, ob wir eine Nacht in London bleiben würden für eine Folgeflugmission am anderen Tag, stimmten wir nach einer Abstimmung in der Crew zu. Als am andern Tag die gleiche Anfrage nochmals kam löste sie zuerst Gelächter aus. Dann befanden alle, es komme nicht mehr drauf an ohne Ersatzkleider, Pyjama und sonstigem eine zweite Nacht zu bleiben zudem die Stimmung in der Crew hervorragend war und ich den Ausgang in Uniform erlaubte.

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