Festtage – nicht für alle zum Feiern

Geschrieben von Markus Müller

An Sylvester habe ich den Glückwunsch erhalten: „Boarding für Flug 2019 kann beginnen. Das Gepäck sollte nur die besten Souvenirs von 2018 enthalten, schlechte und traurige Erinnerungen unbedingt am Security Check abgegeben“. Der Kollege war auf dem Rückflug von Punta Cana (Dominikanische Republik) und erlebte den Jahreswechsel auf 50 Grad West. „Jahreswechsel in 180 Minuten ETOPS Kreisen über dem Atlantik“, fügte er an.

Es sind einsame Feiertags Momente, zu zweit im Cockpit über dem grossen Wasser bis zu drei Flugstunden entfernt vom nächsten Flugplatz. Das erlauben nämlich diese 180 Minuten Kreise der ETOPS (Extended Twin-Engine Operation) Regel. Früher mussten Flugzeuge mit zwei Motoren jederzeit innerhalb einer Stunde einen Flugplatz erreichen können im Falle eines Triebwerkausfalls. Die Atlantik und Ozean Fliegerei war damit Flugzeugen mit drei oder vier Triebwerken vorbehalten ausser man flog weit nördlich und plante mit Ausweichflugplätzen auf Island, Grönland und Kanada. Mit zunehmender Zuverlässigkeit der Triebwerke wurden die Regeln angepasst und die maximal erlaubte Distanz zum nächsten Ausweichflughafen erhöht mit Auflagen. Die Flugrouten über Meer, Wüste, Schnee und Eis werden deshalb zunehmend von günstiger zu operierenden zweimotorigen Flugzeugen beflogen. Nonstop Europa - Karibik und Südamerika ist zweimotorig mit ETOPS möglich. Es braucht eine spezielle Zertifizierung von Flugzeug, Motoren, Piloten und Fluggesellschaft, Zuverlässigkeitsnachweise, mehr Wartung und strenge Kontrolle. Für das Swiss Streckennetz genügt die 180 Minuten Regel um alle Destinationen ökonomisch anfliegen zu können. Probleme gibt es, wenn Flugplätze unterwegs wegen schlechtem Wetter oder ausfallender Infrastrukur nicht geplant werden dürfen. Das kann zu längeren Routen, intensiven Berechnungen im Flug oder gar zu einer Zwischenlandung führen. Scherzhaft aber dank Vorschriften, Ausbildung und Disziplin nicht zutreffend, wurde diese Regelung in Pilotenkreisen anfänglich skeptisch „Engines Turning Or Passenger Swimming – Triebwerke drehen oder Passagiere schwimmen“ genannt. Während fliegen an Sylvester oder Weihnachten unbeliebt ist, stehen viele Destinationen in der Vorfestzeit und an Sylvester zuoberst auf der Flugwunschliste. In Santo Domingo feierten wir auf der Strandpromenade Malecon ausgelassen bei dröhnender Merengue Musik mit. In Sommerkleidern hatte fast jeder, wir eingeschlossen, eine Flasche Barcelo (Rum Marke) in der Hand und dazu einen Plastikbecher mit Cola und Eis der von netten Damen mit hölzernem Bauchladen nachgefüllt wurde. Auf dem Weg ins Hotel wurden wir von der Polizei angehalten. Sie würden uns fahren, es sei zu gefährlich für uns Gringos. Alle Widerrede, wir wollten eigentlich gar nicht direkt ins Hotel, half nichts. Der Grund war klar und wurde offen kommuniziert am Ziel: Sie möchten mit ihren Familien auch noch etwas feiern – mit unserem Trinkgeld. Pompöse Festtage Events finden in den Hotels statt. Bedrückend gibt es für viele draussen, etwa in Afrika, Süd und auch Nordamerika, wenig zu feiern. Eines unserer Lieblingslokale in Rio war El Cid. Es gibt die besten Filet mit schmal geschnittenen Pommes und Bohnen. Gleich daneben wohnte in einer grossen Kartonschachtel eine ganze Familie. Swissair Crews waren oft ihre Ernährer. Wir haben trotz riesigen Portionen jeweils Nachservice verlangt und die Teller der Kinder gefüllt. Es schien uns effizienter als Geld zu geben das sie eh hätten abliefern müssen. Während Jahren konnten wir die Entwicklung der Kinder verfolgen. Vom bettelnden Kind zum jugendlichen Schuhputzer mit der Holzkiste an der Copacabana, zum aggressiver auftretenden Halbwüchsigen um sich dann als Touristen Dienstleister zu etablieren oder zu verschwinden, mit Glück wegen einem Job oft leider um kriminell zu werden.                  

Anhänge:
Diese Datei herunterladen (über den Wolken 1-19.pdf)über den Wolken 1-19.pdf110 KB
Kategorie: