Tochtertag, Hühnerkäse, angriffiger Löwe und afrikanische Schuhe

Geschrieben von Markus Müller

Früher hiess er „Vater-Tochtertag“. Er sollte den Mädchen Einblick in die Männerberufe geben und die Väter für die Bedeutung der Berufswahl ihrer Töchter sensibilisieren. Heute heisst er „Zukunftstag“ für alle.

Ein Arbeitstag ihres Vaters daure halt mindestens drei Tage teilte meine Tochter ihrer Lehrerin mit, in der Annahme das sei es dann gewesen. Dem war nicht so und der pädagogisch sanktionierte „Vater-Tochtertag“ spielte sich in der Folge vier Tage in der Luft und in Johannesburg ab. Natürlich wollten ihr alle Besatzungsmitglieder ihren Beruf näher bringen. Der eine Copilot fesselte sie mit seinen Geschichten aus dem Junggesellenleben und wie er vor jedem Flug die Betreuung seiner afrikanischen Wüstenmäuse organisieren musste. Der andere, damals Schul- und heute Gemeindepräsident im Weinland, erläuterte mit ihr in 12000 Meter die Berufswahl. Sie könne gleich bleiben und ihren Job auch kennen lernen, wurde ihr etwas unwohl als die südafrikanische Grenzpolizistin sie lachend packte und zur Seite zog. Ausflüge gehören auch zum luftigen Berufsbild. Auf der Safari im Nationalpark nahm ein riesiger Löwe kaum Notiz von uns. Auf der Rückfahrt passte er uns aber richtiggehend ab und sprang auf die Motorhaube. Es schüttelte uns kräftig und der Fahrer hatte gar keine Freude an den Kratzspuren. Entspannung dann in der Pflegestation beim Spielen mit den bereits gewichtigen Löwenbabies. Lachend erinnert sie mich heute noch an das (männliche) Flight Attendant, das uns Piloten beim Cockpitbesuch jeweils über die Haare strich. Keine Angst es gibt kein MeToo daraus. Die Fliegenden sind vieles gewohnt und sehr tolerant. Es gibt auch immer wieder Originale in der Besatzung. Ein solches war der Erstklass Stewart aus dem katholischen Appenzell. Bei der Schweizergarde in Rom schickten sie ihn nach wiederholten Damenbesuchen nach Hause. Im Flugzeug war er der Schreck der weiblichen Vorgesetzten, da er sich von diesen gar nichts sagen liess und sein Programm durchzog. Bei den Passagieren war er hingegen sehr beliebt. Überhaupt geniesst das Erstklass Personal, bis vor kurzem sehr sorgfältig ausgewählte und ausgebildete sogenannte FCGs, einen Sonderstatus. Die Kabinenchefs halten sich aus ihrem Reich heraus und dem Cockpit sind sie am nächsten und haben die häufigsten Kontakte zu den Piloten. Diese stellen sich zudem besser gut mit den FCGs für Ihr leibliches Wohl, sprich Erstklass Verpflegung. So war es dem kräftigen Appenzeller auf dem Flug nach Nairobi gelungen, von der Kabinenchefin entsetzt im Cockpit rapportiert, einen österreichischen Erstklasspassagier zu überzeugen er könne ihm einen einmaligen Schweizer Hühnerkäse servieren. Gegen Ende des Flugs wurde, zum weiteren Entsetzen der M/Ceuse, die erste Klasse zum ausgelassenen Festsaal. Der Vorwurf der mittlerweile kochenden Chefin, er habe die Alkoholika des Rückflugs ausgeschenkt, kümmerte ihn wenig. Mit Genugtuung präsentierte er uns die Letter to the President in welchen ihn die Passagiere von ihm angeregt über alles rühmten und rieb sie der Kabinenchefin gleich auch noch unter die Nase, darauf hinweisend, dass ein Rapport ihrerseits wohl auf wenig Verständnis stossen würde. Am letzten Abend rief er mich an, ich solle doch in seinen Bungalow kommen. Ich ahnte schlimmes, nachdem wir am Vorabend die berüchtigte Disco Florida 2000 ohne ihn verliessen. Ich kannte zudem seine Vorliebe für dunkle Schönheiten und hatte ihm auch in Rio schon aus der Patsche geholfen. Umsomehr staunte ich als er mich aus einem Berg Schuhschachteln heraus angrinste. Ich müsse ihm beim umpacken für den Flug helfen. Er besichtigte tatsächlich in Kenya eine Schuhfabrik. Er habe für seine über zwei Dutzend Neffen 120 Paar Schuhe erstanden. Den Rest verkaufe er. Bis spät in die Nacht packten wir von seinen Sprüchen begleitet die Schuhe in Säcke um. Ich solle mir zwei Paar auslesen, forderte er mich auf. Die Schuhe waren von guter Qualität und hielten lange. Im Crew Bus wurde es etwas eng und am Flugplatz brauchte es wieder politische Überredungskunst um alles als Crewgepäck durchzubringen.

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