Funksprüche – Verspätungen – Frust

Geschrieben von Markus Müller
Grosse Erleichterung wenn kurz vor der Nachtflugsperre die Gashebel nach vorne geschoben werden können im A340 Cockpit

Kürzlich ging der Ausraster eines Piloten am Flugfunk durch die Medien. Auslöser waren Verspätungen. Solche sind ein Ärgernis und können Kettenreaktionen und Konsequenzen auslösen weshalb eine emotionale nicht zum Abhören gedachte Reaktion verständlich ist. Früher war der Besitz von Flugfunkgeräten nur mit Lizenz möglich. Heute kann man sie kaufen, unberechtigtes senden ist aber verboten.

Im Südanflug Zürich, wir hatten gerade die Landebewilligung erhalten, tönte es plötzlich: „Du Schafs… da oben“. In der Gegend von Gockhausen machten wir zudem einen Scheinwerfer aus. Den zweiten unfreundlichen Funkspruch beantworteten wir mit freundlichem Blinken unserer Landescheinwerfer. Nach der Landung wartete bereits die vom Tower informierte Polizei mit Fragen, denn Lärm Betroffenheit hin oder her, unautorisierte Funksprüche können zu gefährlichen Situationen führen. Über Apps wie „LiveATC“ kann man heute den Flugfunk aus der ganzen Welt abhören und mit „Flightradar24“ alle Flugbewegungen verfolgen. Es gibt Personen die beides systematisch verfolgen, wie es auch solche gibt die am Pistenende in Kloten fotobereit sind. Als erster oder sogar einziger einen spektakulären Funkspruch, einen eigenartigen Flugweg oder sogar einen Unfall festzuhalten kann einträglich sein. Piloten müssen deshalb abwägen was sie ausserhalb der normalen Meldungen über Funk absetzen. Auch mit Spässen muss man vorsichtig sein. Ein Kollege gab dem Fluglotsen in Bombai in indisch gefärbtem Englisch Antwort. Er wurde nach der Landung umgehend auf den Tower zitiert um sich zu rechtfertigen und zu entschuldigen. Zum Glück konnten sie nicht sehen wie er beim Funkspruch auch noch mit dem Kopf wackelte. Delikate Gespräche werden besser über ACARS (Aircraft Communications Addressing and Reporting System), ein SMS ähnliches System, geschrieben oder via Satelliten Telefon geführt. Dabei sollte man die letztgewählte Nummer löschen da sie sonst rufbereit bleibt. Nachdem wir den Telefonmodus gewählt hatten, meldete sich eine verschlafene französische Frauenstimme. Es war die Ehefrau des welschen Kollegen der uns das Flugzeug in L. A. übergeben hatte. Für extreme Situationen wie Entführung, Notfall oder Verlust des Sprechfunks gibt es zudem Codes die gesendet werden und nicht abgehört werden können.

Verspätung bedeutet Stress und Konsequenzen
Verspätungen können grosse Folgen haben. In Zürich resultieren sie zu oft aus politisch bedingten nicht optimalen Abläufen im ohnehin schwierigen System kreuzender Pisten und übervorsichtiger Flugwegkoordination. Schlechte Slots können auch vom Zielflughafen, vollen Luftstrassen oder Streiks kommen. Es kann sein, dass wegen der Nachtflugsperre der Flug gestrichen wird, die Passagiere ins Hotel müssen, das Flugzeug über längere Zeit zu spät zur Verfügung steht für Folgeflüge oder die erlaubte Arbeitszeit der Besatzung überschritten würde und deshalb ausgewechselt oder mit zusätzlichen Piloten ergänzt werden muss. Gerade gegen die Nachtflugsperre hin wird es oft hektisch und die Erleichterung ist gross wenn man die Gashebel nach vorne schieben kann. Verspätungen können für Verursacher auch Penaltys zur Folge haben weshalb der schwarze Peter gerne herum gegeben wird. Der Kapitän gibt daher unbestechlich den Verspätungsgrund weiter und entscheidet wenn es um Sicherheit geht. Wir verlangten in Zürich das Auswechseln eines defekten Navigationscomputers. Den Vorschlag mit einem Computer loszufliegen, nachdem der Falsche gebracht wurde, lehnten wir ab und gaben als Verspätungsgrund „technisch“ an. Kaum in der Luft kam der Korrekturversuch, die Piloten hätten mit einem Computer losfliegen können. Das wäre zwar erlaubt aber unvernünftig, da beim Ausfall des zweiten Computers die Atlantikquerung gefährdet und das Risiko im Ausland hängen zu bleiben zu gross wäre. 

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